Gegen den Trend: Frauen übernehmen ländliche Großtierpraxis
Lieber Kaninchen in der Stadt als Kühe auf dem Land: Der Trend bei Tierärzten geht laut Tierärztekammer Niedersachsen schon länger dorthin. Zwei Frauen in Wiefelstede treten den Gegenbeweis an.
Karin Detmers und Anna-Lea Comba aus Oldenburg sind beide Ende 30 und waren bis vor Kurzem angestellte Tierärztinnen. Zum 1. April haben sie sich selbstständig gemacht und eine Großtierpraxis in Wiefelstede im Ammerland übernommen. Zwei Praxisteilhaber hatten sich komplett zurückgezogen, einer ist ins Angestelltenverhältnis gewechselt. Die Leiterin der Kleintierpraxis ist Teilhaberin geblieben. Für die beiden Frauen heißt es seitdem jeden Tag: Autos beladen und raus in die Ställe in der Umgebung. Zu rund 90 Prozent kümmern sich die beiden um Kühe.
Feedback bis jetzt: Durchweg positiv
Die beiden Tierärztinnen sagen, negative Reaktionen habe es auf das neues Großtier-Team noch nicht gegeben. Die meisten Landwirte seien ohnehin erst einmal froh, dass es weitergehe und dass die Nachfolge geregelt sei. Eine gute und nahe tierärztliche Versorgung sei extrem wichtig, sagen die beiden Wiefelsteder Landwirte Theis Wemken und Thilo Tietjen, auf deren Höfe die beiden Tierärztinnen kommen. Auch der ehemalige Leiter der Großtierpraxis, Rolf Wilms-Eilers, ist begeistert, wie gut der Einstieg der beiden Neuen geklappt hat.
Wo hakt es noch?
Fachlich gibt es keine Probleme, sagen Comba und Dettmers, beide haben viel Erfahrung mit Großtieren und speziell mit Rindern. Dettmers kennt außerdem die Praxis in Wiefelstede schon länger, hat dort schon Praktika absolviert und an den Wochenenden ausgeholfen. Trotzdem seien die Abläufe in jeder Praxis anders, sagen die beiden. Sie planen unter anderem, die Buchhaltung zu digitalisieren - soweit es geht.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf?
Die beiden Tierärztinnen sind auch Mütter, beide haben jeweils drei Kinder im Alter zwischen einem und sieben Jahren. Beide haben sich rund 30 Stunden Wochenarbeitszeit vorgenommen, jetzt am Anfang reiche das nicht immer, sagen sie. Ihre Partner reduzieren Stunden. Bei Nacht-, Bereitschafts- und Wochenenddiensten wechseln sich die beiden Frauen ab. Hinzu kommt: Die meisten geplanten Untersuchungen und Eingriffe bei Rindern finden am Morgen und Vormittag statt.
Ein Sonderfall in der Branche
Veterinärmedizin ist in den vergangenen Jahrzehnten mehr und mehr ein weiblicher Studiengang geworden. Zwischen 85 und 90 Prozent der Studierenden sind mittlerweile laut der Bundestierärztekammer Frauen. Die Kammer zitiert eine aktuelle Studie wonach immer weniger Absolventinnen und Absolventen in einer Nutztierpraxis tätig sein wollen. Vor allem wer aus der Stadt kommt, will demnach eher in einer Kleintierpraxis im städtischen Raum arbeiten. Parallel sinke die Bereitschaft, sich selbstständig zu machen und eine Praxis zu übernehmen.
Auch in Niedersachsen ein flächendeckendes Problem
Bei der Tierärztekammer Niedersachsen beobachtet man die Entwicklung schon länger mit Sorge. Man brauche Tiermedizinerinnen und -mediziner, die in Vollzeit und eben auch auf dem Land arbeiten wollen, teilt Kammerpräsidentin Christiane Bärsch mit. Laut der Kammer bleiben schon jetzt viele Stellen unbesetzt, vor allem im ländlichen Raum und in der Veterinärverwaltung. Dafür macht die Kammer aber auch die gestiegene Bürokratie verantwortlich, besonders im Nutztierbereich.