Jean Marc Bosman sitzt auf einer europäischen Fahne © IMAGO / Reporters

Das Bosman-Urteil verändert die Fußball-Welt

Stand: 10.08.2023 13:21 Uhr

Am 15. Dezember 1995 verkündete der Europäische Gerichtshof ein Urteil mit weitreichenden Folgen für den Profi-Fußball. Wie ein unbekannter Belgier den Fußball erschütterte - und daran selbst zerbrach.

Die Revolution der Fußball-Welt beginnt 1990 im kleinen Belgien, wo der Royal Football Club Lüttich im Jahr 1990 eine zu hohe Ablösesumme fordert: In jenem Sommer läuft der Vertrag eines gewissen Jean-Marc Bosman aus. Der damalige Erstligist will den Spieler halten, der 26-Jährige soll allerdings auf einen Teil seines Gehalts verzichten.

Bosman, einst Junioren-Nationalspieler, strebt daraufhin einen Wechsel nach Frankreich zum USL Dünkirchen an. Der RFC sperrt sich dagegen und ruft eine für damalige Verhältnisse utopische Ablösesumme im hohen sechsstelligen Bereich auf, die die Franzosen nicht bezahlen können.

Was folgt, stellt die Verhältnisse im europäischen Profi-Sport und besonders im Profi-Fußball komplett auf den Kopf. Nach insgesamt fünf Jahren Streitigkeiten vor Gericht ergeht am 15. Dezember 1995 das sogenannte Bosman-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das ablösefreie Transfers zum Ende der Vertragslaufzeit erlaubt und die Ausländerbeschränkung für Spieler aus EU-Staaten für hinfällig erklärt.

Plötzlich Persona non grata

Bosman, dessen angestrebter Wechsel in die zweite französische Liga andeutet, welch kleines Fußball-Licht er ist, ist jedoch nahezu der einzige, der von dem Urteil nicht profitiert. Der Richterspruch kommt zwar den Spielern zugute, macht es den Vereinen dafür aber umso schwerer, für Sicherheit in ihren Planungen zu sorgen. Kurz: Bosman ist von jetzt auf gleich zur Persona non grata, zum Fußball-Feind Nummer eins geworden. Er findet keinen neuen Profi-Verein mehr und muss seine Karriere beenden.

Bosman kommt mit der Situation nicht klar, flüchtet in den Alkohol, wird depressiv und verliert alles. Auch von einer Wiedergutmachung, die ihm der EuGH später zuspricht, ist schnell nichts mehr übrig. Er verarmt und wird zum Sozialfall.

Kunststück in Cottbus

Auf dem Fußball-Platz treten die Folgen des Bosman-Urteils am deutlichsten am 6. April 2001 zutage. Der VfL Wolfsburg gastiert an jenem Freitagabend bei Energie Cottbus. Die gut 15.000 Zuschauer im Stadion der Freundschaft bekommen Magerkost serviert, die Partie endet mit 0:0. Interessant ist vielmehr die Aufstellung, die Energie-Trainer Eduard Geyer ins Rennen schickt: Elf Ausländer hat der erfahrene Coach für die Startelf nominiert und bringt zudem das Kunststück fertig, auch noch drei weitere einzuwechseln. Vor dem Bosman-Urteil wäre das nicht möglich gewesen.

Dieses Thema im Programm:

Sportclub | 16.12.2012 | 22:45 Uhr

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