Zeitreise: 40 Jahre Bretter, die die Welt bedeuten
Sie sind ein wichtiger Teil der Kulturszene: die professionellen Privattheater. Während sie im Süden Deutschlands schon längst etabliert waren, gibt es sie hierzulande erst seit 40 Jahren.
Als Markus Dentler in den 1980er Jahren nach Kiel kam, wunderte er sich: Zu Hause in Baden-Württemberg gab es damals bereits mindestens 30 Privattheater mit eigener Spielstätte; in Schleswig-Holstein kein einziges. Im Mai 1984 eröffnete er mit den "Kieler Komödianten" eine eigene Bühne in Kiel. Das Ereignis gilt als Beginn der Privattheater-Ära zwischen Nord- und Ostsee.
Der Preis der Freiheit
Maskenbildnerinnen und Ankleider, Bühnenarbeiterinnen und Kostümschneider: All das gibt es bei einem Privattheater nicht. Alle machen alles selbst, um Kosten zu sparen. Das ist der Preis der Freiheit. Auf der anderen Seite können sie dann aber auch spielen, was sie wollen. Bei den "Kieler Komödianten" sind das vor allem neue Stücke, die sonst kaum jemand auf die Bühne bringt. So konnten sie sich von Anfang an gegen das mächtige Kieler Stadttheater behaupten.
Ungewöhnliche Spielorte
Legendär etwa ist die Theaterperformance "Menschenzoo" aus dem Jahr 1994: Mitten in einem Einkaufszentrum zeigten die Komödianten damals Alltagsszenen normaler Menschen - ein bisschen überzeichnet und hinter Gittern. Die vorbeiströmenden Menschen betrachteten sozusagen ihr eigenes Leben. Typisch auch: Von Anfang an gingen die Komödianten an Orte, wo sonst nie Theater gespielt wird; auf den Halligen etwa oder in Landgasthöfen - "wie die fahrenden Leute im Mittelalter", sagt Markus Dentler nicht ohne Stolz.
Heute 39 Ensembles
Mittlerweile hat sich viel getan in der Szene: 39 Ensembles sind heute Mitglieder im "Landesverband freie darstellende Künste Schleswig-Holstein e.V.". Das sind nicht nur professionelle Schauspielgruppen, sondern auch Performance- und Tanz- Ensembles. Und: Figuren- und Puppentheater.
Familien- und Kindertheater
Ganz versteckt auf dem Land, im ostholsteinischen Kasseedorf, sind Dörte und Marc Lowitz zu Hause. Sie betreiben das "Figurentheater Wolkenschieber". Marc Lowitz hat es vor 35 Jahren gegründet. In ihrer eigenen Werkstatt bauen sie ihre Figuren und Bühnenbilder, im Probenraum entwickeln sie ihre eigenen Stücke für Kinder und Familien. Mit denen fahren sie übers Land, spielen in Kindergärten und Schulen. So erreichen sie seit Jahrzehnten ein Publikum, das von den großen Theatern in öffentlicher Trägerschaft nicht bedient wird. 120 Stücke haben sie im Laufe der Jahre einstudiert, zwölf haben sie aktuell im Repertoire.
Heute unentbehrlich
Eines hat das "Figurentheater Wolkenschieber" mit den "Kieler Komödianten" und all den anderen Ensembles gemeinsam: Sie sind von finanzieller Förderung abhängig; denn von den verkauften Eintrittskarten allein kann kein Theater überleben. Land, Kreis oder Stadt, Stiftungen und Sponsoren: Es ist eine Kunst für sich, die materiellen Grundlagen der künstlerischen Arbeit zu sichern. Aber die professionellen Privattheater im Land haben sich in den vergangenen 40 Jahren auch bei den Geldgebern einen guten Ruf erarbeitet: Heute sind sie unentbehrlich.