Übergangskonzept für Schule am Kastanienweg beschlossen
Die Schule am Kastanienweg in Bad Segeberg ist das einzige Förderzentrum für soziale und emotionale Entwicklung im Land. Hier lernen Kinder und Jugendliche mit speziellen Bedürfnissen. Im Juli wird die Schule geschlossen.
Hinter der Schulgemeinschaft der Schule am Kastanienweg in Bad Segeberg (Kreis Segeberg) liegen drei Monate voller Hoffen, aber auch Bangen und Unsicherheit. Fest steht: Ab August wird es am Kastanienweg keinen Schulbetrieb mehr geben. Die Diakonie ist Eigentümerin des Schulgebäudes. Sie kann das Gebäude ab August aber nicht mehr für den Schulbetrieb zur Verfügung stellen. Im vergangenen Dezember hat der Segeberger Kreistag beschlossen, dass die Kreisverwaltung ein Übergangskonzept für die verbleibenden Schülerinnen und Schüler ausarbeiten muss. Der Auftrag für Landrat Jan Peter Schröder (parteilos): Er soll ein Gebäude, einen Ort, finden, an dem alle 17 Schülerinnen und Schüler weiterhin gemeinsam unterrichtet werden können bis jede und jeder von ihnen den Abschluss in der Tasche hat. Diese Zeit der Ungewissheit war keinesfalls leicht, sagt Simone Kaletsch, Lehrerin am Kastanienweg: "Wir haben festgestellt, dass die Schüler, die ja sowieso schon einen sozial-emotionalen Förderbedarf haben und grundsätzlich schon unter Ängsten leiden, in vielen Bereichen wieder Rückschritte gemacht haben.“
Schüler kommen auf zwei unterschiedliche Schulen
Am Donnerstagabend hat der Kreistag das Übergangskonzept einstimmig beschlossen und den Vorschlag des Landrats angenommen. Damit werden die Schülerinnen und Schüler ab August an zwei unterschiedlichen Schulen unterrichtet. Die Jüngeren, im Grundschulalter, sollen dann an der Franz-Claudius-Schule in Bad Segeberg unterrichtet werden. Die Älteren der Sekundarstufe an der Poul-Due-Jensen-Schule in Wahlstedt. Der Kreis spricht dabei von einer Aufteilung auf sogenannte temporär-intensivpädagogische Maßnahmen. Mit dieser Trennung kann aber eine der zentralen Vorgaben des Dezember-Beschlusses nicht erfüllt werden: dass die Schulgemeinschaft zusammen bleiben kann. Am Kastanienweg ist man über dieses Lösung enttäuscht, erklärt Simone Kaletsch: "Es macht wütend und das merke ich auch bei den Schülern. Die fühlen sich sehr über ihren Kopf hinweg bestimmt und so geht es uns als Lehrkräfte natürlich auch."
Aufteilung wird zur Belastung für die gesamte Schulgemeinschaft
Die Schülerinnen und Schüler sind emotional so aufgewühlt und belastet, dass sie nicht mehr mit uns über das sprechen möchten, was der Kreistag jetzt beschlossen hat. Täglich spielen sich unterschiedliche Szenarien ab: Teilweise ziehen sich die Schüler die Kapuze über den Kopf und sehen keinen Sinn mehr, sich weiter am Unterricht zu beteiligen, berichten die Lehrerinnen und Lehrer. Denn die Kinder und Jugendlichen würden nicht wissen, was ab August passiert und ob sie mit der neuen Situation überhaupt klar kommen. Viele von ihnen waren bereits an sogenannten Regelschulen und in den temporär-intensivpädagogischen Maßnahmen. Dort hätten sie sich keinesfalls zurecht gefunden und sind daraufhin deshalb zur Schule am Kastanienweg gegangen. Die Aufteilung bedeutet für sie den Weg zurück in ein System, das sie zuvor gesprengt haben.
Landrat: "Wir hatten keine Alternative"
Landrat Jan Peter Schröder erklärt im NDR-Interview, dass er die Enttäuschung der Schülerinnen und Schüler nachvollziehen kann: "Aber Leben ist leider, oder eben zum Glück, Veränderung und insofern stehen wir alle, auch die Schülerinnen und Schüler, vor Herausforderungen. Dass es diese Kinder besonders belasten kann, das mag ich nachvollziehen. Aber wir hatten natürlich auch unsere Sachzwänge, mit denen wir umgehen mussten. Wir hatten keine Alternative zur Schaffung einer Übergangslösung und dann einer dauerhaften Lösung." Die Kreisverwaltung habe das Möglichste getan, um noch eine Immobilie oder ein Gebäude zu finden, in dem die verbleibenden Schülerinnen und Schüler weiterhin gemeinsam unterrichtet werden können. Diese Suche sei aber nicht erfolgreich gewesen und so sei das Übergangskonzept wie es jetzt beschlossen wurde, für ihn als Landrat und die gesamte Kreisverwaltung die beste Lösung.
Fraktionsübergreifende Unzufriedenheit mit beschlossenem Konzept
Alexander Wagner, Vorsitzender des Segeberger Bildungsausschusses, sieht in dem jetzt beschlossenen Konzept nicht die optimale, aber bestmögliche Lösung. Er spricht von einer der schwersten Entscheidungen seiner politischen Laufbahn: "Ich hätte mir gewünscht, dass das Land sagt, es schafft Kompetenzzentren, auch für sozial-emotionale Entwicklung, so wie es in anderen Bereichen auch passiert. Das ist abgelehnt worden und damit müssen wir jetzt umgehen."
Thomas Thedens sitzt für die Freien Wähler im Kreistag und ist auch im Bildungsausschuss. Monatelang hat er sich zusammen mit seiner Fraktion und denen von CDU, Grünen und FDP für den Erhalt der Schule eingesetzt. Am Ende blieb ihnen keine Wahl, als dem Konzept des Landrats zuzustimmen. Dennoch nimmt er die Kreisverwaltung in die Pflicht: "Dieses ganze Problem hätte man 15 bis 20 Jahre vorher lösen müssen. Dann hätte man genug Zeit gehabt, um vielleicht einen Neubau zu organisieren oder ein anderes Gebäude. Das Kernproblem war, dass sich der Kreis als Schulträger mit seinem Erfüllungsgehilfen, der Diakonie, nicht abgestimmt hat und das ist letztendlich das Kind in den Brunnen gefallen."
Neue Schulen stehen vor Herausforderung
Die Schulleiterin der Poul-Due-Jensen-Schule in Wahlstedt, Annette Grosse, sieht in der Aufteilung eine Herausforderung für alle Beteiligten beider Schulen: Mit dem neuen Schuljahr werde es dann eine weitere Schule in einer schon bestehenden Schule geben, sagt sie. Ob die sich dann gut integrieren kann, werde sich zeigen. Chancen sieht sie in den zusätzlichen Lehrerkräften, die sich mit Kindern und Jugendlichen auskennen, die im Regelbetrieb der Schule manchmal untergehen. An der Schule am Kastanienweg ist der Blick in die Zukunft weniger optimistisch: Schülerinnen und Schüler, Lehrer und Eltern sagen, dass sie mit dem Übergangskonzept nicht nur ihre Schule verlieren, sondern auch ihre Gemeinschaft. Wie sich das auf die Kinder und Jugendlichen auswirken wird, zeigen wohl erst die kommenden Schuljahre.