Mölln: Sterben und Wiederbelebung eines Friedhofes

Stand: 20.01.2024 15:50 Uhr

Es entscheiden sich mehr Menschen in Schleswig-Holstein für eine Urnenbestattung. Die klassische Sargbestattung ist nicht mehr angesagt. Das bekommt auch der Friedhof in Mölln zu spüren. Zukunftspläne müssen her.

von Anne Baum

Am Alten Friedhof in Mölln (Kreis Herzogtum-Lauenburg) hängt eine grüne Gießkanne neben dem Behälter für Grünabfälle, eine kleine Engelsfigur mit der Aufschrift „In stillem Gedenken“ lehnt an einer Kugel. Aus der schneebedeckten Wiese ragen nur noch einige Grabstellen.

"Vor rund 20 Jahren sah es hier ganz anders aus", erzählt Pastorin Hilke Lage. Da schmiegten sich Grabstätten noch an Grabstätten. Doch jetzt: viel Leerstand zwischen den Gräbern. Sargbestattungen wie hier seien am Aussterben, beerdigt werde mittlerweile am liebsten in der Urne. Die braucht weniger Platz als Särge – und ist günstiger für die Angehörigen.

Für den Friedhof in Mölln sind diese Leerflächen ein Problem. „Sie kosten uns Geld – weil sie gepflegt werden müssen“, sagt Friedhofsverwalter Johannes Stettner, „dazu kommen steigende Personalkosten und nicht genügend Einnahmen.“ Der Friedhof schreibe rote Zahlen.

Sorgenkind Friedhof: Ein landesweites Problem

Damit ist Mölln nicht allein. Der Landesrechnungshof in Schleswig-Holstein untersuchte zwischen 2016 und 2020 die Wirtschaftlichkeit von Friedhöfen - also von jenen, die von einer Kommune betrieben werden. 2016 fehlten rund 3,5 Millionen Euro, 2020 waren es schon 5,3 Millionen Euro.

Auch die kirchlichen Friedhöfe wie in Mölln nehmen zu wenig Geld ein. Kann ein kirchlicher Friedhof sich nicht mehr selbst finanzieren, dann bezuschusst in der Regel die Kommune. Von 421 kirchlichen Friedhöfen in Schleswig-Holstein wurden 2016 bereits 85 Friedhöfe durch Kommunen bezuschusst. 2019 waren es schon 112 Friedhöfe. „Dieser Trend hat sich vermutlich in den letzten drei Jahren durch die gestiegenen Kosten für Personal, Energie und Verbrauchsmittel weiter fortgesetzt“, vermutet Ulrike Klient vom Landesrechnungshof Schleswig-Holstein in Kiel.

Friedhofsleiter: Ein Friedhof kann nicht pleitegehen

Friedhof Moelln © NDR Foto: Anne Baum
Friedhofsleiter Stettner ist besorgt. Nicht nur steigende Personalkosten machen seinem Friedhof zu schaffen.

Zurück nach Mölln. Bei den Wirtschaftsgebäuden, wo Friedhofsbesucher nicht hinkommen, stehen die Fahrzeuge. Zum Rasen mähen, gießen, streuen oder baggern. Ein Mitarbeiter werkelt gerade am Streufahrzeug. Der Rost hat sich durch den Kessel gebohrt, er verliert zu viel Streumittel. „Eigentlich müssten wir ein neues Fahrzeug anschaffen“, sagt Friedhofsleiter Stettner. Stattdessen wird repariert, bis gar nichts mehr geht.

2022 erwirtschaftete der Friedhof rund 670 000 Euro. Doch die Ausgaben sind mit 687 000 Euro höher. Höchster Kostenfaktor: mit rund 566 000 Euro das Personal, dazu kommen laufende Kosten wie etwa für Strom oder die Bepflanzung.

Drohende Pleite für den Friedhof Mölln? Mitnichten. „Ein Friedhof kann nicht pleitegehen. Er gehört zu einer Körperschaft, also zu einer Kirchengemeinde oder einer Kommune. Er ist nicht insolvenzfähig“, sagt Friedhofsleiter Stettner. Deshalb solle die Stadt höher bezuschussen - statt 20 000 Euro seien rund 100 000 Euro für die Friedhöfe in Mölln nötig.

Bestattungen: Weniger Sarg, mehr Urnen

friedhofmoelln © NDR Foto: Anne Baum
Engel sind im christlichen Glauben Botschafter zwischen Menschen und Gott.

Pflegeleicht und naturnah soll er sein, der zukünftige Bestattungsort. Das ergab eine deutschlandweite Umfrage des Aeternitas Fördervereins Bestattung und Grabgestaltung. Rund ein Viertel gab an, auf einem Friedwald beerdigt werden zu wollen, nur noch 12 Prozent wünschten sich eine klassische Sargbestattung. Auch in Mölln sind mittlerweile 80 Prozent Feuerbestattungen, sagt Stettner. Für die Friedhöfe bedeutet der Wandel der Bestattungskultur weniger Einnahmen durch die Gartenpflege und mehr leere Flächen. Ein Grab für einen Sarg in einer Gemeinschaftsanlage für 25 Jahre kostet 3750 Euro, eine Urne für 20 Jahre nur rund die Hälfte. Und dann gibt es noch die Konkurrenz. Friedwälder wie der Friedwald Fredeburg in der Nähe von Mölln. Er habe sogar schon Banner mit Friedhofswerbung in Stadien hängen sehen, erzählt Stettner. Werbung, die sich ein einzelner Friedhof wie der in Mölln nicht leisten könne.

Wie sich vor allem kirchliche Friedhöfe fit für die Zukunft machen müssen, erforschte Jakob Kühn in der Studie „Friedhof & Leben: eine Pilotstudie zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit kirchlicher Friedhöfe“ der Universität Rostock. „Es gilt, Friedhöfe ästhetisch zu machen, parkähnlich, sodass Menschen hier gerne verweilen“, sagt der angehende Pastor Kühn, „und sie als Sozialräume abseits von Beerdigungen zu stärken – etwa indem dort auch andere Veranstaltungen wie Führungen oder Konzerte stattfinden.“ Ein Patentrezept gebe es jedoch nicht, so funktioniere eine Führung zu den Tieren auf einem Friedhof gut, auf einem anderen interessiere sich niemand dafür.

Wie es funktionieren könnte, zeigen schon einige Friedhöfe in Schleswig-Holstein und in Hamburg. Am Oldesloer Friedhof am Lindenkamp (Kreis Stormarn) wurden zum Beispiel Skulpturen aufgestellt, auf dem Friedhof in Nusse (Kreis Herzogtum-Lauenburg) können jetzt Haustiere und Menschen zusammen bestattet werden. In Hamburg ist eine Kapelle auf dem Ohlsdorfer Friedhof nun Tagungs- und Seminarort.

Neue Ideen für den Friedhof: Reerdigung und Obsthaine

„Wir begleiten Menschen schon immer in Sterbefällen, bei Tod und Trauer“, sagt die Möllner Pastorin Lage, „wir sind quasi Fachleute dafür“. Sie will den Friedhof auch künftig in kirchlicher Trägerschaft weiterzuführen. „Uns ist wichtig, dass die Hoffnung sichtbar wird, dass wir im Leben und Tod geborgen bei Gott sind.“

Ein Grab auf einem Friedhof. © NDR Foto: Anna Baum
Urnen unter Apfelbäumen: beliebter Bestattungsort zum Trauern, aber auch zum Verweilen, Erinnern und Reden.

Also wird auch in Mölln am Friedhof 2.0 getüftelt. Im Februar 2022 fand dort die erste Reerdigung in Europa statt, die Idee eines Berliner Start-up: Der Körper wird in einer Mischung aus Heu, Stroh und Blumen in einer Art Sarg gebettet, Mikroorganismen bauen den Körper ab und verwandeln ihn in Erde. Die Anfragen dafür kommen aus ganz Deutschland. Nur Geld bringt das dem Friedhof erst einmal nicht.

Dafür ist ein neuer Ort für Urnenbestattungen besonders begehrt: der Obstgarten. Jetzt im Winter schaukeln nur die Obstbaumetiketten sachte im Wind und zeigen, wie die Obstbäume zur Ernte aussehen werden. Da ist der "Rote James Grieve", ein roter Sommerapfel, weiter hinten steht ein Pflaumenbaum. Demnächst sollen sich auch die Leerstellen weiter drüben füllen. Dann kommen Buchen für die Urnenbestattungen. Auch mit dem Rollator gut zu erreichen, pflegeleicht und naturnah.

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Ein Blumengesteck auf einem Holzsarg © Mary Stark / fotolia Foto: Mary Stark

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 17.01.2024 | 19:30 Uhr

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