Ducktrain: Lieferverkehr im Entenmarsch
Die Corona-Pandemie hat vielen Online-Händlern einen zusätzlichen Schub gegeben. Kleidung, Elektronik, Lebensmitteln oder Möbel - alles bringt der Lieferdienst. Und das sorgt gerade in engen Innenstädten für immer mehr Verkehr und zugeparkte Straßen. Kommunen, Verkehrsforscher und Unternehmen suchen deshalb für die sogenannte "letzte Meile" nach Alternativen zum herkömmlichen Lieferwagen. Die NDR Info Perspektiven stellen ein Start-up aus Aachen vor, das die Vorteile von Transportern mit denen von umweltfreundlichen Lastenfahrrädern verbinden will.
Am Anfang stand für Kai Kreisköther die Idee vom autonomen Fahren. Der Forscher aus Aachen, der schon an der Entwicklung der Elektrolieferwagen für die Deutsche Post beteiligt war, wollte eine Software entwickeln, mit deren Hilfe kleine Fahrzeuge selbstständig steuern können. Inzwischen aber beschäftigt sich das zwölfköpfige Team um Kai Kreisköther längst nicht mehr nur mit der Programmierung. Aus der anfänglichen Idee ist die Entwicklung eines ganz neuen Fahrzeugtyps geworden: "Motoren und Batteriesysteme sind eigentlich das einzige, das wir von der Stange kaufen konnten", erinnert sich der Ingenieur. "Das gesamte Fahrwerk - die ganze Struktur, das ganze Chassis, das Feder-Dämpfer-System, die Aufhängung, die Lenkung - das sind alles Komponenten, die derzeit bei uns In-House entwickelt werden."
Kleine Kraftpakete für die letzte Meile
Herausgekommen ist dabei ein sogenannter Duck - ein kleiner Kastenwagen, ein Meter breit, zwei Meter lang. Sozusagen eine Europalette mit einem eigenen Elektroantrieb. Auf den ersten Blick unterscheidet sich der Transporter kaum von den Kisten, die schon jetzt auf großen Lastenfahrrädern montiert sind, aber das Gefährt aus Aachen soll weit mehr leisten können, verspricht Kai Kreisköther: "Wir können größere Gewichte bewegen und wir können bis zu fünf unserer Ducks hintereinanderschalten, so dass sie dann mit einem Fahrer das Volumen eines Kleintransporters bewegen können, weil sie eben diese Kolonne haben."
Bis zu 300 Kilo kann ein einzelner Duck bewegen. Wird er per Software mit anderen Transportern gekoppelt, entsteht ein sogenannter Ducktrain. Quasi im Entenmarsch sollen die diese Transporter in Zukunft zum Beispiel einem Lastenfahrrad folgen. Ohne Anhängerkuppelung und mit zu 30 km/h - so der Plan. Eine Transportlösung für die letzte Meile in überfüllten Innenstädten.
Skepsis bei DHL nach Berliner Komodo-Projekt
Beim Komodo-Projekt in Berlin haben zuletzt fünf große Paketdienste erprobt, ob Lastenfahrräder auf der letzten Meile die eher sperrigen Lieferwagen ersetzen können. Im März wurde das Projekt beendet - mit einer durchwachsenen Bilanz. Man habe viele Erfahrungen sammeln können, fasst Hans-Christian Mennenga vom Branchenriesen DHL zusammen. Allerdings lassen sich die Lastenfahrräder nach seiner Erfahrung nur schwer in die bestehende Lieferkette des Unternehmens einfügen: "Morgens müssen die Kollegen in der Zustellbasis erst einmal alle Pakete rausflöhen, die sich größen- und gewichtstechnisch überhaupt eignen. Die müssen zunächst in Extratouren zum Umschlagplatz gebracht werden. Dann werden sie sozusagen wie bei Tetris auf den Lastenrädern angeordnet", erklärt der DHL-Sprecher. Probleme bereiten aber große Sendungen. "Wenn einer der Kunden, die per Lastenrad beliefert werden, zum Beispiel ein großes Paket an diesem Tag bekommt - zum Beispiel einen Sonnenschirm, einen Fernseher, Tiernahrung - dann muss das Zustellfahrzeug trotzdem noch einmal vorbei."Probleme, die die Zustellung langsamer und teurer machen. Bei der Lieferung von 5,2 Millionen Päckchen und Paketen täglich werden Lastenräder daher in Zukunft eher eine Nebenrolle spielen, ist sich DHL-Sprecher Mennenga sicher. "Als Ergänzung ist der Einsatz von Lastenfahrräder sicherlich immer möglich. Aber bei den Mengen und Massen führt der Weg tatsächlich nicht am Zustellfahrzeug vorbei fahren", so die Bilanz aus Sicht von DHL.
Ducktrain-Prototyp vor der Zulassung
Die Erfahrungen aus dem Berliner Komodo-Projekt sorgen bei Ducktrain aus Aachen aber nicht etwa für Ernüchterung. Im Gegenteil. Kai Kreisköther sieht sich in seiner Strategie bestätigt: "Da setzen wir schon auch an. Das heißt, ich kann in Städten wie Berlin die bestehende Infrastruktur der Logistikunternehmen nutzen, die ja ihre Verteilzentren heute schon haben. Und dann längere Distanzen, 10 oder 15 Kilometer, effizient in so einer Fünfer-Kolonne überbrücken. Somit spare ich mir die Mikrodepots und den Umladeprozess." Bis die Kleintransporter aus Aachen aber wirklich selbstständig einem Lastenrad folgen können, ist es noch ein weiter Weg. Bisher ist der Prototyp noch über eine Deichsel mit dem Lastenrad verbunden. Aktuell führen die Entwickler Testfahrten mit dem TÜV durch, um eine Zulassung zu bekommen. Ist das geschafft, will Ducktrain in diesem Jahr bis zu zehn weitere Fahrzeuge bauen. Gefördert wird das Projekt vom Bundesverkehrsministerium. Außerdem laufen Gespräche mit Investoren und Projektpartnern. Ducktrain selbst schätzt, dass für die Entwicklung des autonomen Kleintransporters ein mittlerer, zweistelliger Millionenbetrag nötig sein wird.