"Endlager für Müll": Woher stammt das Plastik in der Arktis?

Stand: 07.02.2023 09:04 Uhr

Touristen haben über Jahre Plastik an den Stränden der Arktis gesammelt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Bremerhaven haben diesen Müll danach untersucht - mit alarmierenden Ergebnissen.

Jedes dritte eindeutig identifizierbare Stück Abfall stammt demnach aus Europa, etwa acht Prozent des Mülls kommt aus Deutschland, teilten das Alfred-Wegener-Institut (AWI) und das Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung mit. Meeresströmungen und Flüsse tragen den Ergebnissen ihrer Studie zufolge Müll aus der ganzen Welt in die Arktis. "Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass selbst reiche und umweltbewusste Industrienationen wie Deutschland, die sich ein besseres Abfall-Management leisten könnten, signifikant zur Verschmutzung ferner Ökosysteme wie der Arktis beitragen", so Melanie Bergmann, eine der drei Autorinnen der Studie.

Plastik im Meer: Touristen sammeln und sortieren 1,62 Tonnen Müll

Menschen sammeln Plastikmüll in der Arktis. © Alfred-Wegener-Institut Foto: Birgit Lutz
Arktis-Touristen sammelten fünf Jahre lang Müll an den Stränden von Spitzbergen.

Für die Studie haben Arktis-Touristen über fünf Jahre immer wieder Müll an den Stränden von Spitzbergen eingesammelt und sortiert. "Citizen Science" ermöglicht es interessierten Bürgerinnen und Bürgern, bei wissenschaftlichen Forschungen zu helfen. In diesem Fall kooperierte das AWI mit touristischen Anbietern von Arktisreisen. Die teilnehmenden Touristen sammelten insgesamt 1,62 Tonnen Müll. Wichtig beim Sortieren: Nur Müll mit noch lesbaren Aufschriften oder Einprägungen wurde später analysiert.

Endlager Arktis: Müll aus der ganzen Welt gefunden

Plastikmüll liegt nach Ursprungsländern geordnet auf einem Tisch. © Alfred-Wegener-Institut Foto: J. Hagemann
Aus dem gesammelten Müll lasen Touristen Teilchen heraus, die noch lesbare Aufschriften oder Einprägungen hatten.

Der Großteil des Mülls stammte von der Fischerei, ließ aber kaum Rückschlüsse auf seine Herkunft zu, wie Co-Autorin Anna Natalie Meyer erläuterte. Aus den 23.000 gesammelten Einzelteilen lasen die Touristen jene Teilchen heraus, die noch lesbare Aufschriften oder Einprägungen hatten. Das war bei einem Prozent der Fall. Der Großteil des untersuchten Mülls war aus Plastik: 80 Prozent. Die meisten Teilchen stammten laut AWI aus den Anrainerstaaten der Arktis, insbesondere aus Russland und Norwegen. Aber auch aus weit entfernten Ländern wie China, Brasilien, den USA und Deutschland wurde Müll gefunden.

Deutschland als Europameister bei Plastik-Produktion und Müllexporten

Ein Segelschiff in der Arktis. © Alfred-Wegener-Institut Foto: Birgit Lutz
Auch von Schiffen gelangt lokal Plastikmüll ins Meer.

"Von Schiffen und aus arktischen Siedlungen gelangt lokal Plastikmüll ins Meer", erklärte Meyer. "Aus der Ferne wird Plastikmüll und Mikroplastik über zahlreiche Flüsse und über Ozeanströmungen aus dem Atlantik, der Nordsee und dem Nordpazifik in den Arktischen Ozean transportiert." Woher aber genau diese Abfälle stammen, sei vor der AWI-Studienicht bekannt gewesen. Dass anteilig so viel Müll aus Deutschland kommt, habe die drei Autorinnen der AWI-Studie nicht überrascht: "Vor dem Hintergrund, dass Deutschland Europameister sowohl in der Plastik-Produktion als auch in Müllexporten ist, erscheint dieser verhältnismäßig hohe Beitrag weniger verwunderlich", sagte Melanie Bergmann. 

Die Arktis: Eine Art "Endlager für Müll"

Ein Ergebnis aber hat die Wissenschaftlerinnen alarmiert: Dass sich mittlerweile deutlich mehr Müll an Stränden in der Arktis ansammelt als noch vor wenigen Jahren. Die Arktis sei eine Art Endlager für Müll geworden, so das AWI. Das sei ein Problem. Plastikabfälle stellten arktische Ökosysteme, die durch die steigenden Temperaturen im Zuge des Klimawandels ohnehin schon extrem belastet seien, vor zusätzliche Herausforderungen. "Denn die Arktis erhitzt sich viermal schneller als das globale Mittel", betonte das AWI.

Gut elf Prozent des produzierten Plastiks landen im Meer

"Um das Problem wirkungsvoll anzugehen, muss deshalb nicht nur das Abfallmanagement vor Ort - insbesondere auf Schiffen und in der Fischerei - verbessert werden", forderte Bergmann. "Mindestens genauso wichtig ist die massive Reduktion der globalen Plastikproduktion, insbesondere in den Industrienationen Europas, Nordamerikas und Asiens, da etwa elf Prozent der Plastikproduktion in unsere Gewässer gelangen." Es brauche daher dringend ein ambitioniertes, für alle Staaten verbindliches Plastik-Abkommen. Ein solches Abkommen wird aktuell von den Vereinten Nationen (UN) verhandelt und soll 2024 in Kraft treten.

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