Schrottimmobilien: Neues Gesetz schützt nicht
Sie hatte all ihre Ersparnisse zusammengekratzt und sogar das Häuschen ihrer Eltern beliehen - um fürs Alter vorzusorgen. Ingeborg Bloemker war überzeugt davon, dass sie mit dem Kauf von zwei Wohnungen nichts falsch machen konnte. Die Investition in "Betongold" ist eine sichere Anlage - so dachte sie. Nun sitzt sie auf hohen Schulden, denn ihr scheinen so genannte "Schrottimmobilien" angedreht worden zu sein: Sie hat erheblich mehr Geld bezahlt als die Immobilien offenbar wert waren.
Der Immobilienhändler hatte die Wohnungen erst kurz zuvor selbst gekauft. "An- und Weiterverkauf beider Wohnungen fand innerhalb von sechs Tagen statt, wie ich später erfahren habe. Der Verkäufer muss also gewusst haben, was die Wohnungen tatsächlich wert sind! Wie konnte ich mich nur so übers Ohr hauen lassen?" Ingeborg Bloemker aus Frankfurt ist immer noch völlig fassungslos darüber ist, dass ihr so etwas passieren konnte - ihr, der erfahrenen Teamleiterin eines großen amerikanischen Unternehmens.
Angeblich sichere Mietverträge
Es geht um Wohnungen im niedersächsischen Bad Fallingbostel, einem der Standorte der britischen Armee in Deutschland - und den Immobilienmakler Bernd Wolfgang Steuten. Der hatte Ingeborg Bloemker und weiteren Kauf-Interessierten vermittelt, dass der Mieter der Wohnungen die Bundesrepublik sei, dass die Verträge mit den englischen Streitkräften sich immer wieder verlängern würden, die Miete also praktisch garantiert sei. Die Mietverträge seien stets auf die Dauer von zehn Jahren abgeschlossen und wären bei Ablauf bisher immer erneuert worden.
Doch nun ziehen die britischen Streitkräfte bis spätestens Ende 2015 ab, wie auch das Außenministerium bestätigte. Die Nato-Wohnungen werden dann leer stehen, neue Mieter schwerlich zu finden sein und die Bundesrepublik Deutschland hat auch dort keinen eigenen Mietbedarf. Ingeborg Bloemker und 35 weitere Käufer fühlen sich getäuscht. "Wir haben viel Geld für minderwertige Wohnungen bezahlt. Und heute sind sie gar nichts mehr wert, weil die Briten abziehen", sagt sie frustriert.
Käufer klagen auf Rückabwicklung
Auch der IT-Berater Johannes Fröhlich hatte sich vom Immobilienmakler Steuten überzeugen lassen, dass die Nato-Wohnungen eine grundsolide und damit sichere Investition seien - nun findet er sich mit weiteren Käufern und dem Verkäufer vor dem Gericht im niedersächsischen Verden wieder. Die Käufer klagen auf "Rückabwicklung des Wohnungserwerbs", wegen sittenwidrig überhöhten Kaufpreises. Bloemker, Fröhlich und andere wollen ihr Geld zurück. Das Gericht hat Sachverständige bestellt, die prüfen sollen, wie sehr der Kaufpreis vom tatsächlichen Wert der Wohnungen abweicht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) ist ein Kaufvertrag wegen wucherischer Überhöhung des Kaufpreises nichtig, wenn der Kaufpreis mindestens doppelt so hoch ist wie der Wert. "Es spricht einiges dafür, dass dies in diesen Fällen so ist", sagt Frank Beck, Anwalt von Ingeborg Bloemker und weiteren Klägern.
Laut Makler ging alles mit rechten Dingen zu
Immobilienverkäufer Bernd Wolfgang Steuten ist der Meinung, dass die "Verkäufe in jeglicher Hinsicht rechtmäßig abgewickelt wurden und die Käufer insbesondere nicht geschädigt wurden". Auch habe er keinesfalls versichert, dass die britischen Streitkräfte nicht abziehen würden. Im Übrigen glaube er, dass "weltpolitische Veränderungen, wie z.B. in Afrika oder im arabischen Raum (...) den Fortbestand des Standortes opportun erscheinen lassen". Das teilt er auf Anfrage schriftlich mit.
Seit 2011 haben sich vermehrt Verbraucher beschwert, dass sie beim Kauf von Wohnungen getäuscht worden seien, ihnen vermeintliche Steuerspar-Objekte angeboten wurden und sich die Wohnungen allein aus den Mieteinahmen finanzieren würden. Immer wieder war der tatsächliche Wert der Immobilien deutlich geringer als der tatsächliche Verkaufspreis. Ein massives Verlustgeschäft also - für den Käufer!
Neues Gesetz hilft Opfern nicht
Am 1. Oktober trat nun das "Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im notariellen Beurkundungsverfahren" in Kraft. Man wollte den "Zeitraum zwischen Angebot und Unterschrift" entzerren. "Damit machen wir es unseriösen Anbietern schwer, ihre potentiellen Opfer zu kurzfristigen Unterschriften zu veranlassen und damit zu überrumpeln", erklärt der Berliner Justiz- und Verbraucherschutzsenator Thomas Heilmann (CDU), einer der Initiatoren des Gesetzes.
Den Käufern, die nun vor Gericht klagen, hätte dieses Gesetz aber kaum geholfen. Familienvater Johannes Fröhlich ist frustriert: "Von Überrumpelung kann gar keine Rede sein! Überhaupt nicht! Ich hatte fünf Monate Zeit, um über den Kauf nachzudenken und ging davon aus, dass ich mein Geld nicht in Schrott stecken würde, sondern es klug und umsichtig für mich und meine Familie anlegen würde", betont der 48-Jährige. "Leider bin ich ein positiver Mensch und gehe nicht davon aus, dass man mich grundsätzlich übers Ohr hauen will. Das war mein großer Fehler!"
