Motorradclub nur für Frauen startet in die Saison
Die Temperaturen steigen, der Sommer kündigt sich leise an und auf den Straßen wird es wieder lauter: Die Biker sind wieder on Tour! Auch die "Kurvenbienen" brettern auf ihren schweren Maschinen durchs Land. Der reine Frauen-Motorrad-Club über teils extreme Unterschiede zwischen Bikerinnen und Bikern.
"Ich habe im Laufe der Zeit auch viele Frauen kennengelernt, die nicht mehr mit Männern gefahren sind, weil sie sich unter Druck gesetzt gefühlt haben. Und das fällt bei uns halt einfach weg. Bei uns wird auf die Schwächste Rücksicht genommen und alle anderen richten sich genau danach", sagt Katta. Katta heißt eigentlich Katharina Plachy und sie ist die Königin der "Kurvenbienen". Ein Motorradverein, bzw. offiziell Motorrad-Stammtisch, nur für Frauen, den sie selbst ins Leben gerufen hat. "Ich habe mir schon immer gewünscht, mal nur mit einer Mädelstruppe zu fahren, hatte aber nicht das nötige Medium, Frauen zu erreichen. Im Radio habe ich dann, aus einer Laune heraus, dazu aufgerufen, dass sich Mädels bei mir melden können."
Das Angebot einer reinen Frauentruppe kam gut an
Das war 2010. Die Resonanz sei groß gewesen. Beim ersten Treffen kamen sechs Frauen, beim zweiten 18 "und plötzlich standen da irgendwie 30 Frauen", lacht Katta. Alle mit schweren Bikes, alle mit der gleichen Vorliebe: Viel PS unterm Po zu haben! Auch Anke Albersmann ist eine der "Bienen", eigentlich sogar die Vize-Biene. Ihre Maschine: Eine Kawasaki; 143 PS; Spitzengeschwindigkeit 263 km/h. "Es ist ein ganz anderes Fahren. Die Frauen fahren rücksichtsvoller. Und auch die Pausen! Ganz anders! Männer sagen in Fahrpausen meist nix, sitzen da wie Stockfische. Und wir Frauen, wir führen eben auch tolle Gespräche, über Dinge, die uns interessieren."
Viel PS und trotzdem kein Fahrstress
Das kann auch Sabine Klatt bestätigen. Auf ihrer 160 PS-starken BMW düst sie zu 98 Prozent nur mit Männern durch die Gegend. Frauen, sagt sie, fahren viel gediegener. Und genau das finde sie an den "Kurvenbienen" genauso reizvoll wie die Gespräche in den Pausen. "Ich fahre gerne mit Männer, nicht falsch verstehen. Aber manchmal hab ich auch Lust, gediegen zu fahren, ruhiger zu fahren. Und nicht immer nur auf Hartgas, wie bei den Männern."
Frauen auf Motorrädern immer noch eine Minderheit
Doch Frauen in der Motorradwelt sind nach wie vor rar gesät. Schwere Bikes und laute Motoren sind nach wie vor eine Männer-Domäne. Und das zeigen auch die Zahlen: So gab es im Januar 2024 in ganz Schleswig-Holstein 336.295 Personen, die einen Motorradführerschein der Klasse A (alle Krafträder und dreirädrige Kraftfahrzeuge) besaßen; davon waren allerdings nur 58.452 Frauen, 277.761 waren Männer.
Motorrad-Kombis von der Stange passen nicht
Vielleicht ist das auch ein Grund, warum viele Frauen bei der Wahl der Sicherheitskleidung nach wie vor noch extra Hürden zu nehmen haben. "Viele Hersteller von Motorrad-Kombis, also der Kleidung für uns Fahrer, haben einfach nur eine Grundkombi. Die ist für Männer. Da wird dann hier und da noch was eingenäht und dann wird es als Frauen-Kombi verkauft", erklärt Katta. "Die meisten Hersteller sind Italienisch und bei denen fehlt offenbar ein Verständnis für den weiblichen Körper. Eine italienische 44 ist eine normale 38. Das passt vielleicht für die "Standard-Frau."
Frauen haben extra Kosten
"Aber wenn man eine große Oberweite oder eine gebärfreudige Hüfte hat, dann passt da gar nichts mehr", meint Katta. Und so müssen sich viele Frauen ihre Sicherheitskleidung extra umschneidern lassen, damit die Kleidung samt Protektoren auch sitzt und alles regendicht und sicher ist. Das sei kostspielig, nervig und könne ruhig mal geändert werden. Doch nicht nur in Sachen Sicherheitskleidung unterscheidet sich die motorradfahrende Frau von dem motorradfahrenden Mann.Viele Männer, so mutmaßt man hier, ticken genetisch einfach anders. Im Leben allgemein und auf dem Bike besonders.
Männer machen öfter Stress
"Also, wenn ein Mann eine Kurve sieht und auf sie zufährt, dann denkt er sich, wie er sich da wohl jetzt super reinlegen kann, wie er die Kurve schnell nehmen kann. Und als Frau, da freue ich mich zwar auch auf die Kurve, aber ich fahre da vorsichtiger ran. Es könnte ja etwas drin stehen. Frauen fahren da irgendwie sicherer", erklärt die Bienenkönigin. Das würden Männer aber anders einschätzen. "Es gibt halt so Männer, die sehen das und fahren dann extra nah an uns auf oder fahren extra Schlangenlinien hinter der Frau. Die machen dann Druck."
Mehr Unfälle durch Männer
Auch in der Unfallstatistik spiegelt sich der Unterschied zwischen motorradfahrenden Frauen und Männern wider: So waren im Jahr 2023 607 Fahrer von Motorrädern über 125 ccm an Verkehrsunfällen beteiligt. In 227 Fällen war der Verursacher männlich, in 65 Fällen weiblich. Die Frauen von den "Kurvenbienen" lassen sich aber von drängelnden oder mundfaulen Männern das Biken natürlich nicht vermiesen. Sie fahren in ihrem eigenen Tempo, schnacken, worüber sie wollen und freuen sich daran, dass über die Jahre ein so toller "Kurvenbienen-Staat" herangewachsen ist, der jedes Jahr aufs neue im Frühling ausschwärmt.