40 Jahre Plappermoehl: Geburtstagsfeier auf Platt in Balow
Mehr als 440 Sendungen: Die Plappermoehl wird 1983 zum ersten Mal ausgestrahlt und ist damit die älteste Talkshow auf Plattdeutsch im Norden. Nun hat sie ihren 40. Geburtstag gefeiert.
Seit mehr als 30 Jahren ist die Plappermoehl eine Sendung auf Reisen - wird immer da aufgezeichnet, wo die Moderatoren und Redakteure gute Geschichten finden, Geschichten von Land und Leuten. Deshalb haben sie auch das Jubiläum in einem besonderen Dorf gefeiert: Balow, gelegen an der Grenze zu Brandenburg, hat es geschafft, Schule und Kindergarten im Dorf zu halten, fast jeder Einwohner ist Mitglied im Sportverein. Dazu gibt es im Ort eine Begegnungsstätte und ein Kultur- und Kommunikationszentrum - das ist ein ausgebauter Stall, der als Turnhalle dient und gleichzeitig Auftrittsort für viele Künstler ist. Dort wurde die Plappermoehl-Bühne aufgebaut.
Knapp 250 begeisterte Gäste im Saal
Wie es sich für eine Geburtstagsfeier gehört, war der Saal voll. Kaffee und Kuchen, gute Gespräche - viel Wiedersehensfreude, viele gemeinsame Fotos, viele gute Geschichten schon vorab.. Macher, Wegbereiter, ehemalige Moderatoren, Freunde der Plappermoehl und des Plattdeutschen saßen im Saal. Besonders gefragt: Klaus-Jürgen Schlettwein - Plappermöller der ersten Stunde. Schon 1983 bei der ersten Sendung saß er am Mikrofon. Auch Klaus Lass, der als Plattfoot-Klaus die Aufzeichnung musikalisch begleitet hat, musste viele Fragen beantworten, er war bereits 1984 zum ersten Mal als Musiker in der Sendung dabei. Die Lieder der Plattfööt sind Klassiker der plattdeutschen Musik. Klaus Lass sang - der Saal sang mit.
Charmante Plaudereien auf der Bühne
Die Moderatoren Susanne Bliemel, Thomas Lenz und Christian Peplow hatten bereits vor der Sendung dank der Hörerinnen und Hörer von NDR 1 Radio MV vielen Geschichten rund um die Plappermoehl gesammelt. Und die Gäste auf der Bühne hatten einige mitgebracht. Der Redakteur Rainer Schobeß etwa berichtete von einer Aufzeichnung im Dunkeln, von Begegnungen mit Menschen, die Hans Fallada und die Familie von Günter Grass kennen gelernt hatten. Rainer Schobeß war 27 Jahre lang für die Sendung verantwortlich. Und ebenfalls am Moehlendisch saß die wohl treueste Besucherin der Plappermoehl: Monika Ricker hat insgesamt 98 Aufzeichnungen besucht - die Jubiläumssendung war ihre Nummer 99, zu der sie von Moderator Christian Peplow persönlich aus ihrem Wohnort bei Güstrow abgeholt wurde.
Ein Blick nach vorn und zwei zurück
Für einen Blick über die Landesgrenze saß am Moehlendisch Adelheid Schäfer aus Sewekow in Brandenburg - Mitglied unter anderem im Bundesrat für Niederdeutsch. Sie berichtete vom Verhältnis der brandenburger Plattschnacker zu ihren mecklenburger Nachbarn. Eine Verbeugung vor der guten alten Plappermoehl war ein kleines Geschenk, das alle 250 Gäste der Jubiläumssendung bekamen: der "Moehlendaler". Einst war er als Preis ausgelobt für Leute, die Witze oder kluge Gedanken an das Redaktionsteam schickten. Nun war wieder da, in einer einmaligen, wenn auch vergänglichen Ausgabe: Bäckermeister Herrmann aus Grabow hatte ihn gebacken, Honigkuchengebäck mit Schokolade überzogen und einem Erinnerungsaufdruck "40 Jahre Plappermoehl".
Neues Buch von Susanne Bliemel vorgestellt: "Nieges ut Hoppenhagen"
Ein Höhepunkt der Jubiläumsplappermoehl war eine Buchvorstellung: Susanne Bliemels Sonntagskolumnen "Nieges ut Hoppenhagen" liegen gedruckt vor, mit liebevollen Illustrationen von Silke Herr. Das Buch ist erschienen im Hinstorff-Verlag. Gesendet wird die Jubiläums-Plappermoehl am 30. September, 19 Uhr bei NDR 1 Radio MV und ist dann auch zum Nachhören als Podcast zu finden.
Die Geschichte der Plappermoehl
Die Mühle steht noch. Eine Windmühle. An einer Anhöhe in Dabel. Adresse: "Roter Strumpf 1". Hier wird sie erfunden - die Plappermoehl. Hier treffen sich schon Anfang der 80er-Jahre Leute, reden Platt, singen gemeinsam mit Müller Fritz Döscher, mit Freunden und Kollegen. Horst-Dieter Hofmann vom Sender Schwerin macht daraus eine Radiosendung. Als Moderatoren der ersten Sendung 1983 treten Horst Roggenbau und Fritz Döscher aus Dabel auf. Als Musiker sind Barbara Wagner und Klaus-Jürgen Schlettwein dabei. Aufgezeichnet allerdings wird die Dabeler Plappermoehl nicht in der Dabeler Mühle, die ist schlicht zu klein. Stattdessen stehen Mikrone und Aufzeichnungstechnik in einer Gaststätte ganz in der Nähe am Holzendorfer See, erzählt Klaus-Jürgen Schlettwein. Die erste Sendung übrigens kommt noch ohne das einprägsame Plappermoehlenlied aus. Das schreiben die Dabeler Müllerburschen - damals ein sehr populäres Musikanten-Trio - der Plappermoehl zur dritten Sendung auf den Leib.
Sendung wird auch nach der Wende fortgeführt
Noch in den 80er-Jahren zieht die Sendung um ins frisch erbaute Ferienheim "Fritz Reuter" in Schwerin, aus der Dabeler wird die Schweriner Plappermoehl. Die überlebt tatsächlich die friedliche Revolution und auch die zwei Jahre, in denen im Rundfunk der DDR alles geprüft, erneuert und vieles eingestampft wurde. Zum 1. Januar 1992 übernimmt der Norddeutsche Rundfunk im Nordosten Radio und Fernsehprogramm und am 19. Januar schon wird die erste Plappermoehl unter der Fahne des NDR gesendet. Mit neuer, extra angepasster Erkennungsmelodie, Blasmusik erklingt nun am Anfang der Sendung, und im Text heißt es "...der NDR ist hier zu Gast".
Erste NDR Plappermoehl mit ernstem Thema
Für diese erste NDR Plappermoehl stehen die Übertragungswagen in Schwerin und dem Moderator Klaus-Jürgen Schlettwein ist anzuhören, dass es um den Fortbestand der Plappermoehl hinter den Kulissen doch ein paar Diskussionen gegeben hatte. "Vielen Dank an unsere treuen Zuhörer", sagt er damals, "das Daumendrücken hat gelohnt, die Plappermoehl geht weiter." Applaus und Jubel im Saal. Gast am Mühlentisch in dieser Ausgabe: Karl Heinz Möller. Er ist damals Vorsitzender des Behindertenvereins Schwerin e.V. und er ist zugleich Gastgeber. Im Haus der Behinderten und Senioren, wie es damals hieß, im Schweriner Plattenbaugebiet Großen Dreesch, wird die Sendung aufgezeichnet. Die Situation behinderter Menschen verändert sich ja mit der Wende deutlich zum Besseren, das, aber auch wo es noch viel zu tun gibt, sind große Themen dieser ersten Plappermoehl im Norddeutschen Rundfunk.
Die Moderatoren wechseln - die Plappermoehl bleibt
Die 90er-Jahre: Moderator Horst Dethloff geht, Klaus-Jürgen Schlettwein bleibt bis 1997 die markante Stimme der Sendung. Auch seine Tochter Susanne ist in den 90er-Jahren dabei, in der Rolle der Plappermoehlen-Putzperle "Fru Kruse". Die Plappermoehl am Mikrofon geprägt haben außerdem: Norbert Bosse, Marianne Meier, Hannes Ossenkopp, Manfred Brümmer und Tom Roloff. 2002 kommt Susanne Bliemel als Moderatorin dazu, 2014 steigt Thomas Lenz bei der Plappermoehl ein. Susanne Bliemel und Thomas Lenz sind bis heute gemeinsam die Gastgeber der Sendung, Christian Peplow aus Greifswald verstärkt das Team, wann immer es nötig ist.
Geschichten der Leute von nebenan
Kontinuität prägt die Redaktion, die Arbeit hinter den Kulissen. 1994 übernimmt Rainer Schobeß die Leitung. Gut 27 Jahre lang hält er Mühlenflügel und Mühlstein in Bewegung, bis in die 2000er-Jahre gemeinsam mit Redakteurin Brigitte Hüpeden, danach allein. Die Vorbereitung jeder Sendung führt Redakteure und Moderatoren nun durch den gesamten Nordosten, vor jeder Sendung steht ein Gespräch mit den Plattdeutsch sprechenden Leuten vor Ort, um die besten Geschichten auszuwählen. Immer sind es Geschichten, wie sie im Freundes- und Bekanntenkreis oder unter Nachbarn erzählt werden. Nicht Politiker oder Prominente sind in der Plappermoehl gefragt, sondern alle, die etwas zu berichten haben - aus ihrem Leben, aus ihrem Dorf, von der Arbeit. Aus den Witzen, die in jeder Plappermoehl erzählt werden, entstehen vier CDs und zehn Bücher - "De Mallbüdel" bleibt Kult.
Die Plappermoehl reist durchs Land
Schon Anfang der 1990er-Jahre beginnt die Plappermoehl zu reisen. Von Demmin bis Dömitz, von Anklam bis Barnin, kein Ort ist zu klein, denn gerade in den Dörfern wird jede Plappermoehl zu einem kleinen Fest. Die Orte, in denen die Plappermoehl aufgezeichnet wird, werden am Anfang der Sendung in Reimen porträtiert. Manfred Brümmer, Autor, Übersetzer und Dramaturg, etabliert diese Tradition der gereimten Ortsporträts, Susanne Bliemel setzt sie fort. Später kommt das "Hörbild" in die Sendung, ein Moderator oder Reporter macht sich dafür vorher auf in den jeweiligen Ort, fängt Geräusche und Stimmen ein, und nimmt sich vor, was in einer wie Live aufgezeichneten Sendung sonst so lebendig nicht abzubilden wäre.
Eine Radioshow der Superlative
Die Grundlagen der Plappermoehl bleiben: Menschen, Mallbüdel und Musik. Oder anders gesagt, keine Sendung ohne: ohne Leute die gute Geschichten erzählen, Witze und Live-Musik auf der Bühne. Und obwohl Zahlen Schall und Rauch sind, ganz zum Schluss doch ein paar: mehr als 1.200 Gäste, mehr als 250 Städte und Dörfer, mehr als 100.000 Zuschauer, rund 6.000 Witze - das ist die Plappermoehl-Statistik. Und immer wenn eine Sendung zu Ende geht, steht die nächste schon bevor.