Welche Bahnstrecken werden in Niedersachsen reaktiviert?

Stand: 13.04.2023 13:06 Uhr

Niedersachsens Landesregierung plant die Reaktivierung von alten Bahnstrecken. Im Wirtschaftsministerium in Hannover hat sich am Dienstag das erste Mal ein Lenkungskreis getroffen.

Dieser soll evaluieren, welche Bahnlinien überhaupt für eine Reaktivierung infrage kommen. 2013 waren in einem früheren Verfahren bereits 28 Strecken in die engere Auswahl gekommen. An diesem Punkt wollte der Lenkungskreis nach Informationen des NDR in Niedersachsen am Dienstag ansetzen. Kriterien für die Reaktivierung einzelner Strecken könnten zum einen die zu erwartenden Kosten sein, aber auch Prognosen dazu, wie viele Fahrgäste die Verbindungen nutzen würden. Der Lenkungskreis setzt sich aus Landtagsabgeordneten, Mitgliedern des Nahverkehrsbündnisses und Experten zusammensetzen. Ende März hatte das Landtags-Plenum aus SPD, Grünen, CDU und AfD einen Änderungsantrag der SPD, der Grünen und der CDU für ein neues Reaktivierungsprogramm von Bahnstrecken einstimmig angenommen.

Zusätzliche Bahnstrecken? Verkehrsminister Lies zuversichtlich

Niedersachsens Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) hat zudem an die Kommunen appelliert, weitere mögliche Strecken für eine Bahnreaktivierung zu nennen. Diese sollten bis Mitte Mai an die Landesnahverkehrsgesellschaft gemeldet werden, sagte der Minister in einer am Dienstag verbreiteten Mitteilung. "Ich bin äußerst zuversichtlich, dass wir am Ende im Sinne der Mobilitätswende zusätzliche Bahnstrecken haben, die wir wieder an den Start bringen werden können", so Lies.

Verfahren aus dem Jahr 2013: Diese Bahnstrecken könnten reaktiviert werden

  • Aurich - Abelitz
  • Bederkesa - Bremerhaven-Speckenbüttel
  • Braunschweig - Harvesse
  • Bremervörde - Osterholz-Scharmbeck
  • Celle - Soltau
  • Celle - Beckedorf (- Munster)
  • Esens - Bensersiel
  • Eystrup - Syke
  • Friesoythe - Cloppenburg
  • Holzhausen - Bohmte
  • Lüneburg - Bleckede
  • Lüneburg - Soltau
  • Maschen - Buchholz
  • Meppen - Essen (Oldenburg)
  • Norden - Dornum (- Esens)
  • Nordenham-Blexen - Nordenham
  • Ocholt - Sedelsberg (in Kombination mit Friesoythe - Cloppenburg)
  • Rinteln - Stadthagen
  • Rotenburg - Bremervörde
  • Salzgitter Bad - Salzgitter-Lebenstedt - Peine
  • Salzgitter-Lebenstedt - Salzgitter-Fredenberg
  • Stade - Hesedorf (in Kombination mit Bremervörde - Osterholz-Scharmbeck)
  • Westerstede - Ocholt
  • Winsen (Luhe) - Hützel (- Soltau)
  • Wunstorf - Bokeloh - Steinhude
  • Zeven - Tostedt

Auch die Strecken Einbeck-Salzderhelden - Einbeck und Bad Bentheim - Neuenhaus waren ursprünglich in der Liste enthalten. Sie wurden jedoch bereits 2018 beziehungsweise 2019 reaktiviert.

Reaktivierung von Strecken: Erwartungen gehen weit auseinander

Wolfgang Konukiewitz vom Nahverkehrsbündnis Niedersachsen, hofft auf bis zu 25 Strecken, die landesweit reaktiviert werden könnten. Die ersten Strecken könnten ihm zufolge in spätestens fünf Jahren reaktiviert sein. Hans-Christian Friedrichs, Sprecher des niedersächsischen Landesverbands des Verkehrsclubs Deutschland, hält es hingegen für möglich, dass die Strecke Lüneburg - Soltau bereits in zwei Jahren fertig sein könnte. Auch die Strecke Stade - Bremen könnte schneller gehen. Der Rest würde dauern. "Wenn wir zwei, drei Strecken reaktivieren können, wäre das ein Erfolg", sagt auch Hubert Meyer, Hauptgeschäftsführer des Niedersächsischen Landeskreistags. Er sei skeptisch, ob die Bahnstreckenreaktivierung das Gebot sei, um den Nahverkehr in Niedersachsen zu stärken - weil es eine teure Variante sei. Und auch Staatssekretär Frank Doods sagt, dass die Anzahl der Strecken, die schlussendlich reaktiviert werde, auch von der Wirtschaftlichkeit abhänge. "Man muss ganz nüchtern sagen: Die Investitionskosten, die am Anfang stehen, sind nur ein kleiner Teil. 90 Prozent der Kosten entstehen in der Betriebsphase."

Fahrgastverband Pro Bahn hat klare Favoriten

Für den Fahrgastverband Pro Bahn wäre die Strecke Aurich - Abelitz von besonderem Interesse. Laut Pro Bahn fahren dort seit Jahren Güterzüge des Windkraftanlagenbauers Enercon. Enercon selbst und ein Verein hätten die Strecke reaktiviert, der Zug dürfe maximal Tempo 25 fahren, so Pro Bahn. Würde die Strecke für den Personenverkehr zugelassen werden, müssten Lärmschutzwände gebaut und Bahnübergänge sicherer gemacht werden. Der Vorsitzende von Pro Bahn, Malte Diehl, schlägt deshalb vor, auf dieser Strecke den Zug als Straßenbahn fahren zu lassen. Das ginge mit einfacheren Regeln. Zwei weitere favorisierte Strecken von Pro Bahn: Nordenham-Blexen - Nordenham und Friesoythe - Cloppenburg.

VIDEO: Gilt das Deutschlandticket auch im Pendler-Intercity? (06.04.2023) (3 Min)

Sozialverband Deutschland mahnt Tempo an

Der Sozialverband Deutschland in Niedersachsen (SoVD), der nach eigenen Angaben ebenfalls am Lenkungskreis beteiligt ist, fordert unterdessen mehr Tempo bei der Reaktivierung. Es sei in den vergangenen Jahren nichts passiert, so die Kritik. Die Menschen auf dem Land seien auf gut getaktete und barrierefreie Bahnen angewiesen, sagte Bernd Skoda, Beauftragter für Barrierefreiheit beim SoVD in Niedersachsen. Die Realität sehe aber anders aus. Das Schienennetz habe 1994 noch 44.600 Kilometer umfasst, mittlerweile seien davon nur noch 38.400 Kilometer übrig.


12.04.2023 12:54 Uhr

Hinweis der Redaktion: In einer vorherigen Version dieses Artikel hatten wir berichtet, dass der Landtag Ende März über einen Antrag der Grünen für ein neues Reaktivierungsprogramm von Bahnstrecken abgestimmt hat. Das ist nicht korrekt. Den Antrag hatte Mitte Februar zunächst die Landesregierung aus SPD und Grünen gestellt. Ende März stimmten die Abgeordneten über einen Änderungsantrag der SPD, der Grünen und der CDU ab.

 

Weitere Informationen
Das Regio Deutsche Bahn Logo mit Schriftzug auf der Seite eines Wagons. © NDR Foto: Pavel Stoyan

Deutschlandticket - hohe Nachfrage trotz holprigem Start

In Niedersachsen ist der Verkauf gut angelaufen. Im Verkehrsverbund mit Bremen wurden am ersten Tag 700 Abos abgeschlossen. (05.04.2023) mehr

Nahverkehrszug der Deutschen Bahn © picture-alliance

Verbände wollen Neustart alter Bahnstrecken

Einige stillgelegte Bahnstrecken in Niedersachsen sollen wieder ans Netz. Das fordern Verbände. Gerade der Nordosten will Anschluss. Doch wie stehen die Chancen dafür? (10.07.2020) mehr

Blick auf einen Güterzug, der über die Gleise fährt. © picture alliance / dpa | Julian Stratenschulte Foto: Julian Stratenschulte

Niedersachsen bekommt 19 weitere Bahnstationen

In Niedersachsen sollen 19 Bahnstationen reaktiviert oder neu gebaut werden. Unter anderem ist geplant, Orte wie Adendorf, Salzgitter-Thiede und Bunde wieder ans Gleis zu bringen. (29.03.2019) mehr

Ein Triebwagen steht auf einem Gleis im Bahnhof Nordhorn auf der Strecke der RB 56 der Bentheimer Eisenbahn beim feierlichen Neustart des Personenzugverkehrs von Bad Bentheim nach Nordhorn. © picture alliance/dpa | Friso Gentsch Foto: Friso Gentsch

Nach 45 Jahren Pause rollen wieder Personenzüge

Am Sonnabend ist die Bahnstrecke zwischen Bad Bentheim und Neuenhaus nach 45 Jahren Pause reaktiviert worden. Künftig verkehren Triebwagen im Stundentakt zwischen den Städten. (07.07.2019) mehr

Rostige Bahngleise liegen auf der Strecke zwischen Nienstädt und Obernkirchen. © dpa-Bildfunk Foto: Peter Steffen

Stillgelegte Gleise: Wo fahren bald wieder Züge?

Die Bahn ist für viele zur Alternative zum Auto geworden. Daher prüft Niedersachsen die Reaktivierung stillgelegter Strecken. Kandidaten sind die Linien nach Nordhorn und Aurich. (04.01.2015) mehr

Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 11.04.2023 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Bahnverkehr

Mehr Nachrichten aus der Region

Niedersachsens Wissenschaftsminister hält bei der Verleihung des Wissenschaftspreises in Hannover eine Rede vor Publikum. © NDR Foto: Jule Lampe

Wissenschaftspreis: Wie Niedersachsen die Welt verändern will

Das Preisgeld von insgesamt 109.000 Euro geht an acht erfolgversprechende Forschungsprojekte aus Niedersachsen. mehr

Aktuelle Videos aus Niedersachsen

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?