In einem Lkw liegen in Kartons und Kisten Beweisstücke, die bei einer Razzia beschlagnahmt wurden. © Polizeidirektion Oldenburg

Urteil im Rechtsrock-Prozess in Lüneburg erwartet

Stand: 22.04.2025 09:00 Uhr

Fünf Männer sind angeklagt, weil sie rechtsextreme Musik produziert und vertrieben haben sollen. Am Dienstag will das Landgericht Lüneburg das Urteil sprechen. Sind sie eine kriminelle Vereinigung, wie die Staatsanwaltschaft es sieht?

von Angelika Henkel

Tagelang hören sich die Richterinnen und Richter im Sitzungssaal 21 des Landgerichts Lüneburg einzelne Musikstücke an. Die Texte sind von den Ermittlern des "Ermittlungskomplexes Tinnitus" aus Oldenburg mühsam abgehört und niedergeschrieben. Die Worte und Töne stacheln zum Hass auf: Es geht um Tötungsphantasien gegenüber Andersdenkenden, um den Massenmord an Jüdinnen und Juden, verachtend, beleidigend. In einer Liedreihe geht es um das Anfertigen von Lampenschirmen aus Menschenhaut - um nur ein Beispiel zu nennen. Solche Musik wurde vertrieben durch ein Label, das nach der KZ-Aufseherin Irma Grese benannt ist. Sie wurde 1945 ebenfalls in Lüneburg wegen Verbrechen im Nationalsozialismus verurteilt.

Staatsanwaltschaft fordert mehr als zwei Jahre Haft für Hauptangeklagten

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80 Jahre nach den Gräueltaten wird nun in Lüneburg das Urteil gegen fünf Männer erwartet. Drei von ihnen sollen die Musik, die die Taten der Nazis glorifiziert, gemeinsam vertrieben haben. Die Generalstaatsanwaltschaft Celle sieht eine kriminelle Vereinigung im Sinne des Strafgesetzbuches. Lasse K., Michael K. und Stefan K. sollen arbeitsteilig vorgegangen sein. Der eine kümmerte sich um Cover, die anderen um den Verkauf. Drei Jahre und acht Monate hält die Generalstaatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer für den Hauptangeklagten Lasse K. für angemessen, plus die Einziehung von mehr als 70.000 Euro, die er im Ermittlungszeitraum erwirtschaftet haben soll. Die kriminelle Vereinigung sieht die Anklage erfüllt: Es sei ums Geldmachen gegangen, andererseits aber auch um den Zweck, rechtsextreme Inhalte zu verbreiten.

Hauptangeklagter spricht von sich als Schallplattensammler

Der Hauptangeklagte Lasse K. hatte spät im Prozess einen Teil der Taten gestanden. Doch eine kriminelle Struktur gebe es nicht, es sei ihm nur um das Geldverdienen gegangen. Er sei Musikfan und leidenschaftlicher Schallplattensammler und vertreibe Musik aller Art. Rechtsrock sei da nur ein kleiner Teil, ergänzt sein Verteidiger bei den Plädoyers vergangene Woche. Lasse K. habe mittlerweile einen Arbeitsvertrag, eine Freundin und sei auf einem guten Weg. Wenn das Gericht eine Freiheitsstrafe verhänge, dann seien nicht mehr als zwei Jahre und acht Monate angemessen.

Lasse K. ist in der rechtsextremen Szene kein Unbekannter

Der Polizei fiel Lasse K. bereits in der Vergangenheit auf: Zuletzt wurde er 2020 vom Amtsgericht Lüneburg wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einem Jahr und vier Monate auf Bewährung verurteilt. Schon damals ging es um Musikvertrieb und die Ankündigung, sich von den rechtsextremen Inhalten abwenden zu wollen. Die Bewährung des Gerichts hat er gebrochen. Dennoch fordert der Verteidiger eine zweite Chance für seinen Mandanten, der länger als ein Jahr in Untersuchungshaft gesessen hat.

Ist es eine kriminelle Vereinigung?

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Ob das Landgericht dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Celle folgt und die Männer als "kriminelle Vereinigung" verurteilt, ist fraglich. Das ist im Zuge des Prozesses angeklungen. Das Strafgesetzbuch verlangt ein "übergeordnetes Ziel" einer Gruppe. Die Anklage sieht es durch das Geldverdienen und die politische Haltung der Texte erfüllt - die Verteidiger nicht. Es sei rein ums Geschäftemachen gegangen und eine Vereinigung seien die Angeklagten keinesfalls. Die meisten der Anwälte verlangten in ihren Plädoyers Freispruch für ihre Mandaten.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 22.04.2025 | 09:00 Uhr

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Lüneburg

Rechtsextremismus

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