Bundesliga-Finale 2001: Schalke 04 wird Meister der Herzen
Nie war ein Bundesliga-Finale dramatischer als 2001. Sergej Barbarez und der HSV schienen Schalke 04 zur deutschen Meisterschaft geschossen zu haben. Doch Bayern München bekam in der Nachspielzeit eine letzte Chance.
Es gibt weltgeschichtliche Ereignisse, von denen jeder genau weiß, wo er zum Zeitpunkt des Geschehens gewesen ist. Zu solchen Momenten gehört für Fußballfans sicherlich auch der 34. Spieltag der Bundesliga am 19. Mai 2001. An diesem Tag bringt Sergej Barbarez im Hamburger Volksparkstadion den HSV in der 90. Minute in Führung: Ein Tor, das wohl vor allem außerhalb der Hansestadt zu den umjubeltsten Treffern der Bundesligahistorie gehört - in der Nachbetrachtung allerdings nur noch eine Fußnote ist.
Denn während im fernen Gelsenkirchen Zehntausende Schalke-Fans ausgelassen die vermeintliche Meisterschaft ihres Clubs feiern, kommen die Münchner in Hamburg in der Nachspielzeit noch zum Ausgleich und entreißen den Königsblauen im letzten Moment die Schale.
Erste Halbzeit: Schalke holt 0:2-Rückstand auf
Eine Woche zuvor verspielt Schalke die Tabellenführung durch ein 0:1 in Stuttgart - die Bayern gewinnen zeitgleich in letzter Minute gegen Kaiserslautern und gehen mit drei Zählern Vorsprung ins Saisonfinale. Allerdings haben sie die schlechtere Tordifferenz. Bei einer Niederlage der Münchner in Hamburg und einem gleichzeitigen Heimsieg der Schalker gegen das abstiegsbedrohte Team aus Unterhaching wäre "Königsblau" also deutscher Meister.
Aber die Münchner Vorstädter versetzen die "Knappen" schon nach drei Minuten in einen Schockzustand, nach 27 Minuten herrscht Fassungslosigkeit im Parkstadion: 0:2 liegt der Titelkandidat zurück. Zwischen dem Hamburger SV und Bayern München steht es nach wie vor 0:0. Doch der Fußballgott hat sich für dieses Saisonfinale eine ganz besondere Dramaturgie ausgedacht: Mit einem Doppelschlag unmittelbar vor dem Pausenpfiff gleichen die Schalker zum 2:2 aus.
Böhme und Sand schießen Schalke 04 zum Sieg
Die Hoffnung ist wieder da. Vor allem, als im Radio der Torschrei von Reporter Alexander Bleick zu hören ist. Doch der NDR-Mann korrigiert sich sofort, Patrick Andersson klärt auf der Linie für Bayern-Keeper Oliver Kahn. Zwei Minuten später liegt der Ball im Hamburger Tor - doch Schiedsrichter Markus Merk erkennt Carsten Janckers Treffer nicht an.
Auf Schalke rutscht die Stimmung indes trotzdem in den Keller - Unterhaching geht mit 3:2 in Führung. Nach knapp 70 Minuten scheint der Titeltraum wohl endgültig geplatzt. Ist er aber nicht, denn Jörg Böhme dreht die Partie mit zwei Treffern binnen einer Minute: Schalke führt 4:3 - dank eines Tores von Ebbe Sand kurz vor Schluss sogar mit 5:3. Alles, was jetzt noch zum königsblauen Glück fehlt, ist ein Tor in Hamburg - für den HSV...
90.Minute: Sergej Barbarez trifft für den HSV
Und dieser Treffer fällt: "Tor, Toor, Tooor, Toooor", brüllt Bleick wie einst Herbert Zimmermann beim legendären WM-Finale 1954 in Bern. "Sergej Barbarez in der 90. Minute, 1:0 für den HSV." Die Zuschauer in Hamburg reißt es von den Sitzen. Auch auf Schalke gibt es kein Halten mehr.
Das Spiel dort ist abgepfiffen, Reporter verkünden, dass auch die Begegnung in Hamburg zu Ende sei. Die Fans flippen aus und stürmen den Rasen. Andreas Müller - im HSV-Trikot - springt Manager Rudi Assauer auf den Rücken. Blau-weiße Glückseligkeit - deutscher Meister 2001 ist Schalke 04! Doch in Hamburg ist noch nicht Schluss. Schiedsrichter Merk lässt vier Minuten nachspielen. In Gelsenkirchen können die Fans die Bilder auf der Anzeigetafel verfolgen: Die Bayern bekommen ihre letzte Chance im Spiel. HSV-Torwart Mathias Schober, von Schalke an den HSV ausgeliehen, nimmt einen Rückpass mit der Hand auf, Merk pfeift Freistoß - eine bis heute umstrittene Entscheidung.
Andersson trifft in der Nachspielzeit für die Bayern
Die Mauer der Hamburger steht nahezu auf der Torlinie. Andersson hämmert den Ball dennoch irgendwie ins Netz: 1:1, Schlusspfiff, der FC Bayern ist deutscher Meister, das Gelsenkirchener Parkstadion verwandelt sich in ein Tränenmeer. Schwacher Trost für Schalke-Stürmer Sand: Mit 22 Saisontreffern wird er Torschützenkönig der Liga - einen Titel, den er sich aber teilen muss - mit Sergej Barbarez, der auch 22 Mal traf...