Früheres RAF-Trio: Rund 250 Hinweise nach "Aktenzeichen XY"

Stand: 23.02.2024 21:41 Uhr

Nach einem Aufruf in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY... ungelöst" haben die Ermittler mittlerweile rund 250 Hinweise zu den drei mutmaßlichen RAF-Terroristen Staub, Klette und Garweg erhalten.

Darunter seien 80 anonyme Hinweise, teilte die Staatsanwaltschaft Verden am Freitag mit. 161 Hinweise gingen direkt nach der Sendung bei den Behörden ein, davon 48 Hinweise anonym über das BKMS-System, wie die Staatsanwaltschaft Verden NDR Niedersachsen mitteilte. Das Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen werte diese nun aus. Die Polizei sucht seit mehr als 25 Jahren nach Ernst-Volker Staub (69), Daniela Marie Luise Klette (65) und Burkhard Garweg (55). Sie zählten bis zur Auflösung der Rote-Armee-Fraktion (RAF) im Jahr 1998 zur sogenannten dritten Generation. LKA und Staatsanwaltschaft Verden waren vor schon der Sendung an die Öffentlichkeit gegangen, um neue Hinweise zu den Gesuchten zu erhalten. Um noch mehr Menschen zu erreichen, wurde die Fahndung auch Thema der Sendung "Aktenzeichen XY... Ungelöst" im ZDF.

Bei einem Hinweis dauern die Ermittlungen an

"Die Ermittlungen zum aktuellen Aufenthaltsort und im Umfeld werden mit unveränderter Intensität fortgesetzt und die Behörden versuchen weiter, einen Kontakt zu den Gesuchten herzustellen", schrieb der Staatsanwalt. Ihm zufolge wurden die neuen Hinweise in drei Gruppen eingeteilt. Fünf Hinweise hätten die höchste Priorität bekommen. Ihnen seien die Ermittler sofort nachgegangen, bei einem Hinweis dauerten die Ermittlungen an. Weitere 46 Hinweise erhielten die Priorität 2 und die übrigen 194 die Priorität 3. Die Ermittlungen zu diesen Hinweisen liefen oder würden veranlasst. 

VIDEO: Ex-RAF-Trio: Ermittler starten neue Großfahndung (3 Min)

Belohnung von 150.000 Euro ausgesetzt

Der Sprecher verwies darauf, dass weiter Hinweise entgegengenommen werden. Meldungen seien auch online über ein System möglich, bei dem die Anonymität technisch garantiert wird. In der Sendung "Aktenzeichen XY... ungelöst" am 14. Februar hatte der Verdener Oberstaatsanwalt Koray Freudenberg auch an Unterstützer der Beschuldigten appelliert, sich zu melden. "Wir können von Glück sprechen, dass bisher niemand getötet wurde", sagte er. Für Hinweise, die zur Ergreifung der Gesuchten führen, ist von verschiedenen Stellen eine Belohnung von insgesamt mindestens 150.000 Euro ausgesetzt worden. 

Internationale Fahndung

Ab sofort wird die Fahndung nach den drei mutmaßlichen RAF-Terroristen laut Staatsanwaltschaft international ausgeweitet. Demnach soll der Fahndungsaufruf in den Sprachen Englisch, Spanisch, Französisch und Arabisch weltweit über die Europol- und Interpol-Netzwerke verbreitet und in den sozialen Medien geteilt werden. Die Behörden rufen nach eigenen Angaben die Bevölkerung dazu auf, Links online zu verbreiten.

Klette, Garweg und Staub zeitweise wohl im Raum Hannover unterwegs

Ein Fahndungsplakat des LKA. © LKA Niedersachsen Foto: LKA Niedersachsen
Unter anderem mit diesem Handzettel fahndet das LKA nach den drei mutmaßlichen Verbrechern.

Konkret geht es nicht um Taten aus der Zeit der RAF, sondern um versuchten Mord und schwere Raubüberfälle in den Jahren 1999 bis 2016. Die Gesuchten sollen die Taten wohl begangen haben, um damit ihren Lebensunterhalt zu sichern. Laut Staatsanwaltschaft haben sich Staub, Garweg und Klette auch längere Zeit in Niedersachsen aufgehalten. "In den Tatvorbereitungsphasen 2015 und 2016 können wir eine gewisse Häufung von Anlaufstellen beziehungsweise Kontakten der drei im Raum Hannover feststellen", sagte Oberstaatsanwalt Freudenberg dem NDR Niedersachsen.

Fluchtautos offenbar auch in Celle und Oldenburg gekauft

Unabhängig von der Fernsehsendung haben die Ermittler mehrere Orte und Daten bekannt gegeben, an denen Staub, Garweg und Klette zwischen 2006 und 2016 aufgetaucht sein sollen. Die Ermittler gehen davon aus, dass sie unter anderem in Ronnenberg, in Celle und in Oldenburg Fluchtautos für Raubüberfälle gekauft haben. Auch in Nordrhein-Westfalen sollen die drei mutmaßlichen Ex-RAF-Mitglieder in der Zeit aktiv gewesen sein. Auffallend sei, dass sie viele der Überfälle rund um die Feiertage begangen hätten, so die Staatsanwaltschaft Verden. Zudem hätten sie die Autos offenbar für längere Zeit genutzt. Die geparkten Autos könnten Zeugen aufgefallen sein, so die Staatsanwaltschaft.

Hier hielt sich das Ex-RAF-Trio seit 2006 in Niedersachsen auf

  • 07./08.04.2009: Entwenden eines Fahrzeugs von einem Parkplatz in der Brandenburger Straße in Osnabrück.
  • 02.01.2015: Raubüberfall auf einen "Kaufland"-Markt in Osnabrück
  • Ende 2014 und Anfang 2015: Kauf der späteren Tatfahrzeuge für die Tat in Groß Mackenstedt (Landkreis Diepholz). Der Käufer nannte sich Michael Jansen, kam mehrmals zu Fuß und zahlte bar.
  • 06.06.2015: versuchter Mord/ versuchter schwerer Raub in Groß Mackenstedt. Das Fluchtfahrzeug wurde drei Kilometer entfernt von der Anschlussstelle Groß-Ippener abgestellt.
  • September 2015: Kauf eines blauen Ford Focus in Ronnenberg (Region Hannover).
  • November 2015: Kauf eines grünen VW Golf Variant in Celle. Der Käufer erschien jeweils zu Fuß und zahlte bar. Er nannte sich Robert Hagen.
  • 28.12.2015: Raubüberfall auf einen Geldtransporter bei Real-Markt in Wolfsburg-Nordsteimke. Die Täter flüchteten mit einem blauen Ford Focus mit Wolfsburger Kennzeichen. Ein grüner Golf Variant mit Wolfsburger Kennzeichen wurde am Tatort zurückgelassen. Der Ford Focus wurde am Folgetag ohne Kennzeichen und mit einem Tarnnetz abgedeckt in einem Waldstück in Volkmarsdorf gefunden.
  • 22.04.2016: Kennzeichendiebstahl in Diekholzen (Landkreis Hildesheim).
  • 07.05.2016: Raubüberfall auf einen Rewe-Markt in Hildesheim. Das Fluchtfahrzeug VW Polo wurde am Tattag ohne Kennzeichen zehn Kilometer entfernt in einem Waldstück zwischen den Orten Ottbergen und Wöhle gefunden.
  • 25.06.2016: Raubüberfall auf einen Geldtransporter in Cremlingen (Landkreis Wolfenbüttel). Als Tatfahrzeuge wurden ein silberner Ford Mondeo mit Doublettenkennzeichen und ein blauer Opel Corsa mit falschem Kennzeichen genutzt.

Sachdienliche Hinweise nehmen jede Polizeidienststelle oder das LKA Niedersachsen unter der Telefonnummer (0511) 98 73 74 00 entgegen. Anonym können Hinweise auch über das Online-Meldesystem BKMS abgegeben werden.

In der Sendung "Aktenzeichen XY...Ungelöst" ging es am Mittwoch auch um einen Raubüberfall auf ein Ehepaar in Werlte (Landkreis Emsland).

Weitere Informationen
Ein Fahndungsplakat des LKA Niedersachsen mit der Fahndung nach zwei ehemaligen Mitgliedern der Rote-Armee-Fraktion (RAF), Burkhard Garweg (r) und Ernst-Volker Staub (l) hängt am 28.09.2016 im Landgericht Verden. © dpa-Bildfunk Foto: Julian Stratenschulte

Möglicherweise Briefe von RAF-Terrorist Garweg aufgetaucht

Die Staatsanwaltschaft Verden hat Untersuchungen bestätigt. Garweg und zwei weitere RAF-Mitglieder sind untergetaucht. (31.03.2023) mehr

Die Aufnahme einer Überwachungskamera zeigt die Verdächtigen eines Raubüberfalls. © NDR

206 Hinweise auf RAF-Trio - aber keine heiße Spur

Das Landeskriminalamt Niedersachsen hatte Staub, Garweg und Klette 2020 zur europaweiten Fahndung ausgeschrieben. (13.01.2021) mehr

Ein fünfseitiges Schreiben der Rote Armee Fraktion (RAF) traf am 13. April 1992 im Bonner Büro der Nachrichtenagentur AFP in Bonn ein. © picture alliance / dpa Foto: Tim Brakemeier

Die Geschichte der RAF: Morde und Bombenanschläge

Ihre Ursprünge liegen in der 68er-Bewegung. Dann wird die RAF zur brutalen Terrorgruppe. 1998 löst sie sich auf. Ex-Mitglieder werden weiter gesucht. mehr

Hanns Martin Schleyer in der Gewalt der RAF. © picture-alliance/ dpa

Der Terror der RAF: Morden gegen die deutsche Staatsmacht

Ab den 70ern halten Terroranschläge der RAF die Bundesrepublik in Atem, es gibt Tote. Im "Deutschen Herbst" 1977 eskaliert die Lage. mehr

Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 15.02.2024 | 19:30 Uhr

Mehr Nachrichten aus der Region

Das Kreuzfahrtschiff "Mein Schiff 1" liegt an der Columbuskaje. © dpa Foto: Sina Schuldt

Drei Jahre Bauzeit: Columbuskaje in Bremerhaven fertiggestellt

Bremerhavens kriselnde Kreuzfahrtbranche hofft auf neuen Schwung: Das Ziel sind 500.000 Passagiere jährlich. mehr

Aktuelle Videos aus Niedersachsen