Missbrauch in Kinderdorf bei Lüneburg? Landkreis reagiert
Der Landkreis Lüchow-Dannenberg will in einem Kinderdorf bei Lüneburg vorerst keine Kinder unterbringen. Einem Erzieher wird Missbrauch vorgeworfen. Derweil werden Forderungen nach mehr Kinderschutz laut.
Das Jugendamt Lüchow-Dannenberg habe nach Bekanntwerden der Vorwürfe umgehend das Kinderdorf im Nachbarlandkreis Lüneburg besucht und entschieden, dort keine Jugendlichen mehr unterzubringen. Das teilte ein Sprecher auf Anfrage des NDR in Niedersachsen mit. Der Landkreis Lüneburg selbst hat nach eigenen Angaben zuletzt 2014 ein Kind dort untergebracht. Das Kinderdorf bei Lüneburg hatte bereits angekündigt, seine Standards zu überprüfen und eine neue Anlaufstelle für Bewohnerinnen, Bewohner und Beschäftigte einzurichten.
Staatsanwaltschaft: Sexueller Missbrauch in 116 Fällen
In dem Kinderdorf bei Lüneburg soll sich der Erzieher in einem Zeitraum von mehr als 20 Jahren an Jungen im Alter von 7 bis 13 Jahren vergangen haben. Die Staatsanwaltschaft Lüneburg wirft dem Mann teils schweren sexuellen Missbrauch in 116 Fällen vor. Der Prozess gegen den 63-Jährigen beginnt Ende des Monats. NDR Recherchen zeigen, dass es schon im Jahr 2001 Missbrauchsvorwürfe gegen den Erzieher gegeben hatte.
Kinderschutzbund: Strikte Vorgaben in Kinderdörfern
Als Reaktion auf die Vorwürfe mahnt der niedersächsische Kinderschutzbund, dass Schutzkonzepte in Kinderdörfern noch strenger auf ihre Qualität überprüft werden müssten. Das sagte eine Sprecherin auf Nachfrage. Ein Schutzkonzept für die Kinder zu haben, reiche nicht aus - es müsse strikte, gesetzlich festgeschriebene Vorgaben geben, so der Kinderschutzbund.
Sozialministerium: Beim Gesetz wurde bereits nachgebessert
Der Ruf nach härteren Gesetzen sei "emotional nachvollziehbar", so ein Sprecher des Sozialministeriums. "Es müsste allerdings klarer dargelegt werden, an welchen Stellen nachgeschärft werden soll, da in diesem Bereich bereits erheblich nachgebessert wurde." Das Ministerium sei offen für Hinweise. "Dem Kinderschutzbund stehen unsere Türen stets offen", betonte der Sprecher.
Opposition stellt Forderungen an Landesregierung
Aus der Opposition im Landtag wurden am Dienstag Forderungen an die Landesregierung laut. CDU-Landeschef Sebastian Lechner fordert einen Kinderschutzplan. Dieser solle unter anderem mehr Personal für die Jugendämter und einen besseren Informationsaustausch zwischen Behörden beinhalten. Die AfD hat eine Anfrage an die Landesregierung gestellt und fordert eine lückenlose Aufklärung.
Ministerium fordert Bericht bei Heimaufsicht an
Das Sozialministerium hat einen aktuellen Bericht bei der Heimaufsicht des Landesjugendamts angefordert, wie der Sprecher am Dienstagabend mitteilte. Wenn dieser vorliege, werde das Ministerium ihn intensiv auswerten und "mögliche Handlungsbedarfe identifizieren".