Dawn Patrol Kiel - zusammen in den Sonnenaufgang radeln
Jeden Freitag pünktlich um 5.30 Uhr schwingt sich die Dawn Patrol an der Kieler Reventloubrücke auf ihre Fahrräder. Was als Idee einer kleinen Gruppe angefangen hat, zieht mittlerweile teilweise über 100 Radler an.
Es ist noch nicht viel los auf Kiels Straßen. Die Dämmerung zieht gerade erst herauf, letzte Partygäste schlendern in Richtung ihrer Betten und Möwen räumen in aller Ruhe die vollen Mülleimer aus. Normalerweise würde auch Robin Feder um 5 Uhr morgens noch im Bett liegen. Jeden Freitag allerdings ist er dann schon mit seinem Rennrad auf dem Weg an die Kiellinie. Über 70 andere Frühaufsteher treffen sich freitags hier, um zusammen in die Pedale zu treten. Die Strecke ist immer die gleiche: Am Wasser entlang, über die Holtenauer Hochbrücke Richtung Neuwittenbek, über Felm nach Altenholz (alle Kreis Rendsburg-Eckernförde) und wieder zurück über den Kanal. Rund 50 Kilometer in eineinhalb Stunden.
Dawn Patrols gibt es in vielen Städten weltweit
Dawn Patrol nennen sie sich - angelehnt an vergleichbare Gruppen in vielen anderen Städten weltweit. Kennengelernt hat Robin eine solche Gruppe in seinem Auslandssemester in Oslo. Zurück in Kiel beschloss er 2020 zusammen mit ein paar Freunden, so eine regelmäßige Morgentour auch hier zu starten. Über soziale Netzwerke machen sie auf sich aufmerksam. "Wir haben damit gerechnet, dass vielleicht 20 Leute kommen oder so", erinnert sich Robin. Doch durch Corona seien viele aufs Rad umgestiegen - und so hätten sie wohl einen Nerv getroffen, vermutet der 36-Jährige. "Dann ging es ganz schnell los, dass wir 40, 50 oder 60 Leute waren. Und jetzt sind wir regelmäßig über 100 Leute, die morgens zusammen fahren."
Gruppe wird in Zehnergruppen unterteilt
Von Mitte April bis Ende Oktober fährt die Dawn Patrol einmal pro Woche. Nur bei starkem Regen fällt die Tour aus. Interessierte müssen sich vorab online für die Tour anmelden. Gefahren wird dann in Zehnergruppe. Ein System aus der Corona-Zeit, als man nur zu zehnt draußen Sport machen durfte. Doch das System hat sich bewährt und besteht bis heute. "Wir haben ganz schnell festgestellt, dass es gut funktioniert, in diesen Zehnergruppen zu fahren - einfach aus Sicherheitsgründen."
Einerseits sei es ein bisschen entspannter, wenn die Gruppe nicht zu groß ist. Und andererseits könnten Autos die Gruppe so leichter überholen. Pausen gibt es keine. Wer einen Platten hat, kümmert sich selbst darum und muss dann schauen, ob er den Anschluss an die Gruppe wiederfindet. "Es gibt Ausfahrten, da sagen wir ganz klar: Wir warten nicht. Dazu gehört die Dawn Patrol morgens tatsächlich auch. Weil ein Erfolgsfaktor ist für die Teilnehmenden, dass sie sicher sind, wann sie wieder in der Stadt sind und sie dann auch wieder in ihren Alltag starten können", erklärt Robin.
Erste Panne auf der Hochbrücke
Um Punkt 5.30 Uhr geht es los. Nacheinander schwingen sich die Gruppen auf die Räder und geben gleich Gas. Am Tag zuvor war Vatertag, entsprechend viele Scherben zieren noch die Straßen und Wege. Das hat Folgen: Bereits kurz nach dem Start, mitten auf der Holtenauer Hochbrücke, hat Robin einen Platten. Er schert aus und flickt das Loch schnell notdürftig. Dann schwingt er sich wieder in den Sattel und schaltet seinen Kopf wieder aus. "Für mich ist das tatsächlich abschalten. Den Kopf frei bekommen, Alltag ausblenden. Wenn man in der Gruppe unterwegs ist, natürlich gute Gespräche haben, Freunde treffen. Aber es ist auf jeden Fall viel abschalten und die Landschaft genießen."
Durch Rapsfelder und grüne Wiesen
So geht es den meisten hier. Viel Verkehr ist auf den Straßen noch nicht, so können sich alle mehr auf sich und die schöne Strecke konzentrieren. Zwischen Rapsfeldern durch, Alleen entlang, den frischen Fahrtwind im Gesicht, akustisch untermalt von Vogelgezwitscher.
Wieder schert ein Fahrer aus. Auch er hat einen Platten. Doch auch dieses Loch ist schnell geflickt. Noch Luft nachpumpen und dann geht es nach wenigen Augenblicken schon weiter, den anderen hinterher. Um kurz nach sieben Uhr kommt die Dawn Patrol wieder an der Kiellinie an.
Vom Fahrrad hinter den Café-Tresen
Ein Teil der Fahrradfahrerinnen und -fahrer machen sich gleich auf den Weg nach Hause oder direkt zur Arbeit. Manche schließen sich aber noch Robin im Café an. Sein Fahrrad lehnt er dort einfach an und geht - noch mit Helm auf dem Kopf - direkt zur Kaffeemaschine hinter dem Tresen. Denn jetzt beginnt sein eigentlicher Job. Er leitet das kleine Café in der Eggerstedtstraße. Tasse für Tasse füllt er seinen Fahrradkolleginnen und -kollegen Cappuccino, Filterkaffee oder heiße Schokolade ein. Dazu gibt es Croissants oder Kuchen. Die Plätze sind schnell alle besetzt. An allen anderen freien Stellen stehen Fahrräder und liegen Helme. Es wird geschnackt und viel gelacht. Erst als die Schlange durch ist, nimmt Robin seinen Helm ab, schenkt sich Kaffee ein und setzt sich zu den anderen an den Tisch.
Touren auch für andere Fitnesslevel
Weil die Dawn Patrol so gut ankommt, gibt es mittlerweile noch mehr Touren, auch für andere Fitness-Level und zu anderen Uhrzeiten. Das gemeinsame Fahren verbindet. "Wir sind so ein bisschen in eine Lücke reingegangen für Leute, die nicht in einen Verein wollen. Die einfach so lose bei Ausfahrten dabei sein wollen, ohne sich zu verpflichten", sagt Robin. Mittlerweile stehen 16 Personen als festes Team hinter der Dawn Patrol: Fahrten planen und organisieren, Ansprechpartner während der Fahrt sein, Social Media bespielen und mehr.
Die Dawn Patrol rund um Robin und seine Freunde hat ihren festen Platz in der Kieler Fahrradcommunity gefunden. Denn auch wenn Fahrradfahren eigentlich ein Individualsport ist - zusammen macht es einfach mehr Spaß.