Ostsee: Müll der Strände wird zu Mikroplastik
Das Mikroplastik, das an den Ostseestränden Schleswig-Holsteins zu finden ist, entsteht laut einer Untersuchung von GEOMAR und Kieler Uni offenbar zum großen Teil durch Müll am Strand. Die Müllmengen im Meereswasser sind demnach nicht für das meiste Mikroplastik an den Ostseestränden verantwortlich.
Der Schönberger Strand an der Ostsee wirkt auf den ersten Blick sauber. Hier und da steckt ein Zigarettenstummel im Sand, ein Eisstab aus Holz liegt am Wasser, wenige Meter weiter der Rest einer Plastikverpackung - komplett sauber bekommt man einen Strand nicht. Das weiß auch Lars Widder. Er ist der Werkleiter des Tourist-Service im Ostseebad Schönberg (Kreis Plön). Aber er und sein Team tun alles dafür, dass seine fünf Kilometer Strand so sauber wie möglich sind. "Wir lassen den Strand regelmäßig reinigen. Wir haben auch einzelne Teams, die Strandabschnitte ablaufen, drei Mal die Woche, jeden Morgen", erklärt Widder. "Die Müllmengen, die da gefunden werden, sind relativ gering, weil unsere Gäste schon darauf achten, keinen Müll zu hinterlassen." Die Kosten für die Strandreinigung schätzt er auf jährlich 80.000 bis 100.000 Euro.
Erste systematische Untersuchung dieser Art in der Region
Neben dem wenigen sichtbaren Müll gibt es noch eine nahezu unsichtbare Verschmutzung: Mikroplastik. Wie viel das ist und wo es herkommt, das wollten Forscherinnen und Forscher des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel gemeinsam mit der Forschungswerkstatt der Christian-Albrechts-Universität Kiel wissen. 2018 begannen sie, das Thema zu erforschen. Die Ergebnisse haben sie im Fachmagazin Marine Pollution Bulletin veröffentlicht. Es ist die erste systematische Untersuchung zu Müll im Mikro- und Makrospektrum in der Region.
"Wir haben den Eindruck, dass das Mikroplastik vor allem aus dem Müll entsteht, der sich hier an den Stränden befindet. Dass der große Strandmüll zerfällt und sich daraus Mikroplastik bildet", sagt Mark Lenz vom GEOMAR. Es gebe wenig Plastikmüll, der vom Meer an Land komme. Die Ostseestrände seien moderat belastet. Das liege vor allem an den überwiegend westlichen Winden in Schleswig-Holstein, und daran, dass die Ostsee wenig Verbindungen zu den Weltmeeren habe.
Zehn Strände systematisch untersucht
Für die GEOMAR-Studie arbeiteten Forscherinnen und Forscher des GEOMAR und der Kieler Forschungswerkstatt, einer gemeinsamen Einrichtung der CAU und des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) zusammen. Im Frühjahr und im Herbst 2018 untersuchten sie zehn Strände entlang der schleswig-holsteinischen Ostsee - von Flensburg bis in die Lübecker Bucht. Drei Personen sammelten an 100 Meter langen Strandabschnitten systematisch alle Müllteile ein und ordneten sie. Zusätzlich nahmen die Forscherinnen und Forscher Sedimentproben, also Sandproben - und analysierten das darin enthaltene Mikroplastik. Im Durchschnitt fanden sie laut Mark Lenz vier Partikel Mikroplastik in einem Kilogramm Strandsand. "Das klingt erstmal wenig, aber wenn man das hochrechnet auf den Strand, dann sind das schon einige Millionen Partikel," fasst Lenz zusammen. Das Mikroplastik werde nicht weniger, es reichere sich im Sediment an.
"Im Frühling fanden wir zwischen 38 Müll-Teilen in Holnis und 241 in Travemünde. Gut 40 Prozent bestand aus Plastik, fast 35 Prozent aus Papier, Pappe und Zigarettenkippen und 15 Prozent Glas. Im Herbst lag die Bandbreite zwischen 27 Teilen in Holnis und 713 in Schönberg. Papier, Pappe und Zigarettenkippen machten dann mehr als 60 Prozent aus, gut ein Viertel war Plastik und nur 4 Prozent Glas." Mark Lenz
Die Studie sehen die Forscherinnen und Forscher als Datengrundlage. Vergleichbare Erhebungen gab es in Schleswig-Holstein bislang nicht. Werden die Strände in der Zukunft noch mal auf Mikroplastik untersucht, dann gibt es jetzt eine Vergleichsmöglichkeit.
Mikroplastik bleibt im Sand
Das Mikroplastik, das einmal im Sand ist, bleibt, wie Lars Widder betont. Deshalb sei es wichtig, dass nicht mehr dazu komme. "Deshalb gibt es am Strand und auf dem Deich 150 Mülleimer", erklärt er. Ein weiteres Problem seien Zigarettenstummel. Sie enthalten laut Widder viele giftige Chemikalien, die für Strand- und Meereslebewesen gefährlich sein können. Dafür gibt es kleine Dosen als Strandaschenbecher, die in Geschäften und am Strand erhältlich sind. Am einfachsten sei es, so Widder, wenn Menschen erst gar keinen Müll am Strand zurücklassen.