Dirigier-Workshop - von Takten und Schlägen
Das NDR Jugendsinfonieorchester spielt im Rolf-Liebermann-Studio in Hamburg - doch am Dirigenten-Pult steht kein erwachsener Dirigent. Ein 16-Jähriger sagt den Musikern, wo es lang geht. Leonard Fu dirigiert zum ersten Mal. "Es ist ein tolles Gefühl, wenn man einen Einsatz gibt und da kommt was, aber es ist auch ein komisches Gefühl, mit den Händen in der Luft zu fuchteln", sagt er. Für ihn sei es eine koordinatorische Meisterleistung, die die Dirigenten abliefern: "Mit der einen Hand einen Einsatz geben, gleichzeitig weiter dirigieren und jede Gruppe von Instrumenten fest im Blick haben."
Dirigierlehrling Leonard spielt normalerweise Violine
Leonard ist einer von drei Dirigierlehrlingen, die im Online-Workshop auftreten - normalerweise spielt er im Orchester Violine. Stefan Geiger, Leiter des NDR Jugendsinfonieorchesters, hat den Workshop entwickelt. "Wir wollten absichtlich keine Dirigierstudenten oder gar fertige Dirigenten haben, das würde gar keinen Sinn machen, sondern die Idee ist, sich überhaupt mal grundlegend Gedanken zu machen", sagt er.
Das, was Leonard an diesem Nachmittag und am folgenden Wochenende lernt, wird von mehreren NDR Teams gefilmt, geschnitten und als Video-Workshop ins Netz gestellt, sodass jeder sich - zu Hause oder im Kalssenzimmer - ein wenig als Dirigent ausprobieren kann.
Eine Sinfonie, die Spaß macht
Doch ist Dvořák dafür geeignet, in einem Online-Kurs quasi Anfängern das Dirigieren beizubringen? Geiger hatte zunächst Zweifel. "Dann hab ich mich damit beschäftigt und habe gedacht: Fabelhaft! Da können wir alle Dirigierschemata, alle Taktschlagarten, die man als Dirigent grundlegend beherrschen sollte, wunderbar an dieser Sinfonie erlernen." Abgesehen davon sei das eine Sinfonie, die das Orchester einfach sehr gerne spiele, weil sie viel Spaß macht.
Der Spaß kommt rüber. Mithilfe eines Tischtennisballs erklärt Geiger die Bahn, die die Hand des Dirigenten beschreibt. Er zeigt Eintaktschlag oder Viervierteltakt, erstmal trocken, dann darf das ganze Orchester im Takt der Pauke mitdirigieren. Und schließlich treten die Lehrlinge ans Pult, Satz für Satz, Schlagart für Schlagart.
Das Orchester reagiert auf kleinste Gesten
Alle drei Jugendlichen dirigieren unterschiedlich: die eine vorsichtiger und mit sparsameren Gesten, der andere hat mit seinen ausladenden Bewegungen und mit seinem komplett schwingenden Körper schon den typischen Dirigentengestus verinnerlicht. Die knapp 70 Mitglieder des Orchesters folgen den manchmal noch etwas nervösen Bewegungen ihrer Jung-Dirigenten genau. Eine Geste, und schon spielen sie eine simple Tonleiter lauter oder leiser.
"Es ist interessant zu sehen, vor was für Aufgaben man gestellt wird", sagt der Violinist Jonathan Schwarz über die Auftritte seiner Kollegen. "Man denkt immer, es ist sehr einfach, aber wenn man vorne steht, dann merkt man erst, was für eine Aufgabe das ist, alle zusammen zum Musizieren zu bringen."