Fußball-Bundesliga: Vom Kommerz-Verbot zum Milliardenspiel
Zunächst gab es für Clubs und Spieler kaum etwas zu verdienen - mittlerweile geht es im komplett kommerzialisierten Hochglanz-Produkt Fußball-Bundesliga um Milliarden. Gerade erst holte der FC Bayern Harry Kane, den teuersten Einkauf in der 60-jährigen Bundesliga-Geschichte. Und selbst durchschnittliche Fußballprofis sind inzwischen Millionäre.
Vor 60 Jahren waren sie noch im Nebenerwerb Metzger, Gemüsehändler, Tankstellenpächter oder Lehrer. Die allermeisten Spieler gingen weiter einem Beruf nach, denn die im Vergleich zu heute sehr, sehr geringen Verdienstmöglichkeiten im Fußball ließen selbst Stars wie Uwe Seeler keine andere Wahl.
"Dafür hätte ich für meine Familie in Hamburg nicht mal ein Zelt mieten können", scherzte die 2022 gestorbene HSV-Legende vor Jahren mit Blick auf die bei Ligagründung festgelegte Gehaltsobergrenze von 1.200 Mark (rund 600 Euro) brutto. "Für mich war mit Beginn der Bundesliga klar, ich muss meinen Beruf behalten. Allein aus Sicherheitsgründen. Alle meine Kollegen beim HSV haben das auch so gemacht", erinnerte sich der Vize-Weltmeister von 1966, der zu Beginn der 1960er-Jahre eine scheinbar unwiderstehliche Millionenofferte aus Italien ausschlug.
Vom Schweiß- und Stollensport zur Unterhaltungsindustrie
Solche Zustände sind heute undenkbar. Exorbitante Gehälter, Handgelder und Ablösesummen sorgen für Diskussionen über die schwindende Bodenständigkeit des Fußballs. Experten taxieren das Jahres-Durchschnittsgehalt von Bundesligaprofis mittlerweile auf zwischen 1,5 und zwei Millionen Euro. Spitzenverdiener beim Rekordmeister FC Bayern sollen gar auf rund 20 Millionen Euro kommen.
Spielerberater Stefan Backs hält solche Summen für vertretbar: "Wenn Hollywood-Stars Millionen-Summen verdienen, können das auch Fußballstars. Sie unterhalten Millionen Menschen weltweit. Das ist kein Schweiß- und Stollensport mehr so wie früher, sondern ein durchgetakteter Teil einer Unterhaltungsindustrie. Damit sind diese Gehaltssprünge zu erklären."
Geldquellen: Trikot-Werbung ...
Die eher puristisch denkenden Gründerväter der Bundesliga wurden von der Entwicklung schon nach wenigen Jahren überrollt. Sonderprämien, Schwarzgeldzahlungen und der Bestechungsskandal Anfang der 1970er-Jahre führten zu einer Aufhebung der Gehaltsobergrenze. Damit sollte die Gefahr der Manipulation von Spielergebnissen im großen Stil verringert werden.
Von da an stiegen die Gehälter rasant an. Neue Einnahmequellen trugen zu einer weiteren Kommerzialisierung bei. Die moralische Entrüstung über die erste Trikotwerbung, als die Spieler von Eintracht Braunschweig am 24. März 1973 mit dem Hirschkopf-Emblem eines Kräuterlikörherstellers auf der Trikotbrust aufliefen und dem Verein damit 160.000 Mark einbrachten, sorgt heute nur noch für ein müdes Lächeln.
... und das Fernsehen
Mit der Einführung des dualen Rundfunksystems in den 1980er-Jahren beschleunigte sich die Entwicklung enorm. Der Vorteil: Die Wirtschaft entdeckte das Werbepotenzial des TV-Sports. Zudem entwickelte sich ein Wettbieten um die Erstverwertungsrechte, da sich die privaten Sender auf dem Markt etablieren wollten.
1965/1966 überwiesen die öffentlich-rechtlichen Sender Geld als Gegenleistung für die Rechte an den bewegten Bildern in schwarz-weiß stolze 647.000 Mark - inzwischen liegen allein die Medieneinnahmen bei 1,3 Milliarden Euro pro Spielzeit, das ist rund das Viertausendfache.
Geldschwemme für Spieler und Berater
Hauptnutznießer dieser Geldschwemme wurden die Spieler und ihre Berater. Das Bosman-Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 1995, das Profis nach Vertragsende einen ablösefreien, meist mit Handgeld versüßten Vereinswechsel ermöglichte, erhöhte die Verdienstmöglichkeiten zusätzlich.
1976 sorgte der Wechsel von Roger van Gool nach Köln für Aufsehen. Die Rheinländer zahlten für den Belgier eine Million Mark (500.000 Euro) an den FC Brügge. Mittlerweile lockt diese Summe niemanden mehr hinter dem Ofen vor.
FC Bayern durchbricht 100-Millionen-Schallmauer für Kane
Zwar denkt noch kein Bundesligist an einen Rekordtransfer wie den 222 Millionen Euro teuren Wechsel des Brasilianers Neymar von Barcelona nach Paris im Sommer 2017, aber auch die Bundesliga ist auf dem Weg in schwindelerregende Höhen: Branchenprimus Bayern zahlt in diesem Sommer für Harry Kane anscheinend 100 Millionen Euro plus Bonuszahlungen im zweistelligen Millionenbereich an Tottenham Hotspur.
Der 30-Jährige ist damit der teuerste Einkauf in der 60-jährigen Bundesliga-Geschichte. Sein Jahresgehalt soll 25 Millionen Euro betragen. Lichtjahre entfernt ist da der Ratschlag, den Erwin Seeler einst seinem Flius Uwe mit auf den Weg gab: "Auch Du kannst nur ein Steak am Tag essen."
Die Kehrseite: Jede Menge rote Zahlen
Selbst die Coronakrise, die das teilweise ruinöse Geschäftsgebaren der Vereine bloßstellte, markierte nur einen kurzzeitigen Einschnitt. Die jüngsten Zahlen weisen einen Umsatz von 4,48 Milliarden in der Saison 2021/2022 auf.
Doch der schöne Schein trügt, denn unter dem Strich stehen jede Menge rote Zahlen. Die 36 Erst- und Zweitligisten machten ein Minus von 200 Millionen Euro. Zudem belasten Verbindlichkeiten von über zwei Milliarden Euro die Vereine. Daran ändern auch die 1,1 Milliarden Euro pro Saison nichts, die den Bundesligisten zuletzt durch Werbung und Merchandising in die Kassen gespült wurden.