St. Paulis starke Defensive: Eine Frage des Systems und individueller Klasse
Der FC St. Pauli hat in der 2. Bundesliga mit zehn Siegen in Serie einen Rekord aufgestellt und sich in der Tabelle auf Rang vier verbessert. Dabei hat das Team lediglich drei Treffer kassiert. Warum ist St. Pauli plötzlich defensiv so stark? Die Datenanalyse.
Co-Kapitän Leart Paqarada war nach dem 1:0-Sieg im Spitzenspiel beim 1. FC Heidenheim kurz ein wenig sprachlos, als er auf die Abwehrstärke seiner Mannschaft in der Rückrunde angesprochen wurde. "Nur drei Gegentore in zehn Spielen - das ist Wahnsinn", staunte der Linksverteidiger.
Die Anzahl der kassierten Treffer dokumentiert deutlich, warum St. Pauli innerhalb weniger Wochen von einem Abstiegskandidaten zu einem gar nicht mehr so geheimen Geheimfavoriten auf den Bundesliga-Aufstieg geworden ist.
"Wir spielen oben jetzt schon eine Rolle, das haben wir uns durch die letzten Wochen auch verdient", betonte Paqarada. Nächster Gegner ist am kommenden Sonntag (13.30 Uhr/im NDR Livecenter) Eintracht Braunschweig.
Die Hamburger haben sich unter Trainer Fabian Hürzeler taktisch weiterentwickelt und bilden eine kompakte Einheit, die in einem ganz speziellen System funktioniert, wie die GSN-Daten zeigen.
Das neue System sorgt für Stabilität
St. Pauli spielt unter Hürzeler ein 3-4-2-1-System. Mit einer defensiven Dreierkette - unterstützt von zwei defensiven Außen (Paqarada und Manolis Saliakas) - agierten die Hamburger schon einige Partien unter Hürzeler-Vorgänger Timo Schultz. Dieser fand im Mittelfeld jedoch keine stabile und konstante Formation, schob Spieler hin und her, sodass keine automatisierten Abläufe entstehen konnten.
Doch selbst Profis auf allerhöchstem Niveau brauchen klare Positionen und Aufgaben. Man schaue sich nur die deutsche Nationalmannschaft an, die in einer Art Dauer-Findungsphase ist und entsprechend erratisch auftritt.
Neuzugang Afolayan schlägt ein
Hürzeler hat beim FC St. Pauli für Stabilität gesorgt und eine Stammformation gefunden, die gut aufeinander abgestimmt ist. Geholfen haben ihm dabei ein Winterneuzugang und eine teaminterne "Entdeckung": In Oladapo Afolayan haben die Hamburger seit Rückrundenbeginn den dringend benötigten schnellen Außenbahnspieler. Er ist links offensiv gesetzt.
Sein Gegenpart auf rechts ist Connor Metcalfe, der unter Schultz kaum spielte, nun aber einen Stammplatz sicher hat.
Hartel und Irvine glänzen in neuer Rolle
Im Mittelfeldzentrum gesetzt sind die laufstarken Marcel Hartel und Jackson Irvine. Beide waren auch unter Schultz bereits Leistungsträger, allerdings in anderen Rollen. Hürzeler hat für das Duo aber offensichtlich eine ideale Position gefunden. "Man sieht Woche für Woche, dass wir uns den Arsch aufreißen und alle Bock haben zu verteidigen, um die Null hinten zu halten", betonte Hartel zuletzt.
Ihre Offensiv-Qualitäten können sie ebenfalls einbringen. Irvine hat in der Rückrunde bereits vier Treffer erzielt, Hartel markierte zuletzt das entscheidende Tor in Heidenheim.
Das neue System ist ein Grund für St. Paulis Erfolg, starke individuelle Leistungen ein weiterer. Und auch hier spielt ein Winterneuzugang eine wichtige Rolle.
Verteidiger Mets sofort Stammspieler und Leistungsträger
Karol Mets kam vom FC Zürich ans Millerntor und hat in der Rückrunde alle Partien über die volle Distanz bestritten. Was Afolayan für die Offensive ist, ist der Este für die Abwehr: eine Verstärkung, die das Team direkt besser macht.
Mets' Performance Score von 56,81 ist überdurchschnittlich. Er gewinnt starke 66,4 Prozent seiner Zweikämpfe und 63,2 Prozent seiner Kopfballduelle.
Seine Nebenleute im Abwehrzentrum - Eric Smith und Jakov Medic - haben ihre Leistungen unter Hürzeler leicht verbessert. Am signifikantesten ist der Performance Score jedoch bei Keeper Nikola Vasilj gestiegen: von 51,87 unter Schultz auf 59,35 unter Hürzeler.
Ein starker Keeper, ein funktionierendes System und Leistungssteigerungen bei den Defensivspielern sind wichtige Erfolgsfaktoren.
Das Glück ist auf St. Paulis Seite
Gleichzeitig fällt auf: Die Teamwerte haben sich im Vergleich zur Hinrunde nicht gravierend verbessert. St. Paulis Rekordserie ist eines jener Fußball-Phänomene, die nicht immer komplett rational und durch Statistiken erklärbar sind - begünstigt durch das oft beschworene Spielglück und den immer größer werdenden Glauben an sich selbst.
Plakativ gesagt: Was in der Hinrunde schieflaufen konnte, ging auch schief. In der Rückrunde hat sich das Blatt komplett gewendet. Dies schmälert St. Paulis Leistungen unter Hürzeler jedoch nicht im Geringsten. Denn wie heißt es doch: Das Glück ist mit den Tüchtigen.