Küstenschutz an der Nordsee: Der Bagger, der durchs Watt gleitet
Bis zu sieben Tonnen Steine sollen in der Leybucht verbaut werden, dafür setzen Küstenschützer dort eine Lahnung instand. Die ist wichtig für den Küstenschutz - auch wenn viele gar nicht wissen, was das ist.
Mit einem schmatzenden Geräusch gräbt sich die Baggerschaufel ins Watt in der ostfriesischen Leybucht vor Greetsiel. Der Baggerarm streckt sich und schiebt damit das ansonsten antriebslose Schiff, auf dem der Bagger steht, nach hinten. "Mit dieser Schute transportieren wir die Granitsteine zur Baustelle", sagt Ingo Harms, Betriebshofleiter Leybucht/Kanalpolder vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN). Baggerführer Jens Rump erklärt: "Man muss natürlich aufpassen, dass die Maschine nicht von der Schute runterfährt und im Schlick landet. Wenn das Watt nass genug ist, dann kann ich das Schiff mit einem Zug der Baggerschaufel bestimmt zehn Meter weit schieben."
Lahnung in der Nordsee: Für den Küstenschutz
Nur fünfzig Meter entfernt warten Rumps vier Kollegen vom NLWKN bereits auf die Granitsteine. Die Männer stehen mitten im Watt auf einem etwa ein Meter hohen Steindamm, der sogenannten Schüttsteinlahnung. Dieser Wall ragt von der Küstenlinie aus 200 Meter weit ins Wattenmeer. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten wird er mit neuen Steinen aufgefüllt. "Wir stecken die Steine passend ineinander, das hält allein durch Verkeilen", erklärt Wasserbauer Enno Held. Und fügt augenzwinkernd hinzu: "Wenn wir hier fertig sind, kann man auf der Lahnung Mountainbike fahren". Sollte man natürlich nicht. Denn die Lahnung ist kein Steg, sondern eine wichtiger Baustein für den Küstenschutz.
Salzwiesen als Wellenbrecher
"Lahnungsbau ist eine Wachstumshilfe für die Salzwiesen", erklärt Carsten Lippe vom NLWKN. In den Feldern zwischen den Lahnungen kann sich das Wasser während des Hochwassers beruhigen. Schwebstoffe sinken zu Boden - die Salzwiesen wachsen. "Bei Sturmflut sind die Lahnungen und die Salzwiesen natürliche Wellenbrecher. Sonst würde das Wasser direkt und mit aller Kraft auf den Deich prallen, denn hier gibt es kein Vorland", ergänzt Ingo Harms.
Steine für Lahnung sind fünf bis zu 45 Kilo schwer
Baggerführer Rump hat die Schute in der Leybucht mittlerweile bis an die Schüttsteinlahnung manövriert. Krachend lässt er die Steine aus der Baggerschaufel auf den Wall fallen. Fünf bis 45 Kilo schwer sind die einzelnen Granitsteine. Sie kommen aus Norwegen mit Schiffen nach Emden. Dann bringen Lkw sie zur Leybucht. Marcus Meier, NLWKN Mitarbeiter, stemmt einen Stein an eine passende Stelle, füllt Lücken mit kleineren Steinen auf. "Das ist Puzzlearbeit. Aber jeder Stein passt. Und wenn er nicht passt, dann muss man ihn drehen", sagt er.
Lahnung an der Küste: Körperlich schwere Handarbeit
Trotz moderner Maschinen ist Lahnungsbau immer noch Handarbeit. Und die dauert. "Für diese 200 Meter brauchen wir rund vier Monate", erklärt Wasserbauer Enno Held, während er einen Stein in eine Lücke schiebt. Seit Mai sind die Männer in der Leybucht täglich dabei. Immer drei Stunden nach Hochwasser können sie mit ihrer körperlich sehr schweren Arbeit beginnen. Mal ist das sechs Uhr morgens, mal erst gegen Mittag. "Die ersten zwei Wochen denkt man, man wird nie fertig. Aber wenn man über die Hälfte ist, sagt man sich: Es hat doch irgendwie Spaß gemacht", sagt Held. Sie wissen schließlich, wofür sie diese Arbeit machen. Denn die nächste Sturmflut kommt bestimmt. Die Leybucht ist dann gut gewappnet.