Flaggen ziehen statt Tackling: Flag Football erobert den Norden

Stand: 19.03.2024 13:33 Uhr

American Football boomt in Deutschland. Hunderttausende verfolgen den Sport im Fernsehen, Vereine bekommen immer mehr Teammitglieder - auch die Lübeck Flag Cougars. Dort wird Football allerdings auf andere Art gespielt als in der NFL.

von Ole-Jonathan Gömmel

Als Jelle Bo-Klindt an einem kalten Montagabend im März das Kunstrasen-Footballfeld im Lübecker Stadtteil St. Lorenz Nord betritt, trägt er weder einen Helm, noch schützt ihn ein Schulterpanzer vor hartem Körperkontakt. Für seine Art von Football braucht er keinen Verletzungsschutz - er spielt Flag Football, eine Abwandlung und weniger brutale Form des American Footballs. "Dieses Zusammenspiel aus Rennen und Ballfangen - das liebe ich einfach", sagt der 23-Jährige, der sich mit fast 30 Gleichgesinnten - den Lübeck Flag Cougars ­ zwei Mal die Woche zum Training verabredet.

Taktik statt Tackling

Jelle Bo Klindt von dem Flag Football Team Lübeck Flag Cougars © NDR
Jelle Bo Klindt vor dem Beginn eines Spielzugs. An seinem Gürtel: die charakteristischen blauen Flaggen.

Flag Football kommt komplett ohne harten Körperkontakt aus. Außerdem stehen in Mixed-Teams sowohl Frauen als auch Männer auf dem Spielfeld. Statt mit einem Tackling endet ein Spielzug, wenn der Spielerin oder dem Spieler mit dem Ball eine von zwei Flaggen vom Gürtel abgezogen wird oder, wenn ein Pass nicht gefangen wird. Und es gibt noch mehr Unterschiede zum American Football: Statt elf Spielerinnen und Spielern pro Team stehen nur fünf auf dem Feld - das ist mit 70 mal 25 Yards (1 Yard = 91 Zentimeter) deutlich kleiner als ein reguläres Football-Feld (120 mal 53,3 Yards). Gespielt wird statt Vierteln in Halbzeiten von 20 Minuten. Das Ziel der Offensive ist das gleiche wie beim American Football mit Tackling: den Football für einen Touchdown in die Endzone des Gegners bringen - entweder per Lauf oder per gefangenem Pass.

Erfunden wurde die Sportart während des Zweiten Weltkriegs beim amerikanischen Militär. Soldaten sollten fit bleiben, sich aber gleichzeitig nicht verletzen. Danach entwickelte sich Flag Football stetig weiter, mittlerweile gibt es Weltmeisterschaften. 2028 wird der Sport in Los Angeles sogar das erste Mal olympisch sein. Auch wenn im rund 9.000 Kilometer entfernten Lübeck an diesem Montagabend im März eher wenig olympischer Glanz in der Luft liegt, könnten die Spiele näher sein, als vermutet.

Von Lübeck nach L.A.?

Jelle Bo Klindt hat ein klares Ziel vor Augen: "Olympia 28 - da hoffe ich drauf", sagt der, der tagsüber den Football mit dem Computer beim Informatikstudium tauscht. Der Weg zu Olympia führt nur über die deutsche Nationalmannschaft. Beworben hat er sich bei dieser mit einem Highlightvideo seiner besten Spielzüge. "Dieses Jahr haben sich 170 Leute mit Video beworben - 100 wurden dann für ein Sichtungscamp eingeladen. Ich war einer der Glücklichen, die dabei sein durften." Für einen Kaderplatz bei der Weltmeisterschaft im August hat es noch nicht gereicht, der Fokus auf Olympia bleibt aber. "Das erste Ziel ist, dass ich mehr Muskelmasse aufbaue", sagt Jelle. Ein Mannschaftskollege habe ihm dafür einen Fitnessplan geschrieben, dem er nun akribisch folge. "Wenn ich damit richtig durchstarte, dann kann es hoffentlich auch der große Traum werden."

Flag Football für alle

Die Lübeck Flag Cougars auf ihrem Spielfeld an der Vorwerker Straße. © Ole-Jonathan Gömmel Foto: Ole-Jonathan Gömmel
Die Lübeck Flag Cougars beim Training auf dem Homefield in der Vorwerker Straße

Trainer Alexander Osiik glaubt an das Talent seines Schützlings: "Jelle war von Tag eins voll dabei. Was ihn besonders macht: er ist groß, er ist schnell, er ist gelenkig, kann vieles spielen und spielt auch alles". Egal ob beim Werfen, Fangen oder Sprinten - beim Training sieht man Jelles herausragendes Talent. Trotz seiner hochgesteckten Ziele kann er mit seinen Teamkolleginnen und -kollegen aber auch über fallen gelassene Bälle oder misslungene Finten lachen. "Es sind alle superfreundlich, alle supernett, es macht einfach mit jedem Spaß hier zu spielen." Spaß und Ehrgeiz: bei Jelle scheinen sie eine Symbiose zu bilden.

Neben dem Ausnahmetalent stehen bei den Cougars Familienväter, Schichtarbeiter und werdende Mütter auf dem Rasen. Mitmachen kann beim Flag Football in Lübeck nämlich jeder - egal welche Vorerfahrung und welche körperlichen Merkmale er mitbringt. "Wir haben für alle Leute, die bei uns mitspielen wollen, eine Position, auf der sie gute Leistung bringen können", sagt Trainer Alexander Osiik. "Sportklamotte, Turnschuhe und los geht’s - den Rest stellen wir." Das Prinzip geht in Lübeck auf. Im August starten die Cougars in Deutschlands höchster Flag-Football-Spielklasse (DFFL) in die Saison.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 06.03.2024 | 19:30 Uhr

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