Vor der Landratswahl in Dithmarschen: Entscheiden die Stimmen der AfD?

Stand: 08.02.2024 00:00 Uhr

Heute wird in Dithmarschen der Landrat für die nächste Amtszeit gewählt. Antreten werden Amtsinhaber Stefan Mohrdieck (parteilos) und CDU-Politiker Thorben Schütt, der aber als unabhängiger Kandidat ins Rennen geht. Die Stimmen der AfD-Fraktion könnten eine wichtige Rolle spielen.

54 Sitze hat der Dithmarscher Kreistag aktuell. Ein Bewerber für den Landratsposten müsste also für die absolute Mehrheit in den ersten beiden Wahlgängen 28 Stimmen bekommen. Versuchen werden das heute, am 8. Februar, Stefan Mohrdieck (parteilos) und Thorben Schütt, der zwar CDU Mitglied ist, aber nach eigenen Angaben als unabhängiger Kandidat antritt. In einem möglichen dritten Wahlgang würde laut dem Kreis Dithmarschen derjenige gewinnen, der die meisten Stimmen erhält. Es genügt dann also die einfache Mehrheit - mindestens eine Stimme mehr als der Mitbewerber. Bei Stimmengleichheit entscheidet das von der Kreispräsidentin zu ziehende Los.

Stimmen der kleinen Fraktionen entscheiden

Die CDU ist mit 21 Sitzen stärkste Kraft im Kreistag, dahinter die SPD mit neun Sitzen. Die Sozialdemokraten unterstützen laut dem Fraktionsvorsitzenden Jörg-Uwe Halusa Amtsinhaber Mohrdieck, Gegenkandidat Schütt ist CDU-Mitglied. Mit den jeweiligen Unterstützer-Stimmen würde es für keinen der beiden Bewerber reichen. Deshalb kommt es auf die Stimmen der anderen Fraktionen an. Das sind FDP und AfD mit jeweils sechs Sitzen, die Grünen mit fünf und die Unabhängige Wählergemeinschaft Dithmarschen (UWD) mit vier. Dazu gibt es drei fraktionslose Kreistagsmitglieder: von der Linkspartei, von der Nachhaltigkeitsliste DFN und ein ehemaliges Mitglied der Wählergemeinschaft Netzwerk Dithmarschen (WND).

Vorwürfe der Landes-CDU

Besonders an der Bedeutung der Stimmen der AfD-Fraktion gibt es Kritik. CDU-Generalsekretär Lukas Kilian forderte Konsequenzen. Denn seiner Kenntnis nach wolle die AfD mit ihren Stimmen Stefan Mohrdieck unterstützen, der den Rückhalt der SPD hat. "Dass die SPD-Kreistagsfraktion Dithmarschen offenkundig kein Problem mit einer Mehrheitsbildung unter Einschluss von Stimmen der AfD hat, erschreckt mich und passt nicht zu den Verlautbarungen der Landes-SPD", so Kilian. Man müsse Mehrheiten im demokratischen Spektrum suchen. Er fordert ein klares Bekenntnis, dass man eine Wahl mit Stimmen der AfD nicht annehmen würde.

Midyatli: Kein Landrat mit Stimmen der AfD

Das sagt auch SPD-Landeschefin Serpil Midyatli: "Wenn man nur mit Stimmen der AfD gewinnt, erwarte ich von den Kandidaten, dass sie vor der Wahl sagen, dass sie die Wahl dann nicht annehmen werden." Sie erwarte zudem, dass demokratische Fraktionen sich verständigen. "Mit uns wird es keinen Landrat geben, bei dem die Wahl von der AfD abhängt. Das werden wir nicht mitmachen", machte sie klar.

Bei der Landratswahl im Kreis Rendsburg-Eckernförde hatte zuletzt der CDU-Kandidat Tim Albrecht seine Bewerbung zurückgezogen, weil er nicht mit Stimmen von extremen Parteien gewählt werden wollte.

Mohrdieck betont: Keine Absprachen mit AfD

Amtsinhaber und Kandidat Stefan Mohrdieck betonte dagegen, dass es eine geheime Abstimmung sei - man könne also gar nicht wissen, wer wen wählt. Er wolle sich deshalb nicht an Spekulationen beteiligen. Absprachen mit der AfD gebe es ausdrücklich nicht. "Ich habe keine Ahnung, wie die abstimmen, ich arbeite nicht mit denen zusammen und habe da keine Kontakte" so Mohrdieck.

SPD-Fraktion: Gegenkandidat erschwert die Mehrheitsbildung

Auch der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Kreistag, Jörg-Uwe Halusa, bekräftigte, dass es keinerlei Kommunikation mit der AfD gebe. Auch er verweist auf die geheime Wahl - und wundert sich, woher Lukas Kilian wisse, dass die AfD Mohrdieck wählen wolle. Er sieht das Problem eher darin, dass ein Gegenkandidat aufgestellt worden sei, weil nun zwei Bewerber um die Stimmen konkurrieren. "Die CDU wäre besser beraten gewesen, hier auf den amtierenden Landrat zu setzen, um das Bündnis der Demokraten nicht zu gefährden", so Halusa. "Denn natürlich spreche auch ich mich dafür aus, dass der Landrat die Mehrheit der demokratischen Parteien haben muss." Er spricht sich klar für eine Wiederwahl von Mohrdieck aus: "Mit Blick auf die Herausforderungen benötigen wir eine erfahrene Verwaltungsspitze."

Grünen sprechen keine Wahlempfehlung aus

Kerstin Hansen, Grünen-Fraktionschefin sagte am Mittwoch, dass sie keine Wahlempfehlung rausgeben würden. "Aber wir haben beschlossen, dass wir mit unsere Stimme dafür sorgen werden, dass es eine demokratische Wahl bleibt." Der Anspruch der Grünen sei, dass der Landrat ohne AfD-Stimmen eine deutliche Mehrheit erreiche.

Schütt will nicht mit AfD-Stimmen gewählt werden

Thorben Schütt gab ebenfalls an, keinen Kontakt zur AfD zu haben. Für ihn sei von vornherein klar gewesen, dass er sich nicht mit Stimmen der AfD zum Landrat wählen lassen werde. Er schließe das auch aus, denn er habe mit allen anderen Fraktionen vor der Wahl gesprochen und hoffe auf Unterstützung aus ihren Reihen. Seiner Aussage nach habe er sich auch erst zu der Kandidatur entschieden, als er sicher war, eine demokratische Mehrheit ohne die AfD erreichen zu können.

Bis auf SPD und FDP haben sich die Fraktionen und Kreistagsmitglieder aber bisher nicht offiziell zu einem der beiden Kandidaten bekannt. Die FDP-Fraktion will nach eigenen Angaben geschlossen für Thorben Schütt stimmen. Würden ihn außerdem alle CDU-Fraktionsmitglieder wählen, käme er auf 27 Stimmen. Für Mohrdieck wollen nach NDR Informationen neben der SPD auch Grüne, UWD und die drei Fraktionslosen stimmen. Er käme damit auf 21 Stimmen.

AFD: Noch auf keinen Kandidaten festgelegt

Die AfD in Dithmarschen war lange Zeit nicht für eine Stellungnahme zu erreichen, hat sich aber inzwischen zu dem Thema kurz und knapp geäußert. Der stellvertretende Landesvorsitzende Volker Schnurrbusch sagte auf Anfrage von NDR Schleswig-Holstein: "Die AfD-Fraktion in Dithmarschen hat sich bislang noch nicht auf einen Kandidaten festgelegt." Da die Kandidatur von Herrn Schütt überraschend gekommen sei, müsse sich die Fraktion noch ein umfassendes Bild von seiner Eignung machen.

Politikwissenschaftler: AfD nicht normalisieren

Die Frage, wie gerade bei knappen Mehrheitsverhältnissen mit der AfD umgegangen wird, stellt sich laut Politikwissenschaftler Prof. Dr. Wilhelm Knelangen von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) immer öfter. "Wir haben ja einen geheime Wahl und es ist immer schwierig, gerade wenn mehrere Personen antreten und man nicht ganz genau weiß, wie sich die Stimmen verteilen", erklärt er. Seine Empfehlung: So offen wie möglich kommunizieren. Zudem plädiert er dafür, dass sich die anderen Parteien möglichst schon am Anfang einer Wahlperiode auf einen gemeinsamen Umgang mit der AfD verständigen. Die Strategie, die AfD genau so zu behandeln wie alle anderen Gruppierungen, führt aus Knelangens Sicht zur Normalisierung. "Und ich würde sagen, das ist keine normale Partei", so der Wissenschaftler. "Eine Person, die sagt: 'Es ist mir egal, ob ich von Rechtsradikalen gewählt werde' ist aus meiner Sicht nicht geeignet, ein solches Amt aufzunehmen."


06.02.2024 07:26 Uhr

Hinweis der Redaktion: In einer vorherigen Version des Artikels war davon die Rede, dass ein Bewerber für den Landratsposten für eine einfache Mehrheit im 3. Wahlgang 28 Stimmen bekommen müsste. Das ist falsch. Die absolute Mehrheit von 28 Stimmen ist nur in den ersten beiden Wahlgängen nötig. Im dritten Wahlgang reicht eine einfache Mehrheit - also mindestens eine Stimme mehr als der Mitbewerber.

 

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 08.02.2024 | 06:00 Uhr

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