Stand: 16.09.2016 11:00 Uhr

"Ich will eine Plattform schaffen"

Geir Lysne hat ganz eigene Klänge im Kopf - und arbeitet auch gern mal ohne Noten. Seit der Spielzeit 2016/2017 ist der innovative Bandleader Chefdirigent der NDR Bigband. Was das Jazzensemble und den Arrangeur und Komponisten aus Norwegen zusammengeführt hat und welche Sounds das Publikum erwarten kann, verraten Lysne und Manager Axel Dürr im Gespräch.

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Chefdirigent Geir Lysne im Porträt © Steven Haberland | NDR Foto: Steven Haberland

Chefdirigent Geir Lysne

Mitreißend und frei von Scheuklappen sind Geir Lysnes Jazz-Produktionen. Der Norweger bleibt bis 2025 Chefdirigent der NDR Bigband. mehr

Sie kennen die NDR Bigband seit vielen Jahren. Was mögen Sie an der Band?

Geir Lysne: Es ist ein hervorragendes Solisten-Ensemble - mit Musikern auf allerhöchstem Niveau. Das ist für mich die große Stärke der Band. Man spürt bei ihnen das große Engagement. Jedem gelingt es, sich musikalisch und auch in der Diskussion Gehör zu verschaffen. Diese individuelle Stärke ist das Beste an der Band.

Welcher Sound schwebt Ihnen für die NDR Bigband vor?

Geir Lysne: Ich komme natürlich mit meinen eigenen Klängen im Kopf hierher. Anders als mit meiner eigenen Band in Norwegen, wird meine Arbeit beim NDR eher eine Begegnung zwischen meinem Denken und meinem Musikgeschmack mit dem Charakter und der Geschichte der Bandmusiker sein. Ich will eine Plattform schaffen, auf der wir gemeinsam Musik machen können. Ich bin jedenfalls nicht hier, um aus der NDR Bigband ein norwegisches Klang-Ensemble zu machen. Es geht mir darum, etwas Gemeinsames zu entdecken.

Als international gefragter Arrangeur mit einem ECHO Jazz für das Album der NDR Bigband mit Stefano Bollani haben Sie aber bei Ihrem letzten CD-Projekt nicht eine einzige Note aufgeschrieben. Kommen auf die NDR Bigband neue, spontane Zeiten zu?

Geir Lysne: Diesen Gedanken finde ich wirklich spannend. Diesmal habe ich nicht einen Ton notiert. Das war zwar nur ein einmaliges besonderes Projekt, aber die Haltung dahinter ist noch aktuell. Ich hoffe, auch mit der NDR Bigband Konzepte ganz ohne Noten zu realisieren.

Das klingt ja nach spannenden Herausforderungen. War das ein Grund, Geir Lysne zu engagieren?

Axel Dürr: Vor fast 15 Jahren haben wir zum ersten Mal von einem unserer Musiker gehört, dass da in Norwegen ein kreativer Komponist sein soll, den wir unbedingt mal einladen müssten. Das haben wir getan, und dabei kam dann Bigband-Musik heraus, die es bislang noch nicht gab. Daraus hat sich über die Jahre eine wunderbare Zusammenarbeit entwickelt. Besonders spannend ist Geirs experimentelle Grundhaltung. Wir werden nicht nur musikalisch neue Wege gehen, sondern auch im Verständnis, was eigentlich ein "Bandleader" ist.

NDR Bigband Manager Axel Dürr (links) und Geir Lysne im Gespräch (s/w). © Claudia Timmann / NDR
Geir Lysne (rechts) und die NDR Bigband (im Bild Manager Axel Dürr) wollen gemeinsam neue Wege im Jazz beschreiten.

Wie finden es denn die Musiker der Bigband, dass da jetzt jemand mit solch enormer Richtlinienkompetenz kommt?

Axel Dürr: Alle wollen mit Geir zusammenarbeiten. Er interessiert sich für so viele unterschiedliche Musikstile weltweit. Wir glauben, dass dieser Aspekt der Globalisierung wirklich wichtig für uns werden kann. In Geirs Musik steckt eben nicht nur das "nordische", sondern da finden sich Einflüsse aus Klassik und internationalen Volksmusiken. Das macht die Zusammenarbeit für uns total spannend.

Werden Sie selbst auch Saxofon spielen?

Geir Lysne: Ich hatte schon im Dezember beschlossen, mit dem Saxofonspielen aufzuhören, denn meine Aufgaben wurden immer mehr: Komponieren, Dirigieren, Lehren. Die Entscheidung fiel in einer kalten Dezembernacht. Und am nächsten Morgen kam eine E-Mail aus Hamburg mit dem Angebot, die NDR Bigband zu leiten. Da war mir klar: Es sollte so sein!

Welche Musik hören Sie, wenn es nicht Jazz sein soll? Was haben Sie auf Ihrem Smartphone gespeichert?

Geir Lysne: Da findet sich hauptsächlich Weltmusik, viel Volksmusik aus Afrika und auch klassische Musik. Es geht mir vor allem um große sinfonische Werke des 19. Jahrhunderts, dabei kann ich noch viel über Orchestration lernen.

Das Interview führte Daniel Kaiser.

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