"Sehr emotional": Forscher trifft Nachfahrin von Nicolaus Lütkens
Der Oldenburger Historiker Lucas Haasis hat die "seltene Gelegenheit" bekommen, die Nachfahrin des Hamburger Kaufmanns Nicolaus Gottlieb Lütkens kennenzulernen. Dabei war die Suche nach Verwandten lange erfolglos.
Lucas Haasis ist Historiker, er forscht und lehrt an der Universität Oldenburg. Im Rahmen des Projekts "Prize Papers", das in Zusammenarbeit mit dem Londoner Nationalarchiv Gerichtsdokumente aus der Zeit zwischen 1652 und 1815 digitalisiert und zugänglich macht, hat er 300 Jahre alte Briefe des Hamburger Kaufmanns Nicolaus Gottlieb Lütkens entdeckt. Auf der Suche nach möglichen Nachkommen des im 18. Jahrhundert lebenden Kaufmanns wurde er dann selbst gefunden. NDR.de hat mit ihm über seine überraschende Begegnung mit der Londonerin Jane Luetkens gesprochen.
Herr Haasis, wann sind Sie auf die Dokumente von Nicolaus Gottlieb Lütkens gestoßen?
Lucas Haasis: Die Briefe des Kaufmanns habe ich schon vor über zehn Jahren in London gefunden. Daraufhin habe ich meine Dissertation dazu geschrieben, die ich in dem Buch "The Power of Persuasion. Becoming a Merchant in the 18th Century" veröffentlicht habe. Im vergangenen Jahr ist das Buch nochmal in Open Access (Anm. d. Red. freier Zugang zu wissenschaftlichen Texten) erschienen. Dadurch wurde es etwas mehr publik.
Sie haben auch nach möglichen Nachfahren des Kaufmanns gesucht. Wie lief diese Suche?
Haasis: Ich habe jahrelang nach den Nachfahren gesucht, schriftlich, im Archiv, sogar über das Radio, aber kein Glück gehabt. Meine Suche zielte dabei in den letzten Jahren vor allem in Richtung Deutschland, in Großbritannien habe ich gar nicht gesucht. Und dann hat mich im Sommer letzten Jahres einfach aus dem Nichts eine gewisse Jane Luetkens aus London kontaktiert. Sie hatte mein Buch gefunden, gelesen und sich dann bei mir gemeldet. Sie war dabei sehr aufgeregt, sagte sie mir damals. Und ich dann natürlich auch.
Wer ist Jane Luetkens?
Haasis: Jane ist quasi die letzte Nachfahrin mit dem echten Namen ihres Vorfahren: Luetkens. Was ein Glück! Sie lebt heute im Londoner Stadtteil Wimbledon - also gar nicht so weit weg vom Nationalarchiv. Seit sie mich das erste Mal kontaktiert hat, sind wir im engen Austausch per E-Mail. Auch mit weiteren Verwandten, die aber nicht mehr Luetkens heißen, hatte ich Kontakt.
In welchem Verwandtschaftsverhältnis steht Jane Luetkens zu dem Hamburger Kaufmann Lütkens?
Wenn wir richtig gerechnet haben, müsste Nicolaus Gottlieb Lütkens, der 1716 geboren wurde, der Groß-Groß-Groß-Großvater von ihr sein. Die Familie des Kaufmanns hat bis Gerhart Luetkens, Janes Großvater, in Hamburg gelebt, musste dann aber wegen der Nationalsozialisten nach England fliehen. Dabei konnten sie ein paar Wertgegenstände mitnehmen - darunter auch den originalen Siegelstempel von Nicolaus Gottlieb Lütkens, den sie diese Woche ins Nationalarchiv mitgebracht hat. Dort haben wir uns auch das erste Mal persönlich getroffen.
Wir war es für Sie, Jane Luetkens kennenzulernen?
Haasis: Für uns beide war es sehr emotional. Für Historiker ist es ein sehr besonderer Moment und auch sehr selten, dass wir die Gelegenheit bekommen, mit echten Nachfahren zu sprechen. Und für Jane ist es natürlich aus vielen Gründen sehr besonders - plötzlich sind da über 2.400 Briefe ihres Vorfahren, das ist schon überwältigend.
Wie geht es jetzt weiter? Sehen Sie sich wieder?
Haasis: Ja! Jetzt planen wir, dass Jane auch einmal nach Hamburg kommt. Dort wird im Museum für Kunst und Gewerbe die "Bel Etage" von Lütkens ausgestellt. Und im Rathaus hängt sein Porträt.