Doping-Verhandlung beendet: Vuskovic hofft, CAS-Urteil erst in einigen Wochen
Die Verhandlung im Dopingfall um HSV-Profi Mario Vuskovic am Internationalen Sportgerichtshof (CAS) in Lausanne ist nach zwei Tagen beendet. Das Urteil wird erst in einigen Wochen erwartet. Die Vuskovic-Seite sprach vor Gericht von einem Irrtum, die WADA von Ablenkung und Vuskovic selbst von einem Alptraum.
Aus Lausanne berichtet Lars Pegelow
Vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS ging es zwei Tage um die Frage: Ist HSV-Profi Mario Vuskovic ein Dopingsünder, oder nicht? Nach der Anhörung kann es sein, dass die Frage nach Schuld oder Unschuld gar nicht beantwortet werden kann. Vieles läuft darauf hinaus, wessen Glaubwürdigkeit die Richter in Lausanne höher einschätzen - die der Anti-Doping-Agenturen NADA und WADA, oder die der zweifelnden Wissenschaftler, die die Vuskovic-Seite herangezogen hat. Etwa 25 Personen waren an den Tagen von Lausanne beim CAS vertreten.
Vuskovic-Anwalt Paul Greene plädierte für einen Freispruch, die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA für eine Verlängerung der Sperre auf vier Jahre, der DFB weiter auf zwei Jahre. Das Urteil wird erst in einigen Wochen, aber auf jeden Fall vor Beginn der neuen Saison, schriftlich erwartet.
Vuskovic-Anwalt Greene: "Opfer eines Labor-Irrtums"
"Mario ist unschuldig. Er sagt die Wahrheit. Er ist das Opfer eines Labor-Irrtums und von Versäumnissen. Das war ein tragischer Fehler", sagte Greene in seinem Eröffnungs-Statement und verwies auf das von der Staatsanwaltschaft eingestellte Ermittlungsverfahren. "Weil da nichts war", schlussfolgerte Greene. "Ansonsten findet man immer was. So schlau ist keiner."
"Alle Argumente der Vuskovic-Seite sind Ablenkung"
NADA und WADA hielten dagegen. Die Experten der Anti-Doping-Agenturen hätten die Erfahrung Zehntausender Doping-Proben, sagte NADA-Anwalt Stefan Netzle. "Und Erfahrung ist hier der Schlüssel. Die andere Seite hat eine viel limitiertere Erfahrung." Nicolas Zbinden, der die WADA vor dem CAS vertrat, konterte resolut: "Alle Argumente der Vuskovic-Seite sind eine Ablenkung. Wir können diesen Fall im Grunde schließen."
"Das ist ein absoluter Alptraum. Ich will einfach nur Fußball spielen. Aber sie haben es mir weggenommen, und ich weiß nicht warum. Ich habe es nicht getan." Mario Vuskovic
Die offiziell als "Anhörung" bezeichnete Verhandlung ähnelte der vor dem DFB-Sportgericht im vergangenen Jahr. Jedenfalls in den entscheidenden Phasen, als die Experten sich um die Deutung der Dopingprobe von Vuskovic gestritten haben. Über Stunden wurde argumentiert, gedeutet, erklärt und schlussgefolgert.
NADA unterstreicht Eindeutigkeit der positiven Vuskovic-Probe
Was die NADA angeht, deren Labor in Kreischa Vuskovic' Doping-Test in A- und B-Probe als positiv gewertet hat, unterstrichen die Wissenschaftler die Eindeutigkeit der Probe, die mit dem sogenannten SAR-Page-Verfahren analysiert wurde. In diesem Verfahren werden am Ende Bilder abgeglichen, Schatten von Flüssigkeiten interpretiert, was letztlich zum Befund führt. Die Methode ist nicht unumstritten, oder wie einer der Wissenschaftler vor einem Jahr vor dem DFB-Sportgericht gesagt hat: "Es ist, was EPO angeht, unsere am wenigsten schlechte Methode." Dennoch: Um einen Sportler zu überführen, der eindeutig gedopt hat, hat diese Methode schon viele Erfolge gebracht. Allerdings auch Misserfolge.
Vuskovic-Seite hofft auf zwei Präzedenzfälle
Zwei Präzedenzfälle hat die Vuskovic-Seite angeführt. Den des tschechischen Triathleten Wojtek Sommer aus dem Jahr 2016, und den des australischen Mittelstreckenläufers Peter Bol von 2023. Zunächst als positiv gewertete A-Proben wurden in der Verhandlung vom CAS kassiert - die Athleten freigesprochen. Eins zu eins lassen sich die Fälle nicht auf Vuskovic übertragen. Bei Peter Bol beispielsweise wies schon die B-Probe ein atypisches Bild auf, anders als bei Vuskovic. Doch die Fälle geben der Vuskovic-Seite zumindest Hoffnung, dass sie rückwirkend doch noch einen Freispruch bekommen können.
Protein-Chemiker Chen vs. Epo-Experte Naud
Um die Position zu untermauern, wurde extra der kanadische Protein-Chemiker David Chen aus Kanada eingeflogen. Chen hat referiert, warum die Probe von Vuskovic aus seiner Sicht in Wahrheit negativ war. Die Doping-Fahnder von der NADA und WADA, die mit Francois Naud - ebenfalls aus Kanada - einen Epo-Experten an Bord hatten, hielten entsprechend dagegen. Chens Ausführungen seien falsch. Punkt. Wie gesagt: Es geht um die Glaubwürdigkeit der Wissenschaftler.
Vuskovic: "Würde niemals tun, was sie mir vorwerfen"
Mario Vuskovic saß bei all diesen Debatten ernst und konzentriert an der Seite. Er hatte eingangs der Anhörung seine Karriere nachgezeichnet. Dies fiel ihm nicht leicht, immer wieder musste der Kroate neuen Anlauf nehmen, weil die Stimme stockte. "Das ist ein absoluter Alptraum. Ich wünsche es meinem schlimmsten Feind nicht. Ich will einfach nur Fußball spielen. Aber sie haben es mir weggenommen, und ich weiß nicht warum. Ich weiß es nicht", sagte der HSV-Profi. "Ich habe es nicht getan. Ich würde niemals tun, was sie mir vorwerfen."
Boldt bewegt und betroffen
Seine Mission ist vor dem CAS ganz deutlich geworden: Es geht ihm nicht um eine Reduzierung der Strafe, sondern um den Nachweis seiner Unschuld und damit um einen Freispruch. Seine Mutter und auch HSV-Sportvorstand Jonas Boldt an seiner Seite unterstützten ihn. Auch Boldt, sichtlich bewegt und betroffen von der Ungerechtigkeit, die er schon in der aktuellen Zwei-Jahres-Sperre empfindet.
Lügendetektortest in der Schweiz relevant
Am zweiten Tag der Anhörung wurden weitere Zeugen vernommen, die im Kern aber nichts mit der wissenschaftlichen Analyse des Vortags zu tun hatten. Dafür brachte die Vuskovic-Seite einen Lügendetektortest ein. Den hatte Vuskovic gleich nach der Doping-Nachricht im Herbst 2022 von einem britischen Experten in Split durchführen lassen. Dessen Urteil: Vuskovic sagt die Wahrheit. Vor dem DFB-Sportgericht, überhaupt in der deutschen Rechtsprechung, haben solche Tests keinen Raum. In der Schweiz dagegen schon. Welche Bedeutung die Richter dem Lügendetektortest am Ende beimessen, bleibt bis zur Urteilsverkündung offen.
Vuskovic droht Sperre von vier Jahren
Für Vuskovic steht die Karriere auf dem Spiel. Ihm droht, sollte er schuldig gesprochen werden, eine Verlängerung seiner Sperre bis Herbst 2026. Was macht der HSV bis dahin mit Vuskovic' Vertrag, der im Sommer 2025 ausläuft? Bislang wird der kroatische Verteidiger weiter bezahlt, weil die Club-Verantwortlichen von seiner Unschuld überzeugt ist.
CAS-Urteil erst in einigen Wochen
Für die NADA und WADA steht ebenfalls viel auf dem Spiel. Es geht um die Bestätigung ihrer Arbeit und um den gesamten Kampf gegen Doping, zumindest was Epo angeht. Angriffsflächen oder Zweifel an ihren Mess-Methoden können sich die Agenturen im Grunde nicht leisten. Mit einem Vergleich oder einer moderaten Sperre, wie sie das DFB-Sportgericht verhängt hat, rechnen die beiden Seiten vor dem CAS nicht.