"Adjö Nilla": Fischers schwerer Abschied aus Wolfsburg
Fünf Jahre war Nilla Fischer Abwehrchefin des VfL Wolfsburg. Als Kapitänin ging die Schwedin auf dem Platz immer voran und hatte großen Anteil an insgesamt zehn Titelgewinnen. Abseits des grünen Rasens kämpfte sie trotz Drohungen unerbittlich gegen Homophobie. Nun kehrt eine großartige Fußballerin und große Persönlichkeit Deutschland den Rücken.
Am Ende ihrer überaus erfolgreichen Zeit beim VfL Wolfsburg leistete sich die auf dem Fußballfeld eigentlich fast immer fehlerlose Nilla Fischer einen kleinen Fauxpas. Als die Verteidigerin des deutschen Meisters in der 84. Minute der Bundesliga-Partie gegen Turbine Potsdam (2:0) gegen Sara Doorsoun ausgewechselt wurde, vergaß sie, ihre Kapitänsbinde an eine Mitspielerin weiterzugeben. Mit dem Utensil am linken Oberarm verließ die 34-Jährige unter dem warmen Applaus der 3.406 Zuschauer den Platz und beging damit einen Regelverstoß.
Dieser aber fiel in diesen so emotionalen Momenten nicht einmal Schiedsrichterin Marina Wozniak (Herne) auf. Oder die Unparteiische sah großzügig darüber hinweg. Schließlich endete hier gerade eine Ära. Nach fünf Jahren bei den "Wölfinnen" und zehn Titeln mit den Niedersächsinnen sagt Fischer Wolfsburg und Deutschland "Adjö", wie "Auf Wiedersehen" auf schwedisch heißt. Sie kehrt in ihre Heimat zurück und wird in Zukunft für Linköpings FC auflaufen.
Über fünf Jahre Wolfsburg: "Es war unglaublich hier"
Wie nah der auf dem Feld stets so cool wirkenden Verteidigerin der Abschied aus der Autostadt fällt, war bereits vor dem Anpfiff des Duells mit Potsdam zu sehen. Mit Söhnchen Neo auf dem Arm wartete die 34-Jährige auf ihre offizielle Verabschiedung. Als der Sportliche Leiter Ralf Kellermann, Geschäftsführer Tim Schumacher und Wolfsburgs Oberbürgermeister Klaus Mohrs der scheidenden Kapitänin dann einen Blumenstrauß sowie einen großen Bilderrahmen mit Fotos aus den vergangenen Jahren übergaben, hatte Fischer Tränen in den Augen. So auch später bei ihrer von Standing Ovations begleiteten Auswechslung. Wolfsburg und der VfL, bei dem sie doch ursprünglich nur zwei Jahre hatte bleiben wollen, sind der Ausnahme-Abwehrspielerin sehr ans Herz gewachsen. "Es war unglaublich hier. Ich werde meine Zeit hier nie vergessen. Jeder Mensch, den ich hier kennengelernt habe, ist ein Freund für mich geworden", sagte die Schwedin nach ihrer Abschiedsvorstellung: "Ich muss das jetzt erst einmal verarbeiten."
Zehn Titel mit den "Wölfinnen"
Kellermann hatte die aus Kristianstad stammende Fußballerin im Herbst 2013 an die Aller gelotst. Der heutige Sportliche Leiter war damals noch Trainer der "Wölfinnen" und baute in den darauffolgenden fünf Jahren eine sehr vertrauensvolle Beziehung zu der Verteidigerin auf. "Sie hat sich enorme Verdienste um den VfL Wolfsburg erworben", hatte der 50-Jährige erklärt, als der Club Fischers Abgang zum Saisonende öffentlich bekanntgab. Als es nun soweit war, kämpfte auch Kellermann mit den Tränen. Nach 189 Pflichtspielen für die "Wölfinnen" (Quelle: dfb.de) ist beim Werksclub eine Ära zu Ende gegangen. Mit der Schwedin gewannen die Niedersächsinnen fünfmal den DFB-Pokal, vier Meisterschaften sowie die Champions League 2014. Auch wenn in der niederländischen Europameisterin Dominique Bloodworth - kommt von Arsenal - ein nomineller Ersatz verpflichtet wurde: Die Lücke, die Fischer hinterlässt, dürfte so schnell nicht zu schließen sein. Auch menschlich.
Rückkehr nach Schweden aus familiären Gründen
Die 34-Jährige selbst schlägt ihre Zelte nun wieder in der Heimat auf. Wobei sie genau genommen ein festes Dach über dem Kopf haben wird. Vor den Toren von Linköping haben Fischer und ihre Ehefrau Maria-Michaela ein hübsches Eigenheim gebaut. Es liegt abseits des städtischen Trubels mitten in der Natur. "Wir haben ein paar Hektar Land und denken darüber nach, uns ein paar Pferde und Hühner anzuschaffen", erklärte die Nationalspielerin der schwedischen Boulevardzeitung "Aftonbladet". Ihre Gattin sowie der gemeinsame Sohn Neo waren für Fischer der Hauptgrund, den VfL trotz eigentlich bis 2020 datierten Kontrakts vorzeitig zu verlassen. Eine Ausstiegsklausel machte es ihr möglich. "Ich habe sonst immer meine Entscheidungen als Fußballerin getroffen, dieses Mal habe ich mich aber als Mutter zu diesem Schritt entschlossen. Weil es für uns wichtig ist, dass unser Sohn im familiären Umfeld aufwächst", erklärte die Verteidigerin.
"Werde das alles sehr, sehr vermissen"
Am Montagabend hat Fischer Deutschland per Flieger verlassen - mit jeder Menge Erinnerungen und Emotionen im Gepäck. "Ich bin sehr stolz, hier gespielt zu haben", sagte sie mit etwas Abstand nach der Potsdam-Partie. Und die eisenharte Verteidigerin gab dann sogar zu, dass ihr bei der Auswechlsung eigentlich zum Heulen zumute war: "Die Leute haben es mir nicht einfach gemacht, meine Gefühle nicht zu zeigen. Ich werde das alles wirklich sehr, sehr vermissen." Viel Zeit, die vergangenen fünf Jahre Revue passieren zu lassen, hat Fischer allerdings nicht. In Kürze beginnt sie mit dem Nationalteam die Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft in Frankreich (7. Juni bis 7. Juli).
Möglicherweise ist es für die Abwehrspielerin, die mit Schweden WM-Dritte 2011 und 2016 Olympia-Zweite wurde, das letzte große Turnier. Mit 34 Jahren kann man (oder eben auch Frau) schließlich zumindest mal darüber nachdenken, die internationale Laufbahn ausklingen zu lassen. Oder, Frau Fischer? "Nie im Leben", lautete ihre Antwort auf diese Frage. Diese Direktheit werden sie in Wolfsburg vermissen - auf und abseits des Rasens.