Mann aus Niedersachsen kann nach fünf Monaten aus Gaza fliehen
Murad Alsoos überlebte einen Bombenangriff im Gazastreifen und konnte nach Niedersachsen zurückkehren. Doch seine Frau musste er im Kriegsgebiet zurücklassen. In ständiger Sorge hofft Murad, sie bald nach Deutschland zu holen.
Als Murad Alsoos im Mai 2023 zu Besuch bei seiner Familie im Gazastreifen war, lernte er seine Frau kennen. Nach einer schnellen Verlobung planten sie eine traditionelle Hochzeit. Am 9. Oktober 2023 sollte es so weit sein. Der 48-Jährige reiste für die Hochzeitsfeier erneut in seine Heimat. Doch zu den Feierlichkeiten kam es dann nicht mehr. Als am 7. Oktober Hamas-Kämpfer Israel angriffen, brach ein Krieg aus. Aus der Hochzeitsreise wird ein fünfmonatiger Zwangsaufenthalt. Er war gefangen, mitten im Kriegsgebiet.
Bombenangriff auf Nachbarhaus im Gazastreifen
Murad Alsoos überlebte einen Bombenangriff nur knapp. Im Schlaf wurde die Familie von den Raketen überrascht, die ins Nachbarhaus einschlugen. Mit einer Bettdecke konnte er sich vor den Splittern des Einschlags schützen. Seine Mutter wurde bei dem Angriff allerdings verletzt. Die achtköpfige Nachbarsfamilie kam sogar ums Leben. Nachdem es im Norden Gazas immer gefährlicher wurde und der Beschuss Israels zunahm, mussten Alsoos und seine damalige Verlobte fliehen.
Flucht ins Flüchtlingslager in Rafah
Sie kamen in einem Flüchtlingslager in Rafah, im Süden Gazas unter. Doch die Lebensumstände dort waren schwer erträglich. "Am Anfang war es mit dem Essen ganz schlimm, weil die Hilfsorganisationen keine Lebensmittel oder Medikamente reinbringen konnten", so Alsoos. Eineinhalb Monate lang ernährten sie sich ausschließlich von Bohnen aus Konservendosen und einer kleinen Flasche Wasser pro Tag. Doch die Essensrationen wurden schnell knapp und zu Trinken gab es nur noch schmutziges, salziges Brunnenwasser.
Heirat im Flüchtlingslager
Die Zelte, in denen sie schliefen, hätten sie eigentlich von Nichtregierungsorganisationen kostenlos bekommen sollen. Doch letztendlich mussten sie fast 1.000 Euro dafür zahlen. Trotz der prekären Lage in Rafah entschieden sich Alsoos und seine Verlobte, vor Ort zu heiraten. Sie schmückten ihr Zelt mit Luftballons und hielten die Zeremonie dort ab.
Illegale Flucht nach Ägypten
Seit Beginn des Krieges setzte Murad Alsoos alles daran, ausreisen zu können. Da er jedoch keine deutsche Staatsangehörigkeit hat, konnte er keine Hilfe der deutschen Behörden in Anspruch nehmen. Der einzige Ausweg: eine Flucht über einen illegalen Grenzübergang nach Ägypten. 7.000 Euro musste Alsoos dafür zahlen, dass sein Name auf einer Liste auftaucht, die ihn die Grenze passieren lassen würde.
Hoffnung auf Familienzusammenführung
Anfang März betrat Alsoos wieder deutschen Boden. Nur wenige Tage später ging er wieder zur Arbeit. Fast als wäre nie was gewesen. Doch seine Frau musste er zunächst zurücklassen, denn eine Familienzusammenführung ist mit seiner aktuellen Aufenthaltserlaubnis nicht möglich. Allerdings hatte Alsoos bereits im vergangenen Jahr eine Niederlassungserlaubnis beantragt. Die Niederlassungserlaubnis ist ein unbefristeter Aufenthaltstitel, mit dem er einen Familiennachzug beantragen könnte. Doch durch seinen monatelangen Aufenthalt im Gazastreifen verzögerte sich das Anliegen. Gerade wartet Alsoos, bis das permanente Aufenthaltsrecht von den Behörden genehmigt wird.
Trost und Ablenkung auf der Arbeit
Alsoos lebt seit inzwischen seit zwölf Jahren in Rinteln (Landkreis Schaumburg). Er arbeitet dort in dem mittelständischen Unternehmen Polyform im Bereich der Kunststofftechnik. Seine Arbeitskollegen und Freunde schätzen seine hilfsbereite und stets optimistische Art. Sogar nach den schweren Monaten im Kriegsgebiet ist Alsoos freundliches Lächeln geblieben. Für Carsten Klostermann, Personalleiter von Polyform, war Alsoos unerschütterlicher Optimismus kaum vorstellbar: "Ich war baff. Ich habe damit überhaupt nicht gerechnet. Es war so, als wenn jemand nach 14 Tagen Urlaub wiederkommt. Und wir reden über viele Monate, die er in einer extrem schwierigen Situation verbracht hat."
Kontakt in den Gazastreifen
Zurzeit steht Alsoos per Videoanruf mit seiner Frau in Kontakt. Doch die Internetverbindung im Gazastreifen sei instabil. Teilweise hört er wochenlang nichts von ihr. Die Angst und Sorge, ihr könne etwas passiert sein, sei unerträglich, so Alsoos. Der Rintelner hofft, dass seine Niederlassungserlaubnis bald genehmigt wird, um so schnell wie möglich, einen Antrag auf Familienzusammenführung stellen zu können.