"Mit Drift! Lüüd mit Ideen": Der Mann mit Gitarrenbanjo und Fliegenrute

Stand: 07.03.2024 05:00 Uhr

Das plattdeutsche Format "Mit Drift! Lüüd mit Ideen" begleitet Menschen in Schleswig-Holstein. Es sind Typen, die etwas vorhaben, die Projekte vorantreiben und selbst einen Antrieb haben. Typen wie Thomas Gerri Christiansen.

von Frank Goldenstein

Ihr Proberaum ist gerade mal 15 Quadratmeter groß, aber er liegt direkt am Flensburger Hafen und zwar im Obergeschoss des Volksbad, einem Kulturzentrum am Westufer. Und genau dort treten die fünf Jungs von "Aalkreih" am Donnerstag auf. "Ich bin schon ein bisschen nervös und hab nicht gut geschlafen", gesteht Frontsänger Thomas Christiansen, als er sich seine Gitarre schnappt. Gleich ist Soundcheck. 

Für den 47-Jährigen, den alle nur Gerri nennen, ist das ein besonderer Auftritt. Denn zum einen haben sie hier seit 2019 nicht mehr gespielt, damals noch in anderer Besetzung. Zum anderen hat Gerri hier 22 Jahre gearbeitet, erst als Aushilfe zuletzt als Geschäftsführer. "Früher war ich ja wie so ein kleiner Wachhund. Da war ich bei eigenen Konzerten hier gedanklich halb bei der Arbeit. Trotzdem hab ich hier mit meinen Bands immer gern gespielt. Das war schön. Auf Donnerstag freue ich mich aber so richtig!", gesteht Gerri.

"Aalkreih" seit mehr als zehn Jahren im Geschäft

Die Band "Aalkreih" bei einer Performance auf der Bühne. © NDR Foto: Frank Goldenstein
Seit 2013 spielt Gerri (2. von links) mit seiner Band "Aalkreih" auf der Bühne einen Mix aus Country, Rock und Folk.

Sein Nachfolger stimmt mit ihm und seinen Bandkollegen die Instrumente. Drei Gitarren, ein Bass und ein Schlagzeug müssen harmonieren. Die Band haben Gerri und sein Kumpel Marvin 2013 gegründet. Zuvor haben beiden schon in einer Hardcore-Punk-Band gespielt. Als das Kapitel zu Ende ging, startete Marvin einen Aufruf bei Facebook. "Ich hab ihm gesagt, ich bin dabei. Allerdings unter der Voraussetzung, dass wir auf Plattdeutsch singen. Er hat zugestimmt und so ging das alles los", verrät Christiansen. Er ist gebürtiger Nordfriese, in Bohmstedt aufgewachsen, in Bredstedt und Husum zur Schule gegangen und später für den Job im Volksbad nach Flensburg gezogen.

Werte vermitteln und Spaß haben mit dem Publikum

Drei Alben haben "Aalkreih" in den vergangenen elf Jahren veröffentlicht. Gerri schreibt die Texte. Gerade in den neueren Liedern thematisiert er auch immer wieder seine Heimat Nordfriesland. "Solche Wörter wie Identität und Heimat sind ja heutzutage belegt. Aber aus meiner Sicht sind das Themen, die man nicht denen überlassen sollte, die am lautesten schreien. Das ist wichtig, um dazu einen realistischen und positiven Bezug zu erhalten. Und je älter ich werde, merke ich, die eigenen Wurzeln das ist nicht uninteressant", verrät der Frontsänger. Auf der Bühne wollen die Jungs einfach eine gute Zeit haben und mit ihrem Publikum gemeinsame Erinnerungen schaffen.

Der Familienmensch

Seinen ganz persönlichen Ausgleich zur Musik findet der 1,70 Meter große Musiker beim Surfen und beim Angeln. Letzteres vorzugsweise in der Flensburger Förde vor der eigenen Haustür in Wassersleben oder in der Wiedau, einem kleinen Fluss hinter der deutsch-dänischen Grenze bei Tondern.

Thomas Gerri Christiansen sitzt mit seiner Familie im Wohnzimmer. © NDR Foto: Frank Goldenstein
Vor zwei Jahren haben Gerri und Inken Zuwachs bekommen. Die kleine Luzie bestimmt nun den Familienalltag. Gerri bringt seiner Tochter so oft es geht Plattdeutsch bei.

Zum Surfen hat ihn seine Partnerin Inken gebracht, ebenfalls eine waschechte Nordfriesin. Mit ihr ist er seit 21 Jahren zusammen. Die beiden haben eine kleine Tochter, die zweisprachig aufwächst. Inken gesteht: "Ich glaube, das einzige was für Gerri schwierig war, dass er ein bisschen reduzieren musste. Also ich kenne keinen Menschen, der so viele Hobbys hat, die auch so zeitaufwendig sind. Jetzt muss er ein bisschen mehr priorisieren." Gerri spricht mit seiner Tochter Platt, liest ihr plattdeutsche Bücher vor und hört auf Autofahrten mit ihr plattdeutsche Geschichten. Arbeit, Hobbys und Familienleben unter einen Hut zu bekommen, eine echte Herausforderung.

Ein neuer Job mit neuen Aufgaben

Vor einem Jahr hat Gerri einen neuen Job angefangen, ist jetzt Teil der Festivalleitung der folkBALTICA. Jedes Frühjahr veranstaltet das Organisationsteam ein zehntägiges Festival mit knapp 30 Veranstaltungen in der deutsch-dänischen Grenzregion. Und das an unterschiedlichen Orten. Für Gerri eine echte Umstellung. Denn früher im Volksbad organisierte er zwar auch jedes Jahr um die 100 Konzerte - aber immer am gleichen Ort. In seinem Wohnzimmer kannte er sich aus, fand für jeden Bandwunsch schnell eine Lösung.

Nun muss er Reisen und Unterkünfte für viele Bands, Musikerinnen und Musiker und das festivaleigene Ensemble organisieren. Dazu für die unterschiedlichen Veranstaltungsorte Backstagebereiche, Abläufe und Zuschauerplätze planen. Und nicht zuletzt jedes Jahr mit dem folkBALTICA-Team ein Programm auf die Beine stellen, das die Folkmusik-Fans zu ihren Konzerten lockt.

Das erste Konzert des Jahres

Ein Plakat mach auf die Band "Aalkreih" aufmerksam. © NDR Foto: Frank Goldenstein
Der Bandname "Aalkreih" ist das plattdeutsche Wort für Kormoran.

Sein eigenes Konzert im Volksbad ist an diesem Abend ausverkauft. 190 Besucherinnen und Besucher sind gekommen. Gerri kennt viele persönlich. Auch seine Mutter ist dabei. Als Gerri ein kleiner Junge war und mit seinen Freunden Musik machen wollte, hat sie das Wohnzimmer freigeräumt, als ihr Mann auf Schicht war. Sie selbst ist zu Freundinnen gefahren, um den Krach zu meiden. Die Musik von "Aalkreih" hört sie gern. Wie ihr Sohn mit dem Publikum interagiert, findet sie toll.

Um 22 Uhr treten "Aalkreih" auf die Bühne. Der Bandname: das plattdeutsche Wort für Kormoran. Eine Idee von Gerri, der genau wie der schwarze Vogel immer schwarz trägt. An diesem Abend hat er Jeans und Lederjacke gegen schwarze Chinohose und Anzugweste getauscht, dazu ein schwarzer Hut. Eineinhalb Stunden spielen die fünf Jungs einen Mix aus alten und neuen Songs. Das Publikum kann viele davon mitsingen. Gerri ist nassgeschwitzt und voller Emotionen: "Hammer! Nach fünf Jahren Pause wieder hier im Volksbad zu spielen, das war richtig richtig schön. Und das die Leute so mitgesungen haben, das hat mich echt berührt. Ich bin wirklich selig." Für ihn der Antrieb, um weiterhin Musik zu machen.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 07.03.2024 | 19:30 Uhr

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