"The Rock" - Radio Helgoland: Erstes Radio ohne Menschen
Seit 100 Jahren bringt das Radio Nachrichten, Musik und Unterhaltung zu den Menschen. Hinter dem Medium standen bislang immer Menschen - auf Helgoland seit Kurzem allerdings eine Künstliche Intelligenz.
"The Rock - Radio Helgoland: Der künstlichen Intelligenz sei Dank!", kündigt die (noch) menschliche Ansage-Stimme von Radio Helgoland das Programm an. Das ist so ziemlich das Einzige, was tatsächlich noch von einer menschlichen Stimme gesprochen und ins Programm eingespielt wird. Radio Helgoland ist für die Insel und die ganze Welt als Webradio gemacht. Aber das ganze findet ohne Reporter, ohne echte Moderatoren statt. Das war früher einmal anders: Radio Helgoland gab es 2017 noch mit echten Menschen, aber dann kamen Corona, ein paar Differenzen und dann waren die Mitarbeiter weg. "Und deswegen war die Frage: Gibt's Radio Helgoland mit KI? Oder gibt es gar kein Radio Helgoland?", sagt Gründer Thore Laufenberg. Er findet das mit Künstlicher Intelligenz schon echt gut.
KI generiert eigene Texte
Die künstliche Intelligenz nutzt er für alle Sendungen. Der Sender ist seit Anfang des Jahres komplett ferngesteuert - aus Laufenbergs Dachgeschosswohnung in seiner neuen Heimat Bremerhaven. Dort kontrolliert der Programmierer "The Rock". Laufenberg hat alles so organisiert, dass die künstliche Intelligenz das Netz nach Begriffen wie "Helgoland", "Meer", "Nordsee", "Ostsee", "Schleswig-Holstein" und ähnlichen Themen absucht, passende Inhalte abgreift und völlig automatisch neue Texte formuliert.
Stimmen der Moderatoren werden durch Stimmengenerator erzeugt
Thore Laufenberg zeigt auf seinen riesigen Monitor: "Das ist hier ist der Stimmengenerator." Er umrandet ein Programm, das er wie alle anderen selbst geschrieben hat: "Das heißt, das hier wird übernommen und dann in eine Stimme gewandelt." Die fünf Moderatoren-Stimmen gehören - bis auf eine - ihm selbst und früheren Kollegen. Aber nichts mehr wird in den Sendungen live von Menschen gesprochen. Nicht mal seine eigene: Die Kollegen und er haben etwa zwei Minuten Text aufgenommen und sie dann der Künstlichen Intelligenz zugeführt - zum Anlernen. Die Stimmen sind alle sozusagen eingescannt. Die geklonten Stimmen "sprechen" dann die KI-Texte aus dem KI-Stimmengenerator live in den Sendungen.
Verstorbener früherer Kollege wieder auf Sendung
Es geht noch einen Schritt weiter: Ein verstorbener Freund und früherer Kollege ist mit Zustimmung der Angehörigen wieder auf Sendung - "Molly". Seine Stimme wurde aus dem Archiv geklont und ist jetzt wieder auf Radio Helgoland zu hören. Einige Helgoländer finden das richtig gut - andere sehen das kritisch. "Also echte Menschen fand ich richtig cool, fand ich nett, fand ich genial. Dass man jetzt so was Fremdes da vor sich hat ... ich merk' den Unterschied nicht", sagt ein Helgoländer. Ein anderer meint: "Radio Helgoland war ja irgendwo ein Aushängeschild hier auf Helgoland. Wenn es jetzt virtuell von drüben gemacht wird, dann muss ich ganz ehrlich sagen: Dann kann man das auch lassen." Und ein Dritter sagt: "Also ich selbst sehe, dass man diese Entwicklung nicht bremsen kann. Solche Entwicklung war noch nie aufzuhalten, aber man muss sie wirklich schon lenken und kontrollieren."
Kontrolle, Urheberrecht und die Zukunft des Radios?
Künstliche Intelligenz ist noch nicht in der Lage, sich selbst zu kontrollieren. Unter anderem wohl auch deshalb, weil es keine Regelungen dafür gibt. An Urheberrechte hält sich Radio Helgoland nach Ansicht von Thore Laufenberg, weil die KI alle Texte recherchiert und umformt. Auch für ihn hat Künstliche Intelligenz viel Für und Wider: "Wir haben 'ne Maschine, die wir um Rat fragen können, mit der wir kommunizieren können. Nicht nur ich, sondern auch Programme. So was hatten wir noch nie und das wird so ziemlich vieles verändern im Vergleich zu dem, was wir bisher so kennen." Das könne eine Menge Jobs kosten, vermutet er. Emotionen zu empfinden oder etwas selbst zu schaffen, was es vorher noch nicht gab - davon sei das KI-Radio aber noch weit entfernt, sagt sein Schöpfer.