Der Gast muss glücklich sein: Ein Tag in einem Travemünder Hotel
In den Hotels im Binnenland ist die Zeit zwischen den Jahren eine ruhige Zeit. Nicht so an den Küsten und an den klassischen Urlaubsorten. Auch im Maritim Strandhotel in Travemünde ist viel los.
Die an der Rezeption wissen: gleich kommt der Ansturm. Alle abreisenden Gäste müssen bis 11 Uhr auschecken. "Die meisten zögern das bis zuletzt hinaus", sagt Stefan Voigt. Er ist seit 32 Jahren Rezeptionist im Maritim Strandhotel Travemünde und seit 18 Jahren Abteilungsleiter. "Ich habe hier schon alles erlebt: verlorene Kinder, verlorene Ehemänner, verlorene Frauen, das Auto ist geklaut, obwohl es in der Tiefgarage steht. Es gibt hier alles", erzählt er. Die einen wollen jetzt noch schnell ihren Koffer im Nebenraum zwischenparken; Gäste, die noch bleiben, wollen die "Lübecker Nachrichten" lesen. Die Zeitung ist aber heute nicht gekommen. Enttäuschung. Herr Voigt tröstet: "Morgen wieder". Dann erklärt er: "Immer freundlich sein, immer fröhlich. So musst du deinen Job machen, jeden Tag." Auch seine Kollegin, eine Auszubildende, stahlt die Gäste an. Stefan Voigt ergänzt: "Sonst bist du falsch in diesem Job".
Enger Kontakt zu Gästen wichtig
Ein Ehepaar strahlt. Gästebetreuerin Anja Hübner fragt nach: "Wie geht es Ihnen heute?" Die Antwort des Paares: "Wir haben heute 34. Hochzeitstag." Allgemeine Begeisterung. Anja Hübner fragt nach, die Gäste erzählen. "Ich bin für die Bespaßung der Gäste da", sagt sie. Ein enger Kontakt zu den Gästen ist ihr wichtig, vor allem zu den Stammgästen. "Das liegt mir im Blut". Sie hat Hotelfachfrau gelernt. Wegen ihrer Kinder war sie lange raus, hat dann ein Fitnessstudio geleitet. Seit zweieinhalb Jahren arbeitet sie hier, ist die Schnittstelle zwischen den Gästen und allen Abteilungen. "Unser Auftrag ist, dass die Gäste hier glücklich sind."
11 Uhr. Es hat sich eine Schlange vor der Rezeption gebildet. 83 Gäste reisen heute ab. Nicht alle muss Anja Hübner persönlich verabschieden. Aber viele. Dann ist sie zum Teil in sehr persönliche Gespräche vertieft. "Das ist auch mal ein bisschen traurig", sagt die Gäste-Betreuerin. "Aber ich weiß: Viele kommen wieder."
Silvester-Thunfisch muss noch gefangen werden
Im Konferenzraum "Würzburg" treffen sich jeden Tag ebenfalls um 11 Uhr die Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleiter. Auch Hoteldirektor Thomas Liedl und Anja Hübner sind dabei. Alle erstatten Bericht und bringen sich gegenseitig auf den neusten Stand. Heute geht es auch um die Planungen für Silvester. "Mit dem ganzen Thunfisch sieht es derzeit noch gut aus" , erzählt Küchen-Direktor Christian Pagel. Er hat beim Hochseefischer bestellt. "Der Fisch muss erst mal gefangen werden. Und deswegen sind wir im ständigen Austausch. Bis jetzt haben wir noch grünes Licht." Im Notfall gibt es Steinbutt. Zuchtfisch. "Auch lecker", findet er.
Putzen für die neuen Gäste
Während der erste Schwung an Gästen abreist und sich die Hotel-Lobby langsam leert, wird in den Fluren auf den 13 Stockwerken des Hotels schon gewirbelt. 14 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten heute im Zimmer-Service: Betten abziehen und frisch beziehen, die Minibar auffüllen, saugen, Staub wischen, Bad putzen. Nicht immer haben die Gäste die Zimmer so gut hinterlassen wie dieses, erzählt Manuela Kuhnt. "Es gibt auch mal Schlimmeres weg zu machen," sie lacht, "Man hat sich daran gewöhnt."
Jedes Zimmer machen sie zu dritt. Dann geht es schneller. Ab 15 Uhr kommen schließlich die neuen Gäste. 94 sind angemeldet. Julia Friburg ist Aushilfe und wird immer wieder angefordert, wenn Not an der Frau ist. Vor Jahren hat sie hier gelernt, hat sich dann beruflich neu orientiert. Jetzt hilft sie in Ferienzeiten und an den Wochenenden. Dann, wenn die anderen auch mal frei haben möchten. "Es macht mir immer noch Spaß", sagt sie und lacht. Ohne Aushilfen kommt auch das Maritim Strandhotel Travemünde nicht aus. Derzeit sucht das Haus vier Hotel-Fachkräfte und fünf Azubis. Anja Hübner steckt den Kopf durch die Tür: "Kann ich hier schon mal die Karte für die neuen Gäste und zwei kleine Geschenke ablegen?" Kann sie. Das Zimmer ist fertig.
Beschwerden über laute Möwen
Nörgler, die gäbe es auch, bestätigt Anja-Hübner. "Die beschweren sich bei mir dann darüber, dass die Möwen zu laut sind oder der Wind." Auch für schlechtes Wetter werde sie manchmal verantwortlich gemacht. Das sei dann zwar im Scherz gemeint, aber wenn das Wetter schlecht ist, sind auch manche Gäste schlecht drauf. Anja Hübner begegnet der schlechten Laune mit Humor. Ihr Spitzname ist deswegen "Sonnenschein". Den habe ihr ihr Chef verpasst, sagt sie und lacht. "Wenn die Laune schlecht ist, versuche ich Sonnenschein zu verbreiten." Jetzt muss sie los, einem Gast einen Kamillentee bringen. "Ihr Mann hat mir heute Morgen erzählt, dass sie krank ist." Auf dem Flur wird sie gleich von einer anderen Dame abgepasst: "Können Sie mir helfen? Ich bekomme die Espresso-Maschine nicht in Gang." Klar helfe sie dann, sagt Anja Hübner. Auch das gehöre zu ihren Aufgaben. "Alle sollen sich wohl fühlen."
Einige Gäste sind alte Bekannte
15 Uhr. Die neuen Gäste kommen. In der Küche arbeitet ein Team aus 14 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf Hochtouren. Sie bereiten das Büfett für den Abend vor. Im Restaurant decken die Service-Kräfte schon mal die Tische ein. Und an der Rezeption geht alles von vorne los: Gäste einchecken, ihnen die richtigen Zimmer zuweisen. Auch Anja Hübner ist da und begrüßt die Gäste. Ein etwa zwölf Jahre alter Junge stürmt auf sie los und umarmt sie fest. Der Vater begrüßt sie herzlich. Ahmet Özgür lebt mit seiner Familie im Harz und kommt seit 2010 regelmäßig. "Es ist verrückt, aber dieses Jahr sind wir schon zum achten Mal hier. Wir fühlen uns einfach wohl." Das Hotel sei wie ein zweites Zuhause, erzählt er, "Mir fehlt eigentlich nur der Schlüssel."
Anja Hübner ist gleich noch beim Gäste-Programm mit dabei. Heute gibt es einen Vortrag: "50 Jahre Maritim-Hotel". 30 Gäste haben sich angemeldet. Und Stefan Voigt von der Rezeption macht Feierabend. Morgen ist er um 7.30 Uhr ist er wieder da.