Wie mich Königin Margrethe II (ein wenig) zur Monarchistin machte
Die Neujahrsansprache von Königin Margrethe II am 31. Dezember genießt traditionell Traumquoten im dänischen Fernsehen. Als die 83-jährige Monarchin dabei ihre Abdankung bekannt gab, war das bei den Menschen im deutsch-dänischen Grenzland ein hoch emotionaler Moment - den unsere Autorin Simone Mischke hautnah miterlebt hat.
"Ich übergebe den Thron an meinen Sohn Kronprinz Frederik." Mit diesen historischen Worten hat sich die dänische Königin Margrethe II am 31. Dezember an ihr Volk gerichtet. Sie sei gesundheitlich nicht mehr in der Lage, Dänemark als Königin zu dienen. Dabei wirkte die Königin doch noch so agil bei ihrem Besuch in Schleswig-Holstein vor vier Jahren! Die Nachricht hat die Dänen ebenso wie die deutschen und dänischen Minderheiten auf beiden Seiten der Grenze für einen Moment den Atem anhalten lassen - auch mich.
Seit gut drei Jahren wohne ich in Gråsten. Einem kleinen Ort mit gut 4.000 Einwohnern, in dem die Königin und ihre Familie jedes Jahr mehrere Wochen ihren Sommerurlaub verbringen. Dass die Monarchin in ihrer Neujahrsansprache ihre Abdankung bekannt gibt, war in der Silvesternacht DAS Thema, als ich nach Mitternacht mit meinen Nachbarn zusammenkam - gleich nachdem wir uns "godt nytår", ein gutes neues Jahr, gewünscht hatten. "Hast du das gehört? Unsere Königin hat abgedankt!" Es war offensichtlich, wie sehr sie alle Nachricht nicht nur überrascht, sondern auch bewegt und berührt hat. Und dabei ging es gar nicht darum, dass es in der dänischen Monarchie seit 900 Jahren keine Abdankung gegeben hatte. "Das war doch unsere Königin, wir sind mit ihr aufgewachsen!", erklärten mir die Nachbarn.
Margrethe II fliegen die Herzen bei Flensburg-Besuch zu
Ich gestehe - ich bin keine leidenschaftliche Monarchistin. Prinzessin wollte ich nie werden. Und während meines dreijährigen Arbeitsaufenthalts in London habe ich es trotz räumlicher Nähe zum Buckingham-Palast geschafft, keines der royalen Familienmitglieder je live zu Gesicht zu bekommen. Doch genau darum geht es: Um die Faszination für die dänische Monarchin zu verstehen, muss man sie einmal erlebt haben. Ich habe sie erlebt: Im September 2019, als die Monarchin bei einem dreitägigen Besuch unter anderem in Flensburg und Schleswig (Kreis Schleswig-Flensburg) war.
Allein das Einlaufen der historischen, königlichen Yacht "Dannebrog" in den Flensburger Hafen zu den Klängen von "Hey, Pippi Langstrumpf" verbreitete eine erfrischend heitere Atmosphäre. Die Königin, die plötzlich entgegen dem Protokoll an der Rehling auftaucht und "ihrem" Volk mit einem strahlenden Lächeln zuwinkt. Am Hafen hunderte Menschen jeden Alters, die "ihrer" Königin begeistert mit ihren kleinen Dannebrogs - der dänischen Fahne - zuwinken, die Kinder mit kleinen Krönchen auf ihren Köpfen. Das war der Moment, in dem ich deutlich gespürt habe, wie der Monarchin die Herzen zuflogen. Und es war schon allein dieser Moment, der mich hat besser verstehen lassen, warum die Menschen auf beiden Seiten der Grenze so begeistert von ihrer Majestät sind. Ihre gewinnende Art, das strahlende Lächeln, ihre Vitalität und Neugierde, mit denen sie den Menschen begegnete, haben mich sehr beeindruckt.
Eine Monarchin, die das Grenzland eint
Das ist schon eine Besonderheit, die es so vielleicht nur im deutsch-dänischen Grenzland gibt: Dass Dänischstämmige aus Schleswig-Holstein und Deutschstämmige in Süddänemark sagen: "Das ist meine Königin!" Natürlich gibt es auf beiden Seiten der Grenze auch Menschen, die sich nicht viel aus der Monarchie machen. Doch die Menschen aus beiden Minderheiten, mit denen ich in der letzten Zeit gesprochen habe, sind sich ziemlich einig. Sie verehren ihre Königin, sind mit ihr aufgewachsen. Viele haben sie im Laufe ihres Lebens getroffen, oft mehrmals.
"Wir hatten einen Kloß im Hals"
So wie Gitte Hougaard-Werner, Vorsitzende der Sydslesvigs Forening und damit das Sprachrohr der dänischen Minderheit: "Man merkt, dass die Königin eine enge Verbindung zu uns in der dänischen Minderheit hat. Als sie ihre Abdankung bekannt gegeben hat, da hatten wir einen Kloß im Hals", erinnert sich Gitte Hougaard-Werner. Und auch der Vorsitzende des Bunds Deutscher Nordschleswiger, Hinrich Jürgensen, ist von der Abdankung der Königin geschockt. "Wir waren aber auch sehr gerührt. Sie hat einen fantastischen Job gemacht und den richtigen Zeitpunkt gewählt abzudanken, Respekt dafür. Frederik kann jetzt neue Akzente setzen", sagt Hinrich Jürgensen.
Wie geht es mit dem Sommerschloss weiter?
Die spannende Frage für uns alle in Gråsten ist jetzt: Wird der neue König Frederik mit seiner Familie auch seine Sommerferien in dem weißen Schloss in unserem Ort verbringen? Das Anwesen gehört dem dänischen Staat: Königin Margrethe II hat ein persönliches Nutzungsrecht. Die Frage ist nun, ob dieses Recht auf den König übergeht, oder ob der seinen Sommer lieber im Schloss in Aarhus verbringt, wo er auch studiert hat. In Gråsten hoffen natürlich die meisten, dass die königliche Familie weiterhin dorthin kommt. Nicht zuletzt wirbt der Ort mit dem Slogan "dit eget lille kongerige" - "dein eigenes kleines Königreich". Die Königsfamilie zieht. Allein der so genannte Küchengarten, in dem Obst und Gemüse für die königliche Familie angebaut werden und der öffentlich zugänglich ist, hat im vergangenen Jahr 50.000 Besucher angelockt. Und es wäre auch ein wichtiges Signal. "Die Königin hat die Minderheiten ja alle paar Jahre in das Gråstener Schloss eingeladen. Das war für uns immer ein Highlight. So wurden wir gesehen und gehört", sagt Hinrich Jürgensen. Und ich gestehe: Es klingt schon auch ein bisschen glamourös, sagen zu können: Ich wohne in dem Ort, in dem die königliche Familie ihr Sommerschloss hat. Das sage ich als eine, die nun doch - ein ganz kleines bisschen - zur Monarchistin geworden ist.