Kolumne: Die Macht des Stimmzettels
Am Sonntag pilgern viele von uns zur Wahlurne. Wir denken, wir haben die Wahl. Dabei machen sich einige Wählergemeinschaften ein psychologisches Phänomen zunutze. Unsere Kolumnistin hat sich die Listen mal ganz genau angeschaut.
Morgen öffnen sich die Türen der Vereinsheime, Schulen und anderer öffentlicher Orte, damit hoffentlich so viele wie möglich von uns (Wahlbeteiligung bei der Kommunalwahl 2018: 47 Prozent) hineinschlurfen und abstimmen können. Wenn wir dann in der Wahlkabine stehen, das Zettelchen in der Hand, haben wir (meistens) die Wahl zwischen Parteien, aber auch Wählergemeinschaften. Politisch Interessierte wissen natürlich, wohin sie ihr Kreuz setzen. Die anderen setzen es einfach an den naheliegendsten Ort: nach ganz oben. Ausgefuchste Wählervereinigungen haben dabei ihre Tricks, um ganz an die Wahlzettelspitze zu kommen...
Reihenfolge auf Stimmzettel geht über alles
Ein Kollege schickte mir kürzlich die gesamte Übersicht der zur Auswahl stehenden Wählergruppen. Beim Überfliegen wurde ich stutzig: Welche Logik bitte steht hinter Namen wie "Aktionsgemeinschaft Attraktives Uelsby", der "Abgerückten Aktuellen Wählergemeinschaft" oder der "A-Activen Wählergemeinschaft"? Laut Experten wählen wir eher das, was oben auf dem Stimmzettel steht. Den "Stimmzettel-Positionseffekt", nennt es die empirische Sozialforschung. Der Grund? In der Regel lesen wir Texte von oben nach unten und sind am Anfang konzentrierter als am Ende. Es ergibt also mehr Sinn, sich die "Absolut Allgemeine" als beispielsweise die "Vollständig Vollkommene" Wählergemeinschaft zu nennen.
Erst ein Espresso, dann ein wenig verrückt sein
Und was ist mit den Gemeinden, in denen aufgrund von Freiwilligenmangel nur eine einzige Wählergemeinschaft auf dem Zettel steht? Dort empfehle ich der Bürgervereinigung, sich zukünftig so richtig auszuleben, was die Namensgestaltung angeht - um Stimmzettelplatzierung müssen sie ja nicht mehr konkurrieren. Und mein Tipp für uns Wähler? Ich zumindest werde mir vor Betreten des Wahllokals einen Espresso gönnen, um dann extrem aufmerksam die Augen über den Zettel wandern zu lassen - vielleicht diesmal sogar ganz verrückt von unten nach oben.