Junge Parteien in SH verurteilen rechtsextreme Parolen in Discos

Stand: 26.01.2024 15:30 Uhr

"Ausländer raus - Deutschland den Deutschen!" Was wie Parolen aus der Nazi-Zeit klingt, wird seit Wochen in Diskotheken gesungen. Auch in Schleswig-Holstein gab es offenbar Vorfälle. Nun beginnt die Aufarbeitung.

Es ist ein Party-Klassiker - "L'Amour toujours" von Gigi D'Agostino. 25 Jahre alt ist der Track des italienischen DJs inzwischen und bekommt seit wenigen Wochen ungeahnte Aufmerksamkeit. Dabei ist der Song selbst völlig unverfänglich. Der textlose eingängige Refrain allerdings wird aktuell auf vielen Partys missbraucht. "Ausländer raus - Deutschland den Deutschen!", so bricht es immer wieder aus einigen Partygästen heraus. Zu finden sind unzählige Videos davon auf Social Media-Plattformen wie TikTok. Auch in Pahlen (Kreis Dithmarschen) und Schenefeld (Kreis Steinburg) sollen Party-Gäste in die rechten Parolen eingestiegen sein.

Jung-Parteien nehmen Stellung gegen Rechtsextremismus

Die Jugendorganisationen von CDU, FDP, Grünen und SPD in Dithmarschen haben die ausländerfeindlichen Gesänge scharf verurteilt. Der bedenkliche Vorfall im Pahlazzo in Pahlen vor zwei Wochen zeige Rechtsextremismus und nationalsozialistisches Gedankengut auf, erklärten sie in einer gemeinsamen Stellungnahme. Solche Äußerungen seien inakzeptabel und widersprächen den Grundwerten, für die die politischen Jugendorganisationen stehen würden. Die Dithmarscher Junge Union, die Jungen Liberalen, die Jungsozialisten und die Grüne Jugend Heide rufen dazu auf, aktiv gegen jegliche Form von Extremismus einzutreten. Die Gesellschaft müsse ein Ort der Offenheit, Solidarität und des Respekts bleiben, heißt es in der Stellungnahme.

Plattenteller in einer Diskothek © picture-alliance / ZB Foto: Andreas Lander
AUDIO: Jugendparteiorganisationen distanzieren sich von Disco-Parolen (1 Min)

Die Junge Alternative, die Jugendorganisation der AfD, wurde von den anderen Organisationen nicht für ihre Erklärung angefragt. Die AfD und die Junge Alternative würden ihre Werte und Ziele nicht teilen. Deshalb gebe es auch keine Zusammenarbeit. Auf NDR Anfrage erklärte die Junge Alternative, es handele sich bei den Videoclips um "relativ harmlose Internet-Meme feierfreudiger Jugendlicher." Die Absicht, ernsthafte, pauschal fremdenfeindliche politische Forderungen zu verbreiten, sei nicht erkennbar. Die Junge Alternative sehe vielmehr eine ironische Form, sich über die ausufernde politische Korrektheit "linker Tugendwächter" lustig zu machen. Die Junge Alternative Schleswig-Holstein lehne Extremismus klar und unmissverständlich ab. Sie vertrete das Konzept einer Remigrationspolitik.

Soziologe: "Bilder und Videos sind besorgniserregend"

Für "harmlos" hält Wyn Brodersen die kursierenden Videos nicht. Er ist Soziologe bei der Bundesarbeitsgemeinschaft "Gegen Hass im Netz". Die Bilder und Videos seien besorgniserregend, sagte Brodersen NDR Schleswig-Holstein. Es würden Parolen verbreitet, die man nur von Rechtsrock-Konzerten oder organisierten Neonazi-Aufmärschen kenne. Dass diese Parolen sich nun in den Diskotheken und Sozialen Medien verbreiten, sei besonders erschreckend. Hier werde Anschluss an die Mitte der Gesellschaft gesucht, das sei brandgefährlich.

"Rechtsextreme Strategien suchen nach Anschlussmöglichkeiten"

Grenzüberschreitungen, wie die rechten Disco-Parolen, sind laut Brodersen darauf angelegt, dass andere Menschen darauf reagieren. Nur so entstünden virale Trends, erklärt der Soziologe. Rechtsextreme hätten schon immer versucht, ihre ideologischen Überzeugungen unter die Leute zu bringen. Früher sei es die "Schulhof-CD" gewesen. Heute hätten sie durch die Sozialen Medien "eine Standleitung" zur gesamten Gesellschaft, dadurch falle die Verbreitung leichter. Wichtig sei es, Zivilcourage zu zeigen. Im Fall der Disco-Gesänge, solle man sich beispielsweise an den Betreiber wenden, damit solche Videos gar nicht erst entstehen, meint Brodersen.

DJ: "Ich spiele den Song erstmal nicht mehr"

Eine der Diskotheken, in denen die "Ausländer raus"- Gesänge angestimmt worden sein sollen, ist die MC Event-Halle in Schenefeld. Am DJ-Pult in diesem Moment: Michael Carstens. Seit 20 Jahren macht er den Job, spielt auch Gigi D'Agostino gerne. So auch am 20.01.2024. Von den Parolen habe er nichts mitbekommen, weil die Musik am Pult dafür zu laut gewesen sei. "Der Song wird jetzt von Rechtsradikalen gekapert, die ihn für ihre Propaganda jetzt auch in Diskotheken nutzen", sagte Carstens NDR Schleswig-Holstein. Er will "L'Amour toujours" deshalb vorerst nicht mehr spielen, um nicht zu provozieren, dass Gäste erneut mitgrölen. Veranstalter, Sicherheitsdienst und andere Beschäftigte sollten künftig ein Ohr darauf haben, was die Gäste mitsingen, schlägt der DJ vor. Aber auch Gäste sollten aufmerksam sein und im Falle des Falles, das Personal oder die Polizei informieren.

Staatsanwaltschaft ermittelt

Die mutmaßlichen Vorfälle in den Diskotheken in Pahlen und Schenefeld beschäftigen inzwischen auch die Ermittler. Bei der Staatsanwaltschaft Itzehoe liegen die entsprechenden Akten nun vor. Sie ermittelt wegen des Verdachts der Volksverhetzung gegen Unbekannt.

Weitere Informationen
Menschen feiern in einer Disco in Schleswig-Holstein. © NDR

Rechtsextreme Parolen in Discos: Staatsanwaltschaft ermittelt

In Diskotheken in Pahlen und Schenefeld ausländerfeindliche Parolen gesungen worden sein. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 24.01.2024 | 17:00 Uhr

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