Zeitreise: Das Sterben der Haubarge
Früher waren sie die prägenden Gebäude Eiderstedts. Heute kann kaum noch jemand einen Haubarg unterhalten. Ein Pastor erkannte schon früh den Todeskampf der mächtigen Bauernhäuser.
Hans-Georg Hostrup blickt mit Sorge auf sein Dach. Als er in den 80er-Jahren den Blumenhof nahe Tating (Kreis Nordfriesland) erbte, sanierte er den Haubarg aufwendig. Jetzt, nach 35 Jahren ist absehbar: Das 1.400 Quadratmeter große Reetdach muss in einigen Jahren erneuert werden. Kosten: bis zu 250.000 Euro.
Früher 400 Haubarge
Die gigantischen Dächer sind typisch für die Haubarge auf Eiderstedt. Einst bargen sie Heu und Korn, Tier und Mensch. Die Bauern auf der fruchtbaren Halbinsel waren wohlhabend. Sie konnten sich die sündhaft teuren Riesenbauten leisten. 400 Haubarge gab es auf Eiderstedt. Um 1900 aber änderte sich die Landwirtschaft: Die großen Gebäude wurden kaum noch gebraucht. Viele begannen zu verfallen.
Ein heimatverbundener Pastor
Rudolf Muuß, ab 1920 Pastor in Tating, erkannte damals, dass ein wertvolles Kulturgut zu verschwinden drohte. Er machte sich daran, gemeinsam mit einem Ingenieur sämtliche Haubarge Eiderstedts zu vermessen, zu beschreiben und zu fotografieren. Zehn Jahre lang arbeitete der heimatverbundene Pastor an einem Buch, das der Nachwelt die Vielfalt der Eiderstedter Haubarge vor Augen führen sollte.
Veröffentlichung nach 92 Jahren
Doch es kam anders. Weil sein Kompagnon ohne Muuß' Wissen vorab ein eigenes Werk veröffentlichte, zog der Pastor sein fast fertiges Buch zurück. Erst 92 Jahre später bringt die "Interessengemeinschaft Baupflege Nordfriesland und Dithmarschen" mit ihrem Vorsitzenden Hans-Georg Hostrup das Buch heraus. Viele der Fotos darin zeigen Haubarge, die es heute längst nicht mehr gibt. Es sind einmalige Dokumente des einstigen Wohlstands der Eiderstedter Bauern.
Schwieriger Erhalt
Hans-Georg Hostrup dagegen, in fünfter Generation Herr auf dem Blumenhof, muss den Erhalt seines Haubargs durch die Vermietung der drei Ferienwohnungen finanzieren, die er eingebaut hat. Die Instandhaltung des traditionsreichen Erbstücks ist ihm wichtig: "Wenn man hier abends die freie Sicht in die Landschaft genießt", sagt Hostrup, "das entschädigt einen für einiges, was man hier an Kraft und Mühe und Geld reinsteckt".