Verspätungen: Fluglärm in der Nacht am Airport Hamburg nimmt zu
Eine Studie aus Großbritannien zeigt, dass nächtlicher Fluglärm erhebliche gesundheitliche Folgen haben kann. Schlecht für Südholstein, denn die Flüge nach 23 Uhr am Hamburger Flughafen nehmen zu.
Stefanie Hahn ist in Norderstedt (Kreis Segeberg) aufgewachsen. Sie wisse, dass tagsüber die Flieger starten und landen, sagt sie, doch der Lärm in der Nacht stresse sie immer mehr. Man schlafe ein, dann komme ein verspäteter Flieger, man werde wach und es sei schwer dann wieder in den Schlaf zu finden, erklärt die Norderstedterin.
Schleswig-Holstein von Fluglärm stärker betroffen als Hamburg
Eigentlich haben die Anwohner des Hamburger Flughafens und die Menschen in Südholstein zwischen 23 Uhr und 6 Uhr Ruhe vom Fluglärm - dem Nachtflugverbot sei Dank. Doch die Verspätungen nehmen in den letzten Jahren stetig zu. So waren im vergangenen Jahr etwa 1.000 Flüge verspätet - nach 23 Uhr. Ein Anstieg um 20 Prozent seit 2023. Im Vergleich zu 2019 (vor Corona) zeigen die Zahlen des Flughafens sogar: Etwa 40 Prozent häufiger landen Flugzeuge nach 23 Uhr. Besonders betroffen ist Schleswig-Holstein. Aufgrund der sogenannten Bahnbenutzungsregel verlaufen die meisten An- und Abflugrouten über das nördliche Umland, sodass Gemeinden wie Norderstedt, Henstedt-Ulzburg (Kreis Segeberg) und Quickborn (Kreis Pinneberg) dem Lärm stärker ausgesetzt sind als Anwohner in Hamburg.
Kritik an steigender Zahl verspäteter Nachtflüge
Die Wählergemeinschaft WIN (Wir in Norderstedt) um Reimer Rathje versteht nicht, warum der Schlaf der Schleswig-Holsteiner weniger Wert sein soll als der der Hamburger. Sie fordern eine gerechtere Verteilung des Lärms auf alle Flugbahnen. Denn eigentlich sei Starten und Landen in Hamburg in vier Richtungen möglich. Doch um die Mehrheit der Bevölkerung - Hamburg ist dichter besiedelt - zu schützen, werden nicht alle Bahnen gleichmäßig benutzt. Das besagt die sogenannte Bahnbenutzungsregel.
Der Verband BIG-Fluglärm Hamburg fordert schärfere Regelungen. Der Vorsitzende Martin Mosel stellt klar, dass die Flüge nach 23 Uhr nach Möglichkeit gar nicht mehr stattfinden sollten, da die Menschen ihren Schlaf brauchten. Um die Nachtruhe durchzusetzen, fordert der BIG eine Änderung der Betriebsgenehmigung. Ein Antrag auf Prüfung liegt derzeit bei der Hamburger Wirtschaftsbehörde.
Neue Studie zeigt Gesundheitsrisiken auf
Dass Lärm gesundheitliche Folgen hat, ist bekannt. Eine aktuelle Studie aus Großbritannien stellt nun fest, dass die linke Herzkammer bei Menschen, die in der Nähe von Flughäfen wohnen, um durchschnittlich sieben Prozent schwerer ist als bei anderen Personen. Dazu werteten die Forscher Herzen aus, die im Magnetresonanztomografen (MRT) aufgenommen wurden. Gleichzeitig konnte man dadurch errechnen, dass ein 32-prozentiges Risiko besteht, in den kommenden Jahren an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu erkranken.
Chronischer Stress durch Fluglärm?
Viele Experten, darunter Thomas Münzel, Senior Professor am Zentrum der Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz, sind der Meinung, dass die Studie auf Deutschland und den Hamburger Flughafen übertragbar sei. Lärm sei immer mit einem erhöhten Stresshormonspiegel verbunden, erklärt Münzel. Das heißt laut Münzel, dass zum Beispiel der Cortisol-Spiegel ansteigt. Wird der Stress chronisch, kommt es im Körper darüber hinaus zu weiteren Risikofaktoren, wie hohem Blutdruck, steigenden Cholesterinwerten oder einem steigenden Blutzuckerwert. Geschehe das über Jahre, könne es zu den klassischen Herzkrankheiten wie Schlaganfall, Herzinfarkt, Herzschwäche oder Herz-Rhythmusstörungen kommen, so Münzel.
Hamburgs Flughafen braucht Verspätungen
Auf die Verspätungen zu verzichten, sei nicht möglich, sagt Johannes Scharnberg vom Hamburg Airport. Eine strikte Nachtruhe ab 23 Uhr sei nicht machbar. Man brauche die Möglichkeit, um Unregelmäßigkeiten aufzufangen. Flugzeuge, die in Hamburg morgens gestartet sind, müssten abends wieder zurückkommen, so Scharnberg. Ansonsten befände sich am nächsten morgen das Flugzeug und die Crew an einem anderen Flughafen. Das wäre nicht im Sinne der Passagiere und schlecht für die Wettbewerbsfähigkeit.
Gründe: Krieg in der Ukraine und Unwetter
Der Flughafen nennt unterschiedliche Gründe für die Verspätungen. Durch den Krieg in der Ukraine habe sich der Luftraum stark verändert, so die Betreiber. Insbesondere im Osten von Europa müsse jetzt über andere Lufträume geflogen werden. Hinzu kommt ein größerer Anteil an militärischer Luftfahrt. Ein weiterer Grund sei die Zunahme von Starkwetterereignissen, also Gewitterfronten und großen Unwettern, die dazu führen, dass Flugzeuge am Boden bleiben müssen oder Umwege fliegen.
Wirtschaftsfaktor vs. Gesundheit
Der Flughafen Hamburg beschäftigt rund 15.000 Menschen und ist zentrale Infrastruktur für den Geschäfts- und Tourismusverkehr im Land. Etwa ein Drittel der Mitarbeitenden stammen aus Schleswig-Holstein. Die Betreiber argumentieren, dass ein leistungsfähiger Flughafen für internationale Wettbewerbsfähigkeit essenziell sei. Die Debatte um den Fluglärm bleibt ein Balanceakt zwischen wirtschaftlichen Interessen und dem Schutz der Anwohner.
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