Ein Kopfschmuck mit Federn und Perlen aus der Kolonialzeit in einer Glasvitrine. © Museen Stade Foto: Carsten Dammann

Erstmals in Stade: Museen arbeiten Kolonialgeschichte auf

Stand: 28.03.2025 19:32 Uhr

Forschende aus Stade und Tansania haben untersucht, wie etwa 600 Kulturgüter aus der Kolonialzeit nach Norddeutschland gekommen sind. Mehr als 100 Jahre schlummerten sie in Archiven der Stadt.

von Janina Possel

Schmuck, Instrumente, Werkzeuge, Masken, Fotografien und Karten: Der Botaniker Karl Braun hatte im Jahr 1921 diverse Gegenstände und Dokumente mit nach Stade gebracht. Er war in der damaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika tätig, bevor er beruflich in Stade Fuß fasste. Dort leitete er die Zweigstelle der biologischen Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft. Kurz vor seinem Tod im Jahr 1935 übergab er die Sammlung der tansanischen Kulturgüter der Stadt.

Enge Zusammenarbeit mit tansanischen Forschenden

Ein Forschungsteam aus tansanischen und deutsche Forschenden. © Museen Stade Foto: Carsten Dammann
Drei Jahre lang arbeiteten die Museen Stade mit dem tansanischen National Institute for Medical Research (NIMR) zusammen - und besuchten sich dafür auch mehrmals gegenseitig.

Nach Angaben der Museen erzählen die Kulturgüter "Geschichten von kolonialer Besetzung, der Ausbeutung menschlicher und pflanzlicher Ressourcen sowie der Aneignung kulturellen Erbes". Deshalb untersuchten die Museen Stade die Erwerbsumstände der Gegenstände nicht allein. Im Rahmen eines dreijährigen Forschungsprojekts arbeiteten sie eng mit tansanischen Forschenden zusammen. Laut Kuratorin Lea Steinkampf war es ausgeschlossen, eine rein deutsche Perspektive abzubilden. Ihr zufolge wird mit dem Forschungsprojekt erstmals die Kolonialgeschichte in Stade untersucht. Die Ergebnisse werden in einer Ausstellung präsentiert.

Wie kam der Botaniker an die Kulturgüter?

Karl Braun führte seit seinem 16. Lebensjahr Tagebuch, erklärt Kuratorin Steinkampf. 88 Tagebücher und akribisch dokumentierte Inventarhefte nutzten die Forschenden, um die Erwerbsumstände zu rekonstruieren. Dabei zeigte sich, dass der Botaniker Gegenstände wie Perlenarmbänder und Federschmuck bei Händlern auf der Straße gekauft hat - beides bis heute Teil traditioneller Tänze, so die Kuratorin. Der tansanische Forscher Mohamed Seif erklärt, dass es sich also nicht um beliebige Objekte handelt. "Die Objekte können als Objekte betrachtet werden, aber sie haben unsichtbaren Einfluss auf das Leben von Menschen, auch heute", so Seif.

Gegenstände durch militärische Gewalt erlangt

AUDIO: 600 tansanische Kulturgüter: Wie sind sie nach Stade gekommen? (3 Min)

Andere Gegenstände seien durch militärische Gewalt erlangt worden. Beispielsweise wurden dem Botaniker Masken und Gefäße geschenkt, die während der sogenannten Emin-Pascha-Expedition mitgenommen wurden. "Da gibt es eine breite Quellenlage zu, dass diese Emin-Pascha-Expedition sehr gewalttätig war", sagte Steinkampf. Derzeit laufen nach Angaben der Kuratorin Gespräche darüber, ob die Kulturgüter zurück nach Tansania gehen sollten. Denn auch bei einigen der vermeintlich legal erworbenen Gütern konnte nicht abschließend geklärt werden, unter welchen Umständen Braun sie tatsächlich erhalten hat. Denkbar sei eine Wanderausstellung in Tansania.

Die Kulturgüter und ihre Geschichten sind noch bis zum 9. Juni ausgestellt - in einer Doppelausstellung im Museum Schwedenspeicher und im Kunsthaus Stade.

Archiv
Ein alter Kran im Lüneburger Hafenviertel. © NDR Foto: Julius Matuschik
8 Min

Nachrichten aus dem Studio Lüneburg

Was in Ihrer Region wichtig ist, hören Sie in dem Mitschnitt der 15:00 Uhr Regional-Nachrichten auf NDR 1 Niedersachsen. 8 Min

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Regional Lüneburg | 28.03.2025 | 15:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Ausstellungen

Mehr Nachrichten aus der Region

Arbeiter an einer Schilderbrücke über der vollgesperrten A7 in Hamburg. © Screenshot

A7 und Elbtunnel in Hamburg seit Montagmorgen wieder offen

Wegen Bauarbeiten war der Autobahnabschnitt zwischen Heimfeld und Stellingen am vergangenen Wochenende nicht befahrbar. mehr

Aktuelle Videos aus Niedersachsen