Klar war sie ein Teil von '68, aber eben kein politischer. Sie hat in diesem Jahr, 1968, die Fragen gestellt, die sie auch schon vorher interessiert haben: "Comment Te Dire Adieu?" zum Beispiel - Wie soll ich Dir adieu sagen? Und das "Du", die 2. Person Singular, war für sie fast schon ein Übermaß an Vertrautheit. Die geliebten Menschen hat Françoise Hardy in ihren Liebesliedern am liebsten gesiezt. Sie schuf so die passende Distanz, um über dieses merkwürdige Phänomen Liebe reflektiert und still, aber immer "emapthisch" zu singen. Wobei ihr dieses Wort nicht gefallen hätte, jedenfalls nicht in seiner derzeitigen, modegerechten Anwendung. Für sie wäre "ein kluger Text" das gröte Kompliment gewesen. Denn in einer Zeit, in der Sängerinnen oft "Interpretinnen" der Ideen anderer waren, schrieb Fraçoise Hardy die meisten ihrer Texte selbst, oft auch zu eigenen Melodien.
Geboren wurde sie im Januar 1944 in Paris, während der deutschen Besatzung, aufgewachsen ist sie ebendort, in ärmlichen Verhätnissen, als eines von zwei Kindern einer alleinerziehenden Mutter. Dass Françoise Hardy mit 18 quasi über Nacht all die Jugendlichen in Frankreich erreichte, die sich bei dem französischen Rock’N’Roll-Star des Augennblicks, bei Johnny Hallyday, eben nicht zu Hause fühlten, hatte sicher nicht nur mit der Melancholie ihrer Texte (und ihres Blickes) zu tun. Auch nicht mit dem Ehrgeiz einer France Gall, im aufkommenden "Popgeschäft" der Chanson-Nation unbedingt Erfolg zu haben. Es war eher das Vertrauen in die eigene Art, in die eigenen Lieder, es war die für eine 18-jährige Studentin erstaunliche Beharrlichkeit - die sie zeitlebens behielt, auch als sie 2003/2004 zum ersten Mal an Krebs erkrankte, sich davon aber zunächst erholte.
2005, zur Veröffentlichung ihres Albums "Tant De Belles Choses", hatte Uli Patzwahl die unverhoffte Gelegenheit, eines von damals wenigen Interviews mit der Musikerin führen zu können. So kurz dieses Interview war, es war doch alles andere als das routinierte Frage-Beantworten eines Stars. Es war ein "empathisches" Gespräch. Um den Tod ging es darin, um den Abschied, im Leben und im Lied, auch um die frühen "kleinen Lieder" - "petites chansons", wie sie ihre zahlreichen, bekannten Chansons der 60er und 70er Jahre nannte. Zum Schluss bat Uli um ein Autogramm. Kein Problem, aber Françoise signierte nicht "à Uli", sondern "à Ulrich". An der Uni hatte sie Deutsch gelernt und wusste um die Abkürzung Uli und um den eigentlichen Namen Ulrich. Ganz abgesehen von der fehlerfreien Aussprache. Mit Augenzwinkern und einem kurzen, klugen Lächeln.
In der Nacht vom 11. auf den 12. Juni 2024 ist Françoise Hardy in Paris gestorben.