Gemeindenotfallsanitäter: Rettungsdienste der Zukunft?
Regelmäßig wählen Menschen den Notruf 112, obwohl sie keine ernsten Notfälle sind. Die Gemeindenotfallsanitäter sollen genau zu diesen Einsätzen fahren und dadurch die Rettungswagen entlasten.
Seit Anfang 2019 sind die Gemeindenotfallsanitäter im Einsatz - in der Stadt Oldenburg und den Landkreisen Oldenburg, Cloppenburg, Vechta und Ammerland. Der Unterschied zu normalen Rettungswagen: Sie werden von den Leitstellen nur zu Einsätzen geschickt, die keine dringenden Notfälle sind. Katja Sander ist fast seit Beginn des Projektes in Oldenburg dabei. "Ich habe einfach mehr Zeit für die Patienten. Zeit, die die Sanitäter auf den Rettungswagen nicht haben", sagt die Gemeindenotfallsanitäterin. Zeit, den Patienten zuzuhören und sie zu Hause zu untersuchen. "Wir haben auch die Befugnisse, Medikamente wie Schmerztabletten auszugeben. Das können Rettungssanitäter nicht", so Sander. Der Vorteil: Ein Großteil der Patienten muss nicht ins Krankenhaus gebracht werden. Zum Beispiel demente Patientinnen und Patienten, denen der Katheter gewechselt werden muss - normalerweise werden sie dazu ins Krankenhaus gebracht. Die Gemeindenotfallsanitäter können das vor Ort machen, ohne dass ein Krankenwagen gerufen werden muss.
Gemeindenotfallsanitäter haben mehr Verantwortung
Die Einsatzwagen der Gemeindenotfallsanitäter sind deutlich kleiner als Rettungswagen und sind anders ausgestattet. "Wir haben auch Urintests in unserem Auto. Und Schwangerschaftstests, die gibt’s in Rettungswagen nicht“, sagt Katja Sander. Ein weiterer Unterschied: Die Gemeindenotfallsanitäterinnen und -sanitäter sind allein unterwegs. "Ich hab nur zwei Arme und einen Rücken, da muss ich überlegen, welche Tasche ich mitnehme. Nehme ich ein EKG mit oder reicht mir meine Gemeindenotfallsanitätertasche, wo dann alles zur manuellen Messung drin ist?". Dadurch müsse sie eigenverantwortlicher arbeiten und trage auch gegenüber Patienten mehr Verantwortung. Deswegen müssen Gemeindenotfallsanitäter eine dreimonatige Fortbildung machen und mindestens fünf Jahre auf einem Rettungswagen gefahren sein.
70 Prozent weniger Patienten müssen ins Krankenhaus
Bisher sind die Gemeindenotfallsanitäter ein Pilotprojekt, das Anfang 2019 ins Leben gerufen wurde, eigentlich nur für eine Dauer von zwei Jahren. "Das Projekt hat sich aus Trägersicht bewährt. Deswegen wurde es immer wieder für eine befristete Zeit verlängert", sagt Stefan Thate, Stellvertretender Amtsleiter für Einsatz und Personal der Feuerwehr in Oldenburg. Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet von der Universität Oldenburg. Die Forschenden wollen herausfinden, wie viele Einsätze die Gemeindenotfallsanitäter fahren und wie oft die Patienten dann doch ins Krankenhaus geschickt werden. Allein in Vechta sind die Gemeindenotfallsanitäter laut den Maltesern im vergangenen Jahr zu rund 1.600 Einsätzen gefahren - in 70 Prozent der Fälle wurden Krankenhauseinweisungen vermieden. "Das entlastet den Rettungsdienst, Rettungswagen müssen nur zu ernsthaften Notfällen rausfahren. Die Patienten freuen sich, dass ihnen geholfen werden kann, ohne dass sie ins Krankenhaus müssen, und dadurch werden die Notaufnahmen entlastet", sagt Oliver Peters, Bereichsleiter Notfallvorsorge der Malteser. Und dadurch würden auch Kosten gespart.
Politik will Gemeindenotfallsanitäter landesweit einführen
Auch die Politik ist auf die Ergebnisse aufmerksam geworden. Am Mittwoch hat die CDU-Fraktion im Landtag einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgestellt. Sie will, dass die Gemeindenotfallsanitäter ins Rettungsdienstgesetz aufgenommen werden, damit sie auch flächendeckend eingeführt werden können und eine dauerhafte Finanzierung gesichert ist. Unterstützung dafür bekommt die CDU von den Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und AfD. Das SPD-geführte Gesundheitsministerium unterstützt den Vorschlag grundsätzlich, aber es müsse zunächst neue gesetzliche Rahmenbedingungen vom Bund geben. Dafür setze sich das Ministerium seit einiger Zeit schon ein.