Wein aus SH: Zwischen Klimawandel und Exotenstatus
Als einziger Weinbaubetrieb in Schleswig-Holstein setzt Gut Deutsch-Nienhof auf den ökozertifizierten Anbau der Trauben. Die Grundpfeiler des Erfolges sind auch im hohen Norden vor allem die richtigen Rebsorten und ein gesunder Boden - und weniger der Klimawandel.
Mit lautem Geknatter lenkt Mitarbeiter Mariusz den Trecker mit der Fräse durch die langen Reihen der Reben und arbeitet das Unkraut in den schweren, lehmigen Grund ein. "Wenn der Boden schwarz ist, kann er besser abtrocknen und Wärme speichern. Das sorgt für eine bessere Ernte", sagt Senior-Gutsherr Sven von Hedemann-Heespen. Wochenlang konnte auf dem Weinberg von Gut Deutsch-Nienhof kaum gearbeitet werden. Der viele Regen hatte den Boden zu sehr aufgeweicht. Da blieb einiges liegen. Für Sven von Hedemann-Heespen und seine Tochter Josephine gibt es deshalb jetzt noch mehr zu tun als ohnehin schon. In etwa vier Wochen beginnt die Lese, die sich dann je nach Wetterlage bis Oktober hinziehen kann.
Bisher das einzige Bio-Weinbaugebiet in SH
Vater und Tochter betreiben mitten im Naturpark Westensee das nördlichste Bio-Weingut Deutschlands. Von den etwa zwei Handvoll Weinanbaugebieten in Schleswig-Holstein setzt die Familie auf ihrem Berg bisher als einzige auf den zertifizierten ökologischen Anbau. "Wir verzichten auf synthetischen Dünger und setzen keine Spritzmittel ein", erklärt Sven von Hedemann-Heespen. Gedüngt wird nur mit dem Mist der gutseigenen Rinder und Schafe. Neben dem Weinanbau betreibt die Familie seit Generationen unter anderem auch Land- und Forstwirtschaft. "Und auch das Unterfräsen des Unkrauts sorgt durch das Verrotten noch mal für Nährstoffe und fördert das Bodenleben", sagt Josephine Hedemann-Heespen und zeigt auf die Regenwürmer und andere kleine Tierchen, die sich quicklebendig in der frisch gefrästen Erde tummeln.
Auf dem Weinberg fällt viel Handarbeit an
Mariusz ist heute der Einzige, der auf PS-Verstärkung zählen kann. Das meiste wird in den Reben per Hand erledigt. Für Sven und Josephine von Hedemann-Heespen stehen heute die Kontrolle und das Freipflücken der Trauben auf dem Programm. "Wir müssen schauen, ob der viele Regen verstärkt zu Pilzbefall geführt hat", erklärt der Gutsherr und pflückt mit geübten Griffen die Blätter ab, die den Trauben Licht und Sonne nehmen. "Die brauchen jetzt die Wärme, um auszureifen", sagt er.
Weinanbaufläche in SH wächst
Dass in Schleswig-Holstein überhaupt Wein angebaut wird, haben wir Rheinland-Pfalz zu verdanken. Das übertrug einen Teil seiner ungenutzten Pflanzrechte dem nördlichsten Bundesland. Denn in der Europäischen Union ist genau geregelt, wo und wie viel Wein angebaut werden darf. Eine Ausnahme machen Behörden nur bei kleinen Anbauflächen für maximal 99 Reben, die für den privaten Gebrauch bestimmt sind. Schleswig-Holstein war bei der Vergabe der Neupflanzungsrechte nicht bedacht worden. 2009 trat eine neue Verordnung in Kraft, die es Schleswig-Holstein erlaubt, Wein anzubauen, wenn die erforderlichen Pflanzrechte vorliegen.
Auf Gut Deutsch-Nienhof wird seit rund 20 Jahren Wein angebaut. In den ersten Jahren war das erst mal nur ein Experiment. "Ich wurde anfangs dafür belächelt", erinnert er sich. Seit der Übernahme der Pflanzrechte 2009, von denen sich Senior-Gutsherr Sven von Hedemann-Heespen einen Teil sichern konnte, ist er mit seinen zwei Hektar Anbaufläche professioneller Weinbauer. Mittlerweile wird zwischen Nord- und Ostsee auf einer insgesamt fast 30 Hektar großen Fläche Wein produziert.
In Westensee wachsen drei Traubensorten
Auf Gut Deutsch-Nienhof gedeihen die weiße Traube Solaris sowie die beiden roten Sorten Cabernet Cortis und Rondo. Es sind noch relativ neue Züchtungen, aus denen die Familie von Hedemann-Heespen Rot-, Weiß- und Roséwein produziert. "Die Trauben kommen gut mit den norddeutschen Bedingungen zurecht. Sie haben eine kürzere Vegetationszeit und reifen auch im kürzeren Sommer bei uns hier oben aus. Außerdem vertragen sie Nässe, weil sie pilzresistenter als herkömmliche Sorten sind", erklärt Josephine von Hedemann-Heespen.
Anbaumethode macht die Weine etwas teurer
5.000 bis 9.000 Flaschen Wein produziert die Familie im Schnitt pro Saison. Gekeltert wird der Wein auf einem Bio-Weingut in Süddeutschland. Für eine Flasche, alle Weine kosten etwas mehr als zehn Euro, müssen die Kunden tiefer in die Tasche greifen als für Wein aus größeren Anbaugebieten oder gar für Tropfen aus dem Supermarkt. "Wir haben weniger Ertrag auf der Fläche, weil wir nicht synthetisch düngen und keinen Pflanzenschutz spritzen. Und der Aufwand per Hand ist einfach riesig", sagt die Junior-Gutsherrin.
Temperaturanstieg durch den Klimawandel wirkt sich bisher nicht aus
Der Weinanbau in Schleswig-Holstein hat seinen Exotenstatus aus den Anfangsjahren abgeschüttelt. Mit dem Klimawandel steigen laut Deutschem Wetterdienst zudem auch in Schleswig-Holstein die durchschnittlichen Temperaturen an, und auch die Sonnenstunden haben 2022 im Vergleich zu den Jahren 1991 bis 2020 um 16 Prozent zugenommen. Könnte das den Weinbauern im Land in die Karten spielen? "Bisher ist eher das Gegenteil der Fall", sagt Josephine von Hedemann-Heespen. "Uns machen eher die häufigen Wetterextreme zu schaffen, wie etwa jüngst der Dauer- und Starkregen oder vermehrte Stürme und Hagelschauer. Die bringen unsere Arbeitsabläufe durcheinander und können zu Ernteausfällen führen." Für den erfolgreichen Weinbau im Norden seien vor allem wichtig: "Die richtigen Traubensorten und ein gesunder, lebendiger Boden." Etwas Glück mit dem Wetter dürfte zudem auch nicht schaden.