Abriss statt Weltkulturerbe? Sorge um Celler Fachwerkhäuser

Stand: 13.06.2024 21:54 Uhr

Noch vor wenigen Jahren sollte die historische Altstadt von Celle mit Hunderten Fachwerkhäusern Unesco-Weltkulturerbe werden. Doch nun drohen die Gebäude zu verfallen: Die Sanierung ist vielen zu teuer.

von Jon Mendrala

"Noch einmal kann ich mir das nicht leisten", sagt Barbara Hofmann-Weseloh. Die Hauseigentümerin besitzt ein schmuckes - und kernsaniertes Fachwerkhaus aus dem 18. Jahrhundert in der Celler Innenstadt. Doch damit hat sie auch eine ordentliche Portion Sorgen erworben - und hohe Kosten. Gut zehn Jahre hat die denkmalschutzgerechte Sanierung ihres Hauses gedauert. Immerhin ist der Umbau mittlerweile fast abgeschlossen; auch ein neuer Mieter ist in das Objekt gezogen. Eigentlich war das Objekt als Renditeanlage gedacht. "Ich kann froh sein, wenn sich die Investition irgendwann einmal rechnet. Ich werde das nicht mehr erleben, vielleicht aber meine Enkelkinder."

Fachwerkhäuser in Celle: Sanierung extrem teuer

Ein Fachwerkhaus von innen in der Alstadt von Celle. © NDR Foto: Jon Mendrala
Manche befürchten, dass einige Besitzer die Fachwerkhäuser verfallen lassen - wegen der bürokratischen Hürden und extremen Kosten.

Wie viel genau sie in das Fachwerkhaus investiert hat, möchte sie nicht sagen. Aber wenn man sich umhört, wird schnell klar: nicht in allen Fällen reicht ein sechsstelliger Betrag aus. "Die Bauauflagen und der Denkmalschutz sind einfach zu hoch. Das kann ein normaler Eigentümer nicht leisten", sagt Hofmann-Weseloh.

450 historische Fachwerkhäuser schmiegen sich in der Celler Altstadt eng aneinander. Die Stadt wirbt damit und lockt Besucher an. Der Charme: Viele der alten Fachwerkhäuser haben Ladenzeilen und werden als Gewerbe genutzt. Doch jedes dritte der jahrhundertealten Gebäude ist sanierungsbedürftig. Die baulichen Auflagen dafür sind extrem hoch. Und obendrein sind die Baukosten in den vergangenen Jahren um rund 40 Prozent gestiegen.

Umbau alter Gebäude sehr komplex

Architekt Andreas Brüggemann hat Dutzende Objekte in der Umbauphase begleitet - auch das Haus von Barbara Hofmann-Weseloh: "Für mich als Architekten ist es natürlich schön, nach historischen Vorbildern und mit alten Materialien zu arbeiten, aber die Anforderungen, um ein solch altes Gebäude in einer modernen Nutzung zu haben, sind immens."

Bürokratische Hürden bei denkmalschutzgerechter Sanierung von Fachwerkhäusern

Fachwerkhäuser in der Altstadt von Celle. © NDR Foto: Jon Mendrala
Die Fachwerkhäuser prägen das Stadtbild von Celle.

Für die Sanierung historischer Bauten gibt es unterschiedliche Fördertöpfe. Doch leider lassen sich die Gelder vom Bund, dem Land und der Kommune nicht miteinander kombinieren, klagt Architekt Brüggemann. "Ich würde mir wünschen, dass sich die Bürokratie der Realität anpasst", sagt auch Hofmann-Weseloh. Vielen Eigentümern geht während der denkmalschutzgerechten Sanierung nicht nur der Mut verloren, sondern schlichtweg das Geld aus.

Stadt Celle hofft auf Unterstützung Niedersachsens

Die Stadt Celle hat das Problem erkannt. Man will die historische Altstadt unbedingt erhalten. Doch in der Stadtkasse fehlt dafür das Geld. Die Hoffnung ruht auf neuen Förderprogrammen von Land und Bund, sagt Celles Stadtbaurätin Elena Kuhls: "Eigentum verpflichtet. Von daher werden wir jeden Hausbesitzer daran erinnern, sein Objekt instand zu halten. Aber klar ist auch: Unsere Mittel sind begrenzt. Wir hoffen, dass das Land Niedersachsen und der Bund neue Fördermittel bereitstellen." Das Denkmalschutzamt des Landes äußert sich auf Anfrage von NDR Niedersachsen dazu nicht.

Lokalpatriotismus, um Fachwerkensemble zu erhalten

"Ich bin aus Celle und ich liebe Fachwerkhäuser. Mir ist es ein Anliegen, diese für meine Enkelkinder und folgende Generationen zu erhalten. Aber mit all dem Wissen, dass ich jetzt habe, würde ich mein Haus nicht noch einmal sanieren", sagt Barbara Hofman-Weseloh.

Ihre Befürchtung ist, dass viele Hausbesitzer irgendwann entnervt und mittellos die Sanierung aufgeben - und die Häuser verfallen lassen oder einen Abriss beantragen. Aber alle vor Ort in Celle hoffen, dass es dazu nicht kommt. Und so bleibt Lokalpatriotismus als wohl letzte Hoffnung, damit die einzigartige Altstadt von Celle auch weiterhin erhalten bleibt.

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