Vor 40 Jahren wird er Weltmeister: Die Speedwaylegende Egon Müller
Speedway ist ein Sport für Spezialisten: Die Rennbahnrunde nur 400 Meter lang, die Motorräder hochgetuned, gefahren wird mit einem Gang und ohne Bremse und getankt wird Methylalkohol. Egon Müller aus Kiel ist der Rennfahrer, der in den 1980ern mit Abstand der größte Star der Szene ist.
"Auf dem Dreirad war ich mehr auf zwei als auf drei Rädern unterwegs, die Balance war einfach schon früh da", erzählt Egon Müller, "Und die Nachbarn haben immer gesagt: 'Das wird mal ein ganz Verrückter.' Recht hatten sie." Mit 15 Jahren fährt er sein erstes Rennen - mit dem Führerschein eines Freundes - und macht auf Anhieb den zweiten Platz. Bei der Siegerehrung ist der Pokal zwar klein, aber der Applaus riesig: "Davon wollte ich unbedingt mehr", sagt er heute.
Die Rennleidenschaft ist geweckt
Egon Müller macht eine Ausbildung zum Zweiradmechaniker. Bastelt an seinen Motoren. Versucht, die Motoren leichter zu machen. "Mit einem Freund habe ich die Zylinderköpfe auf einer Mauer abgeschliffen - stundenlang über die Backsteine. Und das hat funktioniert. Schon bald waren meine Motoren oft einen Tick besser, als die der Konkurrenz", erinnert sich der ehemalige Rennfahrer. Egon Müller beginnt, Siege zu sammeln. Vorerst auf der Langbahn: Dort wird er dreimal Weltmeister. Aber was ihm fehlt, ist der WM-Titel im Speedway. Die Kurzbahn gilt als Königsdisziplin.
Das Rennen der Rennen
Am 4. September 1983 ist es dann soweit. Egon Müller gelingt der Einzug ins Speedway WM-Finale. Im niedersächsischen Norden trifft sich die Weltelite im Speedway. "Ich kann heute noch nicht erklären, was an diesem Tag los war. Ich war wie verwandelt, in Trance. Ich habe überhaupt keinen Menschen mehr gesehen. Ich habe mich so fokussiert auf das, was ich vorhabe. Ich bin dahin gefahren und habe gesagt, ich fahre auf die Treppe." Egon Müllers Sieg im letzten und entscheidenden Rennen macht ihn zum ersten und bis heute einzigen deutschen Weltmeister im Speedway.
Rennen und Showbiz
Nach dem Sieg reißen sich die Veranstalter um den jungen blonden Weltmeister mit dem deutlich norddeutschen Akzent. Und Egon Müller, der in seiner Karriere unter anderem für das Team 70 Brokstedt fährt, ist ein Meister der Selbstvermarktung. Er beginnt eine Karriere als Sänger, entwirft Rennanzüge und eine Jeanskollektion, versucht sich als Schauspieler. "Das war immens wichtig für mich", sagt der ehemalige Weltmeister heute, "Ich war so oft verletzt. Und dann konnte ich nicht fahren, habe kein Geld verdient. Aber singen und spielen - das konnte ich auch, wenn fahren nicht möglich war. Ich musste ja von irgendetwas leben."
Nie mehr auf die Bahn - oder vielleicht doch?
Auch heute schraubt Egon Müller noch an seinen Motoren. Meist für Freunde und Nachwuchsfahrer, die er ab und an betreut. Auf Rennmaschinen fährt er selbst normalerweise nicht mehr. Für uns hat er noch einmal eine Ausnahme gemacht. Ist mit einem Nachwuchsfahrer und einem Freund auf die Bahn in Brokstedt gegangen. Und hat mit 74 Jahren noch mal den Raketen-Egon aktiviert. Er ist mit knapp 100 Stundenkilometern über die Bahn gerast. "Das waren ein paar schöne Runden", kommentiert der Weltmeister von 1983, "hat sich angefühlt, wie vor 40 Jahren. Damals wollte ich der Beste der Welt werden. Und es hat geklappt."
Letzter Zieleinlauf für Egon Müller. Der nun nicht mehr auf eine Rennmaschine steigen will. Anderseits hat er das vor acht Jahren auch gesagt. Und 20 Jahre davor auch schon. Und auch bei seinem offiziellen Abschied 1997. Sag niemals nie bei Egon Müller.