Ausbauziel von Offshore-Windenergie bis 2030 wird wohl verfehlt
Um die Ausbauziele für Offshore-Windenergie bis 2035 zu erreichen, müssten ab 2027 viermal so viele Windräder pro Jahr ans Netz gehen wie zuletzt - das zeigt eine Statistik aus Varel. Das Ziel für 2030 wird wohl verfehlt.
In Cuxhaven verlässt jeden Tag eine neue 14-Megawatt-Turbine die riesige Werkshalle von Siemens Gamesa. Produktionsleiter Kristoffer Mordhorst sagt, die Stimmung unter seinen Kollegen sei gut: Es ziehen sogar Menschen aus dem Ruhrgebiet an die Küste, um ihren Teil zum Gelingen der Energiewende beizutragen. Doch es gibt einen Wermutstropfen: "Alle Turbinen, die wir gerade produzieren, gehen ins Ausland: Nach Schottland, in die USA und nach Taiwan." Erst später im Jahr werden auch wieder Turbinen für deutsche Windparks geliefert. Zuletzt wurden Turbinen aus Cuxhaven im Windpark "Borkum Riffgrund 3" installiert - doch für diese fehlt noch der Netzanschluss.
Ziel: 40 Gigawatt Windenergie bis 2034
Fehlende Netzanschlüsse sind auch ein Grund dafür, dass das Ausbauziel des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klima (BMWK) von 30 Gigawatt (GW) Offshore-Windenergie bis 2030 verfehlt wird. Das geht aus der Ausbaustatistik für die Windenergie auf See hervor, die das Beratungsunternehmen Deutsche WindGuard aus Varel im Auftrag der Branche erhebt und am Dienstag vorgestellt hat. Das Ziel von 30 GW werde erst 2031 erreicht - so der Statusbericht. Das nächste Ziel von 40 GW bis 2035 soll dann aber bereits 2034 - also ein Jahr früher als geplant - erfüllt werden.
Mit dem bisherigen Tempo ist Ziel für Windparks wohl nicht zu erreichen
Doch ist das tatsächlich zu schaffen? Denn um dieses Ziel zu erreichen, müsste in den kommenden Jahren ein regelrechter Ausbau-Turbo gezündet werden. Berechnungen des NDR Niedersachsen ergaben, dass ab 2027 rund viermal so viele Windräder pro Jahr ans Netz gehen müssten wie zuletzt. Mit dem bisherigen Tempo sind die Ziele daher wohl nicht zu erreichen: 9,8 Gigawatt Offshore-Windenergie wurden in den vergangenen 15 Jahren in Nord- und Ostsee installiert. Bis 2030 muss somit noch rund die doppelte Leistung dessen hinzugebaut werden, was bis jetzt installiert wurde.
Spezialschiffe, Fachkräfte und Material fehlt
Aus Sicht von Andreas Mummert von der Stiftung Offshore Windenergie, die sich als Ideengeber für die deutsche Offshore-Branche versteht, braucht es mehr Verlässlichkeit seitens der Politik: "Die Ausbauzahlen wurden politisch festgelegt und die Ziele 30 GW bis 2030 oder 40 GW bis 2035 hören sich natürlich gut an." Jetzt stelle man aber fest, dass die Bedingungen nicht erfüllt seien, um dieses Ziel tatsächlich zu erreichen. So fehlten etwa Spezialschiffe, Fachkräfte, Material, Hafenkapazitäten und es gebe Lücken in Lieferketten. Als einen weiteren Grund dafür, dass das Ausbauziel von 30 GW bis 2030 verfehlt werde, nennt der Statusbericht der Deutschen WindGuard fehlende Netzanschlüsse. Beispiel: Der Windpark "Borkum Riffgrund 3" mit den Turbinen aus dem Werk von Siemens Gamesa. Wegen Lieferkettenproblemen aus der Corona-Zeit verzögere sich der Netzanschluss von 900 Megawatt um fast ein Jahr, sagt Andreas Mummert: "Daran sieht man, wie schnell sich Ausbauziele verflüchtigen."
Ausschreibungsverfahren soll geändert werden
Insgesamt sechs Branchenorganisationen haben in der Pressekonferenz zum Statusbericht - moderiert vom Bundesverband Windenergie Offshore (BWO) - mehr Verlässlichkeit von der Politik gefordert. Von der künftigen Bundesregierung fordern sie, das Ausschreibungsverfahren für die Vergabe der Flächen in der Nordsee, auf denen neue Windparks entstehen sollen, zu ändern. Bei den Auktionen der Offshore-Flächen ist derzeit der Preis ausschlaggebend. In Zukunft solle bei der Vergabe auch berücksichtigt werden, so der Wunsch der Offshore-Branche, ob die Investoren Wertschöpfung in Deutschland und Europa schaffen. Das wäre der Fall, wenn beispielsweise Spezialschiffe in Europa bestellt oder Turbinen bei Unternehmen wie Siemens Gamesa in Cuxhaven geordert würden.