Fälschliche Einäscherung: Islamverbände kritisieren die MHH
In Hannover ist die Leiche eines muslimischen Mannes versehentlich eingeäschert worden. Islamverbände kritisieren den Fehler. Selbst das türkische Generalkonsulat hat sich des Falles angenommen.
"Der Vorsitzende Recep Bilgen fordert die Verantwortlichen der MHH auf, den Fehler lückenlos sachlich aufzuarbeiten und sich aufrichtig bei den beiden beteiligten Familien zu entschuldigen", teilte der niedersächsische Landesverband des Rates der islamischen Gemeinschaften Schura mit. Das ist inzwischen geschehen. Die Medizinische Hochschule Hannover hatte die Leiche eines 71-jährigen Muslims wegen einer Verwechslung mit einem anderen Verstorbenen eingeäschert - was dem islamischen Glauben widerspricht.
Kritik an Kommunikation der MHH mit Familien
Auch der Islamverband Ditib zeigte sich bestürzt. "Nicht auszudenken, welches Leid dies für die Familien bedeutet, die einerseits den Tod eines geliebten Menschen verkraften müssen und andererseits die Aufklärung dieses schockierenden Umstandes nur durch Zufall erfahren haben", sagte Emine Oguz vom Ditib-Landesverband Niedersachsen Bremen. Es sei nicht zumutbar, dass die MHH die betroffenen Familien nicht persönlich aufgeklärt und begleitet habe, betonte Oguz. MHH-Sprecher Stefan Zorn sagte, das Klinikum bedaure die Verwechslung zutiefst. "Unser Mitgefühl gilt den Angehörigen."
Ditib: "Unverzeihlicher Fehler"
"Wichtig ist nun, dass alle verantwortlichen Stellen gemeinsam für Aufklärung sorgen, damit dieser unverzeihliche 'Fehler' nicht noch einmal vorkommt", sagte Oguz von Ditib weiter. Nur Bedauern reiche nicht. Die Familie des irrtümlich kremierten Muslims müsse damit leben, ihn nicht nach den muslimischen Glaubensvorschriften bestattet zu haben. "Dieser Fehler bleibt für die Familie leider für immer unverzeihlich", sagte Oguz. Zuerst hatte die "Hannoversche Allgemeine Zeitung" über den Fall berichtet. Den Angaben der Zeitung zufolge war der 71-jährige Muslim am 14. Dezember gestorben; ein 81-jähriger Mann aus der Region Hannover bereits am 5. Dezember. Beide Leichen seien in der MHH begutachtet worden. Der 81-Jährige sollte wunschgemäß verbrannt werden, doch stattdessen habe das Klinikum den Körper des Moslems ins Krematorium geschickt. Folglich sei dieser verbrannt und in einer Urne beigesetzt worden.
Bei ritueller Waschung: Sohn entdeckt falsche Leiche
Der Fehler sei dem Sohn des 71-Jährigen während der Vorbereitung der muslimischen Beisetzung bei der rituellen Waschung aufgefallen. Er habe sofort bemerkt, dass die auf dem Waschtisch liegende Leiche nicht sein Vater sei. In der türkischen Gemeinschaft sorgt der Vorfall für Aufsehen - auch zahlreiche türkische Medien berichten umfangreich darüber. Demnach plant die Familie des Toten rechtliche Schritte. Beim Land Niedersachsen ist Wissenschaftsminister Falko Mohrs (SPD) für die MHH zuständig. Er will sich mit der in Hannover ansässigen türkischen Generalkonsulin treffen. Auch der Islamverband Schura hat reagiert: "Der Vorsitzende Recep Bilgen fordert die Verantwortlichen der MHH auf, den Fehler lückenlos sachlich aufzuarbeiten und sich aufrichtig bei den beiden beteiligten Familien zu entschuldigen", hieß es am Freitag. Die Verwechslung sei für die muslimische Familie sehr schwerwiegend, da nach islamischen Glaubensvorschriften Tote nicht eingeäschert werden dürfen, betonte der Islamverband.
Polizei schließt Straftat aus, sieht aber genau hin
Polizeiliche Ermittlungen gab es zunächst nicht - man nehme die Arbeitsabläufe in der Rechtsmedizin der MHH trotzdem unter die Lupe, hieß es am Freitag. Nach jetzigem Kenntnisstand schließe die Polizei aber eine Straftat aus, sagte ein Sprecher. Die Beamten gehen demnach davon aus, dass fahrlässig gehandelt wurde.