Sollte der Klimawandel ein anerkannter Fluchtgrund sein?
In Osnabrück hat die Flüchtlingsorganisation Exil e.V. jetzt eine Ausstellung mit dem Titel "Fluchtgrund Klimawandel" eröffnet. Bislang ist der Klimawandel im Asylrecht kein anerkannter Fluchtgrund.
Aber es gibt durchaus Gruppen, die angesichts der Klimakatastrophe genau das fordern. "Darüber muss diskutiert werden", sagt zum Beispiel Therese Sextro von Exil. Aber wie realistisch ist das? Was spricht dafür? Was dagegen?
NDR.de sprach darüber mit dem Migrationsforscher Jochen Oltmer von der Universität Osnabrück.
Welche Rolle spielt der Klimawandel momentan als Fluchtgrund?
Prof. Jochen Oltmer: Das wissen wir so genau nicht. Es gibt viele Vermutungen, aber wenig ganz konkrete Zahlen. Es ist zu erwarten, dass sich nach Umweltkatastrophen, wie Überschwemmungen, Millionen Menschen auf den Weg machen müssen.
Warum ist das problematisch, dass der Klimawandel nicht als Fluchtgrund anerkannt ist?
Oltmer: Das ist problematisch, weil zwar die meisten Menschen, die vor solchen Umweltkatastrophen fliehen im eigenen Staat bleiben, aber es gibt immer wieder Fälle, in denen Staatsgrenzen überschritten werden. Und dann fehlt eine rechtliche Grundlage für den Schutz dieser Menschen. Das heißt es gibt keine Möglichkeit, sie als Flüchtling anzuerkennen und sie mit finanziellen Leistungen zu unterstützen.
Wie stehen denn die Chancen, dass der Klimawandel als Fluchtgrund anerkannt wird?
Oltmer: Es ist ein wichtiges politisches Thema. Aber das ist sehr schwierig. Das Problem ist, dass sich die Staaten bislang nicht einigen konnten und sich auch nicht einigen können werden. Eine Möglichkeit wäre, die Genfer Flüchtlingskonvention zu ergänzen. Aber diese Genfer Flüchtlingskonvention ist ohnehin schon sehr stark in der Kritik, gewissermaßen auf dem Rückzug. Und jetzt diese Regelung aufzubohren, das wagt im Moment niemand. Außerdem kann man nur mit Mühe ausmachen, ob der Klimawandel oder die Umweltveränderung der einzige Grund für eine Bewegung ist. Das hängt oft mit Krisen, Kriegen und ökonomischen Veränderungen zusammen. Auch ganz wichtig: Das Flüchtlingsrecht ist auf eine politische Verfolgung des Individuums ausgelegt. Aber bei einer Umweltveränderung können Sie keinen Verfolger ausmachen. Wer wäre etwa bei einer Überschwemmung der Verfolger?
Wäre es denn gut, wenn der Klimawandel ein anerkannter Fluchtgrund wird?
Oltmer: Einerseits ja. Denn es gibt Menschen, die in diesem Zusammenhang Schutz brauchen. Und das werden auch mehr. Da muss man nur an die "sinking islands" denken, die versinkenden Inseln. Anderseits finde ich es wichtig, auch über die zu sprechen, die zurückbleiben müssen. Denn sehr viele Menschen sind in der Situation der Umweltkatastrophe gefangen und haben gar nicht die Mittel für eine Flucht.
Das Interview führte Susanne Schäfer, NDR.de