101-Jährige aus Hannover: "Wählen gehen ist eine Verpflichtung"

Stand: 20.02.2025 06:21 Uhr

Wenn am Sonntag gewählt wird, nimmt Hannelore Pfeiffer zum 21. Mal an einer Bundestagswahl teil. Sie hofft, dass möglichst viele Menschen zur Wahl gehen. Das sei in diesem Jahr besonders wichtig.

von Ole Lerch

Direkt neben dem Bett von Hannelore Pfeiffer steht ein Radio. Wenn die 101-Jährige morgens nicht mehr schlafen kann, schaltet sie es ein und hört Nachrichten. Am meisten interessiert sie sich für Politik. Besonders jetzt, kurz vor der Wahl. Schon jetzt ist die Seniorin gespannt auf die erste Hochrechnung am Sonntag, wie sie sagt, und dass sie längst gewählt habe: "Briefwahl, das machen die meisten hier so, dann muss man nicht bis zum Wahllokal in der nahen Schule gehen."

Winter 1945: Flucht vor der herannahenden Front

Das Bild zeigt © NDR
Bis zu ihrer Flucht 1945 lebte Hannelore Pfeiffer mit ihrer Familie auf einem Gut in Westpreußen.

Mit "hier" meint Hannelore Pfeiffer ein Wohnstift im hannoverschen Stadtteil Kleefeld, in dem sie seit sechs Jahren lebt. Ihr Zimmer liegt im fünften Stock. Von hier aus hat sie einen guten Blick über Hannover. Über die Stadt, in der sie seit fast 80 Jahren lebt. Aufgewachsen ist Hannelore Pfeiffer auf einem Gut in Westpreußen. Im Winter 1945 müssen sie und ihre Eltern vor der herannahenden Front Richtung Westen fliehen. Sie lebt zunächst in Springe am Deister, später zieht sie nach Hannover.

Ankunft im völlig zerstörten Hannover hinterlässt Spuren

Hannelore ist damals medizinisch-technische Assistentin, ihr Mann Arzt. Die beiden eröffnen gemeinsam eine Praxis. Als am 14. August 1949 in der gerade erst gegründeten Bundesrepublik die erste Bundestagswahl stattfindet, ist das für Hannelore Pfeiffer und für viele Menschen in ihrem Umfeld ein Zeichen, dass es nun langsam wieder aufwärts geht. Die Eindrücke aus der Kriegszeit, die beschwerliche Flucht aus der Heimat und die Ankunft im völlig zerstörten Hannover haben bei Hannelore Pfeiffer tiefe Spuren hinterlassen. Auch deshalb fühlt sich die damals 25-Jährige verpflichtet, wählen zu gehen.

"Das andere war ja Diktatur"

Das Bild zeigt ein Bild aus dem Fotoalbum der 101-jährigen Hannelore Pfeiffer. © NDR
Hannelore Pfeiffer lebt in Hannover, als die erste Bundestagswahl stattfindet.

"Wenn man die Möglichkeit hatte, wählen zu gehen, musste man wählen. Das andere war ja Diktatur. Das hatten wir ja hinter uns und wussten, was es bedeutet, wenn man nicht wählen darf." Hannelore Pfeiffer erinnert sich daran, dass sie die "Deutsche Partei" gewählt hat. "Für mich war Wählen ja etwas ganz Neues. Die Frage war: Wen wählt man? Meine Eltern haben die Deutsche Partei gewählt und ich dann auch. Das war einfach die Flüchtlingspartei."

CDU stellt mit Konrad Adenauer den ersten Bundeskanzler

Die eher konservative Deutsche Partei, kurz DP, gilt damals als Sprachrohr der Vertriebenen. Sie zieht nach der Wahl tatsächlich mit 17 Abgeordneten in den neuen deutschen Bundestag ein. Wahlgewinner wird am Ende die CDU und stellt mit Konrad Adenauer den Bundeskanzler. Als die Deutsche Partei bei der Bundestagswahl 1953 den Sprung über die neu geschaffene 5-Prozent-Hürde verpasst, wechselt ihr Klientel zum größten Teil zur CDU.

Besonders spannend fand sie die Bundestagswahl 1969

Hannelore Pfeiffer ist ihrer Haltung zum Thema Wahl und Wählen ihr ganzes Leben treu geblieben. Sie hat bei allen bisherigen Bundestagswahlen ihre Stimme abgeben. Als besonders spannend hat sie die Bundestagswahl 1969 in Erinnerung, als zum ersten Mal seit 20 Jahren nicht mehr die CDU den Kanzler stellte. Für wen die 101-Jährige selbst all die Jahrzehnte gestimmt hat, will sie nicht verraten. Nur so viel: "Bei mir gab es immer eine bestimmte Richtung. Aber es gab da nicht nur CDU und SPD, sondern auch andere Parteien. Man konnte ja auch mal eine von den kleinen Parteien wählen."

"Damit nicht die Falschen an die Regierung kommen"

Hannelore Pfeiffer hat ihr Kreuzchen bei ihrer 21. Bundestagswahl schon per Briefwahl gemacht. Für wen, das will sie auch dieses Mal nicht verraten. Die 101-Jährige hofft jetzt vor allem, dass möglichst viele Menschen zur Wahl gehen. Das sei in diesem Jahr besonders wichtig, damit, wie sie sagt, "nicht die Falschen an die Regierung kommen". Das, so Pfeiffer, könne jeder "mit seiner eigenen kleinen Stimme verhindern". Zur Wahl-Prognose um 18 Uhr will es sich Hannelore Pfeiffer auf ihrem Lieblingssessel vor dem Fernseher gemütlich machen. Sie ist schon jetzt sehr gespannt auf den Ausgang der Wahl.

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