Moderne Kasse statt Geldkassette? Händler streitet mit Amt
Seit vier Jahren erlegt das Finanzamt Osnabrück einem Weinhändler immer neue Vorschriften auf - wie es aussieht: zu Unrecht. Das Landesamt für Steuern brachte das Finanzamt nun zum Schweigen.
Wer in Rolf Kaisers Weinhandlung in Osnabrück steht, könnte sich in die 1960er-Jahre zurückversetzt fühlen - Telefon mit Wählscheibe, nostalgische Schilder an den Wänden. Der Kassenbereich besteht aus einem einfachen runden Tisch mit Schublade. Darin liegen eine Geldkassette und ein kleines, blaues Büchlein. Kaisers Kassenbuch. Hier trägt er jeden Tag seine Verkäufe ein. 40 Jahre macht er das schon so. "Ich liebe diese Direktheit und Einfachheit, in eine Geldkassette zu greifen wie Dagobert Duck", sagt Kaiser.
Viele Läden haben noch offene Kassen
Die Frage "bar oder mit Karte" ist nicht nur bei Konsumenten oft eine Frage der Überzeugung - auch bei den 200.000 Gewerbetreibenden in Niedersachsen. Eine offene Ladenkasse wie Kaisers Geldkassette haben noch gut 50.000 Betriebe, wie das Landesamt für Steuern weiß. Meist kann man dort dann auch nicht mit Karte bezahlen. Das ist erlaubt. Trotzdem bekam Weinhändler Kaiser Post vom Finanzamt.
Weinhändler wehrt sich gegen moderneres Kassensystem
Vor vier Jahren wollte das Finanzamt Osnabrück den 69-Jährigen dazu verdonnern, sein geliebtes handschriftliches Büchlein gegen ein hochmodernes Kassensystem zu tauschen. "Das System wäre für mich vor allen Dingen ein sehr aufwendiges System", sagt Kaiser. Wenn jemand schon einen Computer oder ein Smartphone habe, sei so etwas natürlich leicht einzurichten. "Für den ist es ein selbstverständlicher Schritt", findet Kaiser. "Für mich ist es aber ein großer Schritt und ein erheblicher Aufwand. Und nicht nur finanziell, sondern auch ein zeitlicher Aufwand."
Auch ein Eimer darf eine Kasse sein
Kaiser wehrte sich - und das auch zu Recht, betont Ralf Thesing vom Bund der Steuerzahler. Vorgaben, wie eine Kasse auszusehen hat, gebe es nicht. "Das kann ein Eimer sein - das ist eine offene Ladenkasse", sagt Thesing. Daneben müsse man allerdings einen Kassenbericht führen und den Anfangsbestand wissen. Am Abend zählt man dann, wie viel eingenommen wurde und erfasst den Endbestand. "Das läuft aber unabhängig davon, ob das nun eine Metallkassette ist, ein Eimer oder ein Schuhkarton."
Weinhändler bekam wieder Post vom Finanzamt
Rolf Kaiser durfte seine Kasse weiterführen. Vorerst. Vor ein paar Wochen kam ein neues Schreiben vom Finanzamt Osnabrück - und damit neue Auflagen. Nun soll Kaiser von allen Käufern deren Namen und Adressen notieren. Für Kaiser völlig absurd: Wenn er etwa einer neuen Kundin neulich gesagt hätte, sie solle nach dem Weinkauf noch ihren Namen und ihre Adresse hinterlassen - "was hätte sie dann gesagt?", fragt Kaiser und fügt mit Blick auf die Auflage des Finanzamts an: "Das ist unglaublich."
Finanzamt Osnabrück schweigt
Vom Finanzamt Osnabrück wollte sich niemand zu dem Fall äußern. Die Behörde verwies an das Landesamt für Steuern. Dieses schrieb auf Anfrage des NDR: "Allgemein bleibt festzuhalten, dass ein Einzelhändler beim Warenverkauf grundsätzlich keine Kundennamen oder Kundenadressen notieren muss." Rolf Kaiser hat nun einen Anwalt eingeschaltet. Er will sich gegen das Finanzamt wehren.