Der schwere Weg zum Fußball-Profi - und wie er leichter werden kann
Unzählige Mädchen und Jungen träumen davon, es in den Profifußball zu schaffen. Der Weg nach oben ist jedoch steinig - auch weil die Betreuung der Talente oft noch nicht optimal ist. Elternbeauftragte sollen künftig helfen.
Am vergangenen Wochenende wandelte Tom Rothe zwischen den Fußball-Welten. Am Sonnabend kam der 18-Jährige beim 6:1-Erfolg von Borussia Dortmund gegen den 1. FC Köln vor 81.365 Zuschauern zu seinem zweiten Bundesliga-Kurzeinsatz. Am Tag darauf lief der aus Rendsburg stammende Linksverteidiger dann für die U23 des BVB im Drittliga-Kellerduell mit dem FSV Zwickau auf. Dem 4:0-Sieg der Hausherren im Stadion Niederrhein wohnten gerade einmal 709 Schaulustige bei. Rothe leistete dabei die Vorarbeit zum wichtigen 1:0 von Ted Tattermusch und zählte zu den besten Spielern im Team von Coach Jan Zimmermann.
Der U19-Nationalspieler hat bis jetzt eine Musterkarriere hingelegt. Nach seinem Wechsel vor zwei Jahren vom FC St. Pauli nach Dortmund empfahl er sich über gute Leistungen im A-Junioren-Team für einen Profivertrag und zählt in dieser Saison regelmäßig zum Bundesliga-Aufgebot des BVB, für den er auch bereits dreimal in der Champions League spielen durfte.
Talent Rothe: Aus BVB-Jugendhaus in den Bundesliga-Kader
Fernab seiner norddeutschen Heimat lebt Rothe den Profi-Traum von unzähligen anderen Nachwuchsfußballern. Julia Porath verfolgt seinen Werdegang ganz genau. Sie war Leiterin des BVB-Jugendhauses, als der Verteidiger 2021 nach Dortmund kam und dort dann gemeinsam mit 21 weiteren Talenten in der Einrichtung lebte. Sie war nicht nur dafür zuständig, dass die "Patchwork-Familie auf Zeit", wie der Club die Bewohner des Hauses im Nachwuchsleistungszentrum nennt, gut miteinander auskommt und sich an die Regeln hält.
Die Mutter von vier Kindern hatte stets auch ein offenes Ohr für die Nachwuchskicker und deren Eltern. "Ich habe Julia kennengelernt und hatte sofort das Gefühl, dass die Chemie zwischen uns stimmt. Wenn irgendwas war, habe ich sie angerufen. Sie sieht jeden individuell und hat nicht die Karriere des Einzelnen im Fokus, sondern die persönliche Entwicklung. Empathie ist ihre große Stärke", sagte Doris Rothe, Mutter von BVB-Profi Tom, dem NDR.
Für die meisten Talente platzt der Profi-Traum
Obwohl Porath ihre Tätigkeit beim Bundesligisten nach zweieinhalb Jahren beendete und den Weg in die Selbstständigkeit wählte, ist sie noch heute Ansprechpartnerin für einige Spieler und Eltern, mit denen sie damals beruflich zu tun hatte. Ihre Ratschläge und ihre Expertise im Juniorenbereich - Porath war zuvor auch für den Hamburger SV im Nachwuchsleistungszentrum als pädagogische Mitarbeiterin tätig - sind gefragt. Denn nicht immer verläuft der Weg vom Talent zum Berufsfußballer so geradlinig und geräuschlos wie bei BVB-Juwel Rothe. Im Gegenteil: Die allermeisten Spieler aus den Akademien der Proficlubs tauchen später nicht in den oberen Ligen auf.
Nachwuchskicker gehen oft naiv in Akademien hinein
Ein Umstand, der zum einen auf der Vielzahl von Bewerbern für die vergleichsweise sehr, sehr wenigen Plätze in den Kadern der Proficlubs gründet. Aber nicht jeder Profitraum platzt aus sportlichen Gründen, wie Porath meint. "Fast alle sind ahnungslos und kommen ganz unbeleckt in diese Fußball-Glitzerwelt rein. Sie denken dann, wenn es ins Nachwuchsleistungszentrum oder ins Internat geht: Jetzt haben wir es endlich geschafft und es geht ein Automatismus los." Das sei aber eben nicht so, sagte die Mutter von Holstein Kiels Zweitliga-Spieler Finn Porath im NDR Sportclub.
"Die Kinder erleben dann auch krasse Enttäuschungen. Sie sind in der Konkurrenz mit anderen Spielern und müssen Gas geben. Wenn sie es nicht tun, sitzen sie auf der Bank. Das müssen sie alle in irgendeiner Form erst einmal einsortieren und lernen, sich selbst durchbeißen zu müssen. Und das ist nicht ganz einfach", erklärte Porath.
KSV-Profi Porath: "Größte Herausforderung ist der Druck"
Eine Aussage, die Sohn Finn aus eigener Erfahrung bestätigen kann. Der heutige Mittelfeldakteur von Holstein war mit 14 Jahren ins HSV-Internat gezogen. "Die größte Herausforderung war der Druck. Es geht in der Jugend ja immer darum, das nächste Jahr zu erreichen und in der nächsten höheren Mannnschaft zu spielen. Da ist man ganz jung und hat viel mehr Leistungsdruck als andere in dem Alter", sagte der 26-Jährige. Der gebürtige Eutiner biss sich durch. Mit 18 erhielt er beim HSV seinen ersten Profivertrag.
Anschließend warfen ihn zwar Verletzungen zurück. Aber nach einer Ausleihe zur SpVgg Unterhaching und dem Wechsel nach Kiel fasste er im "Haifischbecken Profifußball" (Julia Porath) Fuß. Inzwischen kann der Mittelfeldakteur auf stolze 104 Zweitliga-Einsätze und 60 Drittliga-Partien zurückblicken.
Jugendspieler in der Ferne oft auf sich allein gestellt
Viele seiner früheren Teamkameraden aus Jugendzeiten haben den Sprung zum Profi nicht geschafft, obwohl sie ebenfalls die fußballerischen Voraussetzungen dafür mitbrachten. Manchen fehlte die richtige Einstellung, andere hatten Verletzungspech und einige gerieten an die falschen Berater. Zudem werden die Heranwachsenden, die oft fernab ihrer Heimat in den Nachwuchsleistungszentren leben, von den Clubs nicht optimal betreut, wie Julia Porath kritisiert:
"Ich finde, dass die Vereine in der Pflicht stehen, diese Jungs wirklich lebensfähig zu machen. Und da passiert im Augenblick, soweit ich das beurteilen kann, sehr, sehr wenig", sagte die frühere Leiterin des BVB-Jugendhauses.
Digitale Plattform soll Eltern unterstützen
Sie kritisiert die aktuellen Zustände aber nicht nur, sondern hat auch konkrete Verbesserungsvorschläge. Vor einem dreiviertel Jahr stellte sie beim DFB das Konzept der Elternbeauftragten vor. Aktuell entwickelt Porath, die 2019 das Buch: "Volltreffer - Survivalguide für Fußballeltern" veröffentlichte, gemeinsam mit dem High Performance Sports Institute (HPSI), einem Fortbildungsinstitut, eine digitale Lernplattform. Sie soll Eltern, Trainern und Vereinsverantwortlichen helfen, das gegenseitige Verständnis zu erhöhen und so zu einem besseren Umgang untereinander führen.
Elternberater ab kommender Saison im Profifußball Pflicht
Beim DFB und der Deutschen Fußball Liga (DFL) rannte Porath offene Türen ein. Beide beschlossen, dass jeder Club von der Bundesliga bis zur Dritten Liga ab der kommenden Saison einen Elternbeauftragten stellen muss. Ansonsten droht der Verlust der Lizenz. Es besteht also offenbar Einigkeit darüber, dass die Betreuung von Talenten optimiert werden muss. Der Elternbeauftragte soll dabei Bindeglied sein, wie HPSI-Geschäftsführer Tilman Huber erklärt: "Grundsätzlich soll er dazu dienen, ein höheres Verständnis zwischen Trainern, Eltern und der Sportlichen Leitung herzustellen."
Aufgaben, die im Falle von BVB-Jungprofi Rothe kein Elternbetreuer übernommen hatte, sondern die damalige Jugendhaus-Leiterin Porath. Der gebürtige Rendsburger wird seine frühere Förderin auch in Zukunft noch um Rat fragen. Allerdings steht der 18-Jährige inzwischen wie nahezu alle Berufsfußballer zudem auch bei einer Berateragentur unter Vertrag.