Kommunalwahl SH: Warum Menschen nicht wählen gehen
Die Wahlbeteiligung ist bei Kommunalwahlen oft gering. NDR Schleswig-Holstein hat mit Teilnehmern der Umfrage-Reihe #NDRfragt über ihre Entscheidung gesprochen, bei der Kommunalwahl SH am 14. Mai nicht wählen gehen zu wollen.
Krogaspe im Kreis Rendsburg-Eckernförde ist eine kleine Kommune - auch die Auswahl auf dem Wahlzettel ist übersichtlich: Nur eine einzige Wählergemeinschaft mit fünf direkt wählbaren Kandidaten hat sich zur Kommunalwahl aufgestellt. "Das entspricht nicht ganz meinem Verständnis von Demokratie", sagt Landwirt Christoph Schulte-Steinberg aus Krogaspe. Er hätte kein Problem, wenn die Kandidaten für eine gewisse Meinungsvielfalt stehen würden, sagt er - die fehle ihm allerdings.
Landwirt aus Krogaspe: Früher engagiert - heute frustriert
Früher gab es zwei Wählergemeinschaften in Krogaspe, erzählt Christoph Schulte-Steinberg. Damals hatte er sich im Gemeinderat engagiert. "Dann habe ich für mich aber festgestellt: Ich komme mit dem, was ich mir vorstelle, nicht durch. Das waren nicht meine Vorstellungen für die Zukunft des Dorfes." Christoph Schulte-Steinberg sagt, dass er sich für den Ausbau erneuerbarer Energien eingesetzt hatte, fühlte sich jedoch ausgebremst. So gefrustet könne er bei der Kommunalwahl für keinen der aufgestellten Kandidaten in der Wählergemeinschaft stimmen.
"Ich werde wählen gehen, aber ich werde ungültig wählen. Das ist dann schon ein Statement." Christoph Schulte-Steinberg aus Kogaspae (Kreis Rendsburg-Eckernförde)
Nichtwählerin aus Preetz: Ärger mit der Verwaltung, enttäuschende Wahlversprechen
Auch Elsbeth Dohle aus Preetz im Kreis Plön will keinem Kommunalpolitiker ihre Stimme geben. Sie hat sich sehr über die Stadtverwaltung geärgert, sagt sie - eine Beschwerde über ihrer Meinung nach illegal abgelegten Müll sei ignoriert worden. Dazu habe die 69-jährige EDV-Trainerin grundsätzlich ihr Vertrauen in Politik verloren. Sie habe das Gefühl, Kinder würden in der Schule nicht mehr rechnen und schreiben lernen und Migrantinnen und Migranten würden unter anderem auf dem Wohnungsmarkt bevorzugt. Von Politikerinnen und Politikern fühlt sie sich mit ihren Sorgen nicht ernst genommen: "Die Wahlversprechungen sind sehr hoch, und wenn man guckt, was daraus geworden ist: null."
Nichtwähler aus Kiel: Verkehrswende läuft zu langsam
Auch Thilo Pfennig aus Kiel geht nicht zur Wahl. Das Thema Verkehrswende ist dem 52-Jährigem wichtig, vor allem die Versprechungen der Grünen hätten ihn allerdings enttäuscht: "Nach wie vor ist das Auto in Kiel stark verbreitet. Wenn wir in dem Tempo weitermachen, wird es auch in 30 Jahren keine Verkehrswende geben." Für ihn sei keine Partei wählbar, sagt der IT-Berater. "Man kann auch immer das geringere Übel wählen und sagen, man will die AfD verhindern. Ich habe jedoch das Gefühl: Eine Wahl, bei der ich keine Wahl habe, ist keine echte Wahl."
Politikwissenschaftler: Geringe Wahlbeteiligung ist kein Problem
Politikwissenschaftler Christian Martin von der Universität Kiel erforscht, warum Menschen nicht zur Wahl gehen. Bei der letzten Kommunalwahl lag die Wahlbeteiligung gerade mal bei 47,1 Prozent. Zum Vergleich: 76,6 Prozent bei der letzten Bundestagswahl. Für Christian Martin kein Grund zur Sorge: "Ich habe nicht das Gefühl, dass in Schleswig-Holstein das Vertrauen in den demokratischen Prozess auf kommunaler Ebene massiv unterminiert wäre." Grundsätzlich seien Nichtwähler und Nichtwählerinnen jünger, weniger gebildet und hätten ein geringeres Einkommen als diejenigen, die wählen gehen, sagt der Politikwissenschaftler. Viele gingen nicht zur Wahl, weil keine Partei, kein Kandidat oder keine Kandidatin zu den Wünschen und Präferenzen passt. Andere hielten es für egal, wen man wählt, weil die Angebote als zu ähnlich empfunden werden. Manche hingegen seien einfach ganz zufrieden, wie es läuft, so Christian Martin.
Hoffen auf viele Erstwählerinnen und Erstwähler
Juliane Rumpf (CDU), Kreispräsidentin des Kreises Rendsburg-Eckernförde, macht sich Sorgen um die Wahlbeteiligung bei der Kommunalwahl: "Wir müssen uns um die Menschen kümmern, die aus Protest nicht zur Wahl gehen - denn sie stärken extreme Parteien." Hoffnungsvoll stimmt sie, dass die Kommunalwahl auch in schleswig-holsteinischen Schulen thematisiert wird, Politikerinnen und Politiker werden beispielsweise für Interviews in die Klassen eingeladen. Juliane Rumpf hofft, dass Kommunalpolitik mit solchen Aktionen für die Jugendlichen greifbar wird - und dass viele Erstwählerinnen und Erstwähler in Schleswig-Holstein am 14. Mai ihr Kreuz machen werden.
Kommunalwahl - eine Wahl mit Imageproblem
Befragungen hätten ergeben, dass Kommunalwahlen im Vergleich zu Landtags- oder Bundestagswahlen als weniger wichtig empfunden werden, sagt Politikwissenschaftler Christian Martin von der Kieler Uni, "so gibt es zum Beispiel keine Wahlberichterstattung in der Tagesschau." Dabei gestalten Kommunalpolitikerinnen und -politiker, was die Menschen vor Ort ganz unmittelbar betrifft: Den Bau von Straßen, den Betrieb von Schulen, Bibliotheken, Parks, grundsätzlich die Entwicklung der Stadt oder Gemeinde. In vielen Kommunen stemmen das vor allem Ehrenamtliche. Christian Martin glaubt: Wäre das mehr im Bewusstsein der Wählerinnen und Wähler, wäre auch die Wahlbeteiligung höher.
Nichtwähler - und trotzdem engagiert
Ungültig wählen zu gehen hat keine Auswirkung auf das Wahlergebnis. Für Christian Martin macht ein ungültiger Wahlzettel trotzdem einen Unterschied: "So signalisiere ich als Bürger: Ich sitze nicht faul auf dem Sofa, sondern gehe hin und wähle wenigstens ungültig, weil mir keines der gemachten Angebote gefällt." Die bessere Alternative sei Christian Martin zufolge immer, sich selbst politisch zu engagieren.
"Wenn ich jünger wäre, würde ich in der Kommunalpolitik was machen", sagt Elsbeth Dohle. "Ich habe aber keine Nerven mehr dazu." Thilo Pfennig aus Kiel erhebt seine Stimme anders, sagt er. Unter anderem mit einem Blog über die Kieler Kommunalpolitik. Auch Landwirt Christoph Schulte-Steinberg aus Krogaspe will zumindest künftig zu den öffentlichen Gemeindesitzungen gehen - und sich dort einmischen. "Wir haben ja hier im Dorf sehr niedrige Hierarchien. Man kann sich ja schon äußern."