Continental schließt Mitte Juni Fabrik in Stolzenau

Stand: 01.02.2025 20:11 Uhr

Das Continental Werk in Stolzenau schließt ab Mitte Juni für immer seine Tore. Das Aus für den größten Arbeitgeber der Region. Und das Aus für 110 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

von Gino Egbers

Knapp 7.800 Einwohnerinnen und Einwohner, eine Hand voll Geschäfte, eine Einkaufsstraße. In Stolzenau, etwa 20 Kilometer südwestlich von Nienburg, geht es am Samstag ruhig zu. Trotz schönen Wetters sind auf der Flaniermeile nur wenige Menschen unterwegs. Wenn Continental schließt, könnte es noch ruhiger zugehen. Stolzenau gilt als strukturschwach. Die Autobahn weit entfernt, größere Industrie beschränkt sich auf das am Ortsrand gelegene Continental Werk. Das hat auf die Region einen enormen wirtschaftlichen Einfluss. Von 2.200 sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen sind 110 bei Continental. Damit fallen im Sommer voraussichtlich fünf Prozent der Arbeitsplätze weg, sagt der Samtgemeinde Bürgermeister, Jens Beckmeyer (SPD).

Kunstleder aus Stolzenau

Schon seit 1964 befindet sich auf dem heutigen Conti-Gelände eine Kunstlederfabrik. Das Unternehmen Era Beschichtung stellt Kunstleder für den Autoinnenraum her und avanciert zum Weltmarktführer für Laderaumabdeckungen - also dem ausfahrbaren Schutz im Kofferraum bei Kombis. 2013 erwirbt die "Konrad Hornschuh AG" das Geschäft, 2016 übernimmt Continental. In den folgenden Jahren schrumpft die Produktpalette und mit ihr die Fabrik. Während 2020 noch über 200 Menschen am Standort Stolzenau beschäftigt waren, sind es heute nur noch etwa die Hälfte.

"Bis zuletzt hat die Belegschaft versucht, den Standort zu retten"

Der Betriebsbetreuer Martin Bauerschäfer von der IG Metall betreut den Standort Stolzenau seit 2017. Er wohnt nicht weit weg und kennt die Situation im Werk. Dass die Fabrik jetzt schließt, sei seit Jahren absehbar und hätte verhindert werden können: "Auf Betriebsversammlungen haben wir mehrfach angesprochen, dass in den Standort investiert werden muss, dass wir neue Produkte brauchen. Die Beschäftigten haben massiv Ideen eingebracht, die nicht berücksichtigt wurden."

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Continental will Beschäftigte woanders unterbringen

Continental in Stolzenau wollte sich dazu vor Ort nicht äußern. Schriftlich begründen sie die Schließung mit der schlechten wirtschaftlichen Lage der Automobilbranche insgesamt - und speziell am Standort Stolzenau mit der unerwartet geringen Nachfrage an Laderaumabdeckungen. Das Unternehmen betont aber, möglichst viele Beschäftige in anderen Standorten unterbringen zu wollen.

Folgen für Gastronomie und Einzelhandel

Es sind aber nicht nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen. Viele Einzelhändler und Gastronomen in Stolzenau profitieren von der Conti. Das Eiscafé Martino zum Beispiel. Ob zur Mittagspause oder auf einen Feierabendcafé. Für Inhaberin Giovanna Canal zählen die Conti-Mitarbeitenden zur Stammkundschaft. "Vor allem im Winter ist es immer schwierig. Dann ist hier wenig los und die Conti-Mitarbeiter sind eine feste Einnahmequelle", sagt die gebürtige Italienerin.

Über Schließung "wird seit Jahren spekuliert"

Ähnlich ist es ein paar Meter weiter. Der Schuhladen Niemeyer besteht seit fast 60 Jahren und ist in Stolzenau eine feste Institution. Der Erfolg hänge aber vor allem von der Kaufkraft der Einwohner vor Ort ab, sagt der Inhaber Uwe Niemeyer und führt aus: "Arbeitslosigkeit ist für den Einzelhandel einfach schwierig". Niemeyer ist in Stolzenau geboren, gut vernetzt und weiß, wenn im Ort etwas im Busch ist: "Auch wenn die offizielle Ankündigung der Werksschließung erst diese Woche erfolgte - im Ort wird darüber schon seit Jahren spekuliert", sagt er.

Wenig Überraschung in Stolzenau

Ähnliches kommt von den Fußgängerinnen und Fußgänger auf der Straße. Joanna Dabrowska zum Beispiel hatte früher viele Freunde, die bei Conti gearbeitet haben. Mittlerweile haben sie aber alle dort aufgehört. "Wegen der unsicheren Lange", wie sie sagt. Es scheint, als würden die Continental Werkstore in Stolzenau schon seit Jahren langsam schließen. Als wäre die Ankündigung in dieser Woche nur das "Klicken" des Schlosses gewesen. Auch wenn die Schließung für viele Stolzenauer herausfordernd sein wird - überrascht ist hier keiner.

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Dieses Thema im Programm:

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