Erstmals in Stade: Museen arbeiten Kolonialgeschichte auf
Forschende aus Stade und Tansania haben untersucht, wie etwa 600 Kulturgüter aus der Kolonialzeit nach Norddeutschland gekommen sind. Mehr als 100 Jahre schlummerten sie in Archiven der Stadt.
Schmuck, Instrumente, Werkzeuge, Masken, Fotografien und Karten: Der Botaniker Karl Braun hatte im Jahr 1921 diverse Gegenstände und Dokumente mit nach Stade gebracht. Er war in der damaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika tätig, bevor er beruflich in Stade Fuß fasste. Dort leitete er die Zweigstelle der biologischen Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft. Kurz vor seinem Tod im Jahr 1935 übergab er die Sammlung der tansanischen Kulturgüter der Stadt.
Enge Zusammenarbeit mit tansanischen Forschenden

Nach Angaben der Museen erzählen die Kulturgüter "Geschichten von kolonialer Besetzung, der Ausbeutung menschlicher und pflanzlicher Ressourcen sowie der Aneignung kulturellen Erbes". Deshalb untersuchten die Museen Stade die Erwerbsumstände der Gegenstände nicht allein. Im Rahmen eines dreijährigen Forschungsprojekts arbeiteten sie eng mit tansanischen Forschenden zusammen. Laut Kuratorin Lea Steinkampf war es ausgeschlossen, eine rein deutsche Perspektive abzubilden. Ihr zufolge wird mit dem Forschungsprojekt erstmals die Kolonialgeschichte in Stade untersucht. Die Ergebnisse werden in einer Ausstellung präsentiert.
Wie kam der Botaniker an die Kulturgüter?
Karl Braun führte seit seinem 16. Lebensjahr Tagebuch, erklärt Kuratorin Steinkampf. 88 Tagebücher und akribisch dokumentierte Inventarhefte nutzten die Forschenden, um die Erwerbsumstände zu rekonstruieren. Dabei zeigte sich, dass der Botaniker Gegenstände wie Perlenarmbänder und Federschmuck bei Händlern auf der Straße gekauft hat - beides bis heute Teil traditioneller Tänze, so die Kuratorin. Der tansanische Forscher Mohamed Seif erklärt, dass es sich also nicht um beliebige Objekte handelt. "Die Objekte können als Objekte betrachtet werden, aber sie haben unsichtbaren Einfluss auf das Leben von Menschen, auch heute", so Seif.
Gegenstände durch militärische Gewalt erlangt
Andere Gegenstände seien durch militärische Gewalt erlangt worden. Beispielsweise wurden dem Botaniker Masken und Gefäße geschenkt, die während der sogenannten Emin-Pascha-Expedition mitgenommen wurden. "Da gibt es eine breite Quellenlage zu, dass diese Emin-Pascha-Expedition sehr gewalttätig war", sagte Steinkampf. Derzeit laufen nach Angaben der Kuratorin Gespräche darüber, ob die Kulturgüter zurück nach Tansania gehen sollten. Denn auch bei einigen der vermeintlich legal erworbenen Gütern konnte nicht abschließend geklärt werden, unter welchen Umständen Braun sie tatsächlich erhalten hat. Denkbar sei eine Wanderausstellung in Tansania.
Die Kulturgüter und ihre Geschichten sind noch bis zum 9. Juni ausgestellt - in einer Doppelausstellung im Museum Schwedenspeicher und im Kunsthaus Stade.
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